Das wichtigste Ergebnis: Kurzfristig scheinen die bisher eingeleiteten Unterstützungsmaßnahmen - Liquiditäts- und Überbrückungshilfen, Soforthilfen, Bundesbürgschaften und ein neu aufgelegter Wirtschaftsstabilisierungsfonds mit einem Volumen von rund EUR 100 Mrd. - zu wirken. Doch eine Mehrheit (68%) der befragten Insolvenzverwalter und Sanierungsberater rechnet mittel- bis langfristig mit einer steigenden Zahl an Krisen- und Insolvenzfällen.
Gegensätzliche Entwicklung einzelner Branchen setzt sich fort
Wie bereits im vergangenen Jahr erwartet eine Mehrheit der Befragten die stärksten Auswirkungen der Corona-Krise auf die Branchen Tourismus, Handel und Textilwirtschaft. Dagegen rechnen die Teilnehmer der Umfrage mit einer Entspannung im Anlagen- und Maschinenbau und vor allem im Bereich Automotive. Als krisenfest erweist sich vor allem die Nahrungs- und Genussmittelbranche, die aufgrund ihrer diversifizierten Geschäftsmodelle deutlich besser eingestuft wird als im Jahr 2021 bei der ersten Befragung von Ebner Stolz.
Anstieg bei M&A Prozessen erwartet
Im vergangenen Jahr rechnete eine Mehrheit (52%) der befragten Experten mit kurzfristig stockenden M&A-Prozessen unter anderem aufgrund von Reisebeschränkungen durch COVID-19 und den vorübergehenden Rückzug strategischer Investoren. Knapp zwei Drittel (65%) der Befragten gehen davon aus, dass sich dies auch nach Wiedereinsetzung der Insolvenzantragspflicht am 1. Mai 2021 zunächst nicht ändern wird. Allerdings erwartet knapp die Hälfte (49%) der Experten vor allem ab 2022 eine spürbare Zunahme der Investorenprozesse in Insolvenzverfahren.
Strategische Investoren kehren zurück
Einen Grund hierfür sehen die Umfrageteilnehmer in der unverändert hohen Liquidität im Markt, durch den sich insbesondere Finanzinvestoren nach wie vor einem starken Anlage- und Handlungsdruck ausgesetzt sehen. Daher ist es wenig überraschend, dass jeweils mehr als zwei Drittel der Insolvenzverwalter und -berater sowohl kurzfristig (69%) also auch mittel- und langfristig (70%) von einem unverändert hohen bzw. weiter steigenden Engagement von Finanzinvestoren ausgeht.
Ein weiterer Grund liegt in der Rückkehr strategischer Investoren. Ihr Engagement wird sich nach Ansicht von 44% der befragten Insolvenzverwalter und Sanierungsberater mittel- bis langfristig deutlich steigern. Denn für Unternehmen, die kaum von der Krise betroffen sind bzw. diese gut überstanden haben, werden sich mittel- bis langfristig zahlreiche Opportunitäten für Zukäufe eröffnen.
„Dual-Track“-Verfahren und „Opinions“ auf dem Vormarsch
Auffällig ist, dass ein zweigleisiges Vorgehen im Rahmen eines Insolvenzplanverfahrens im Vergleich zum Vorjahr noch höher geschätzt wird. Knapp zwei Drittel der Befragten (65%) sieht ein „Dual-Track“-Verfahren, das sowohl die Möglichkeit eines Verkaufs, als auch die Eigensanierung eröffnet, als zwingend erforderlich an.
Darüber hinaus wurde zuletzt an Stelle der Durchführung eines vollständigen M&A-Prozesses oftmals nur ein Markttest in Form einer „Opinion“ eingeholt, um die Erfolgsaussichten eines Verkaufsprozesses zu prüfen und eine Werteinschätzung des Unternehmens vorzunehmen. Diese Beobachtung bestätigten 56% der befragten Experten. Dabei handelt es sich um eine Konsequenz aus den aktuell immer noch niedrigen Kaufpreisen für Unternehmen im Distressed-Segment, für die sich kurzfristig keine Veränderung abzeichnet.
Neue Möglichkeiten durch StaRUG?
Mit dem seit 1. Januar 2021 geltenden StaRUG hat der Gesetzgeber ein Instrument für die präventive Restrukturierung geschaffen, das bei Unternehmen Anreize schaffen soll, frühzeitig Maßnahmen zur Überwindung wirtschaftlicher Schwierigkeiten umzusetzen. Hier herrscht unter den befragten Experten aber noch Unsicherheit vor, da bislang kaum Erfahrungswerte (82%) aus der Praxis vorliegen. Eine deutliche Mehrheit (73%) rechnet nicht mit einer Zunahme der Fallzahlen, da der StaRUG keinen Eingriff in Arbeitnehmerrechte erlaubt und ein Personalabbau damit als wesentliches Restrukturierungsinstrument ausscheidet.
Die vollständige Studie ist auf Anfrage hier erhältlich.