Deutschland ist diesen Sommer in letzter Minute seinen Umsetzungspflichten aus diversen EU-Richtlinien nachgekommen und hat das Verbraucherrecht umfassend angepasst. Die Neuregelungen im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB), dem Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch (EGBG) und dem Gesetz zum unlauteren Wettbewerb (UWG) sind weitreichend und verlangen insbesondere von Onlinehändlern diverse Anpassungen.
Einwilligung in Telefonwerbung und Abtretungsverbot
Bereits zum 01.10.2021 wurden zwei wichtige Punkte umgesetzt. So sind zum einen Regelungen in AGB unwirksam, die ein Abtretungsverbot von Geldforderungen enthalten. Damit soll dem Verbraucher ermöglicht werden, seine Forderungen auch an Dritte zur Rechtsdurchsetzung verkaufen zu können.
Zum anderen treten verschärfte Regelungen zur Dokumentationspflicht bzgl. Telefonwerbung in Kraft. Dass für Werbung mittels Telefonanrufes eine ausdrückliche Einwilligung des Verbrauchers notwendig ist, ist bereits lange bekannt. Gesetzlich konkret neu geregelt ist jetzt, dass diese ausdrückliche Einwilligung dokumentiert und fünf Jahre aufbewahrt werden muss, andernfalls droht ein Bußgeld von bis zu 50.000 Euro.
Änderungen des Kaufrechts - insb. Gewährleistungsrecht und Verbrauchsgüterkauf
Eine der umfassendsten Gesetzesänderungen betrifft das Kaufrecht. Ab 01.01.2022 wird für alle Kaufverträge ein neuer Mangelbegriff gelten und es werden neue Regeln zur Gewährleistung - insb. im Verbrauchsgüterkauf - in Kraft treten.
Für die Mangelfreiheit kommt es künftig darauf an, ob die Kaufsache den „subjektiven und objektiven Anforderungen sowie den Montageanforderungen“ entspricht. Von Relevanz werden dabei in Zukunft auch von Gesetzes wegen die Beschaffenheit von etwaigen Proben und Mustern, aber auch von Zubehör, Montageanleitungen und Werbeaussagen (bspw. des Herstellers) sein.
Für Vertragsbeziehungen mit Verbrauchern gelten künftig diverse Erleichterungen im Gewährleistungsfall. Beispielsweise profitiert der Käufer ab 2022 von einer auf ein Jahr verlängerten Beweislastumkehr, dass die Sache bereits bei Übergabe mangelhaft war. Daneben wurden die Voraussetzungen für den Rücktritt oder die Geltendmachung eines Schadensersatzanspruchs aufgeweicht. So muss der Verbraucher häufig keine konkrete Frist mehr setzen bevor er vom Kaufvertrag zurücktreten oder Schadensersatz verlangen kann.
Sache mit digitalen Elementen - Aktualisierungspflicht der Verkäufer
Entsprechend der EU-Richtlinien wird das deutsche BGB - insb. das Gewährleistungsrecht - nun auch auf die speziellen Anforderungen der Digitalisierung angepasst. Neu eingefügt werden Regelungen für „Kaufsachen mit digitalen Elementen“. Hervorzuheben ist hierbei insb. die neu normierte Aktualisierungspflicht, bei deren Verletzung die Kaufsache als mangelhaft gilt.
Das bedeutet, dass auch eine ursprünglich mangelfreie Kaufsache im Laufe der Zeit mangelhaft wird, sofern der Verkäufer nicht oder nicht rechtzeitig Updates liefert. Davon umfasst sind sowohl funktionserhaltende als auch Sicherheitsaktualisierungen. Dabei soll die Dauer der Aktualisierungspflicht von den Umständen des Einzelfalls abhängen. Sie wird je nach Art des Produkts und dem Erwartungshorizont des Durchschnittskäufers bemessen. Es ist demnach offen, ab wann ein Verkäufer nicht mehr zur Aktualisierung verpflichtet ist.
Der Verkäufer, der nicht zugleich Hersteller der Produkte ist, muss deshalb künftig in seinen Lieferverträgen besonders darauf achten, diese Pflicht zur Bereitstellung von Updates abzudecken, um ggfs. Regressansprüche geltend machen zu können.
Neue Regelungen für Verträge mit digitalen Produkten
Ab Januar 2022 gelten zudem neue Regelungen für Verträge, die die „Bereitstellung digitaler Inhalte und digitaler Dienstleistungen“ (zusammen „digitale Produkte“) zum Gegenstand haben. Davon betroffen sind insb. Anbieter von Apps, eBooks und Streaming-Diensten, aber auch Cloud-Anbieter und Betreiber sozialer Netzwerke.
Eine der wichtigsten Neuerungen ist dabei, dass ein Vertrag schon dann als „entgeltlich“ gilt, sobald der Verbraucher sich zur Bereitstellung seiner Daten verpflichtet, die über die ausschließliche Verwendung zur Vertragsdurchführung hinaus gehen. „Bezahlt“ der Verbraucher also die Leistung mit seinen Daten, ist künftig das Widerrufsrecht auf diese Verträge anwendbar.
Darüber hinaus gelten auch für die Verträge zu digitalen Produkten spezielle Regelungen im Gewährleistungsrecht, die sich an denen des neuen Kaufrechts orientieren.
Strenge Anforderungen an Vertragslaufzeiten und Verlängerungen
Ab März 2022 gelten verschärfte Bedingungen für Vertragslaufzeiten, deren automatische Verlängerung sowie deren Kündigung.
Verträge dürfen nach einer Mindestlaufzeit von maximal zwei Jahren künftig nur noch auf unbestimmte Zeit mit einmonatiger Kündigungsmöglichkeit verlängert werden. Eine bislang häufig anzutreffende Praxis über die Verlängerung um ein weiteres Jahr ist damit nicht mehr zulässig, da der Kunde nicht darauf beschränkt werden darf, erst zum Ende der automatischen Verlängerung zu kündigen. Auch wird die Kündigungsfrist von maximal drei Monaten auf einen Monat verkürzt.
Findet der Vertragsschluss im Internet statt, hat der Unternehmer ab Juli 2022 auch einen sog. „Kündigungsbutton“ vorzuhalten. Über diese Schaltfläche soll der Kunde künftig einfacher seinen Vertrag beenden können.
Umfassende Transparenzpflichten für Online-Marktplätze
Zusätzlich hat der Gesetzgeber Handlungsbedarf bei der Transparenz auf Online-Marktplätzen, wie bspw. Amazon, eBay, etsy & Co, gesehen.
Ähnlich wie beim Ranking von Suchergebnissen haben Marktplatzbetreiber ab 28.05.2022 konkrete Angaben zu Ranking-Kriterien und deren Gewichtung zu machen. Darüber hinaus sind die Käufer ausdrücklich über die Verbraucher- oder Unternehmereigenschaft zu informieren. Insb. Amazon dürfte auch Anlass zur Regelung gegeben haben, dass nunmehr wirtschaftliche Verflechtungen zwischen der Plattform und etwaigen Verkäufern offenzulegen sind.
Achtung bei Preisbildung über Profiling oder Werbung mit Preisreduktion
Ebenfalls zum 28.05.2022 müssen alle Verkäufer ausdrücklich Angaben machen, sofern sie für die Preisbildung eine automatisierte Entscheidungsfindung, sog. „Profiling“, verwendet haben.
Ebenso muss bei der Werbung mit Preisreduzierungen als vorheriger Preis immer der günstigste Preis der letzten 30 Tage mit angegeben werden. Dies dürfte insb. bei zeitlich nahe aufeinander fallenden Verkaufsanlässen, wie bspw. Black Friday und dem Weihnachtsgeschäft relevant werden.
Hinweis: Für Onlinehändler wird das Jahr 2022 zur besonderen Herausforderung, da sowohl AGB, als auch Datenschutzerklärungen, Widerrufsbelehrungen und Preisangaben zu unterschiedlichen Zeitpunkten - teilweise sogar mehrfach - anzupassen sind, wobei erste Anpassungen schon jetzt unmittelbar anstehen.
Darüber hinaus haben die Änderungen des Kauf- und Gewährleistungsrechts Auswirkungen auf Lieferverträge und etwaige Regressansprüche im B2B-Geschäftsverkehr, die künftig zu beachten sind.