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Umsätze einer Fahrschule können steuerfrei sein

FG Baden-Württemberg 8.2.2017, 1 V 3464/16

Nach EuGH-Recht­spre­chung um­fasst "Un­ter­richt" auch Tätig­kei­ten, bei de­nen eine Un­ter­wei­sung er­teilt wird, um Kennt­nisse und Fähig­kei­ten der Schüler und Stu­den­ten zu ent­wi­ckeln, so­fern diese Tätig­kei­ten nicht den Cha­rak­ter bloßer Frei­zeit­ge­stal­tung ha­ben. In­fol­ge­des­sen ist es möglich, dass die An­trag­stel­le­rin Pri­vat­leh­re­rin ist, die ih­ren Schülern die für das Führen ei­nes Kraft­rads oder PKW not­wen­di­gen Kennt­nisse und Fähig­kei­ten ver­mit­telt.

Der Sach­ver­halt:
Die An­trag­stel­le­rin be­treibt eine Fahr­schule. Die Aus­bil­dung um­fasst die Fahr­er­laub­nis­klasse A (Krafträder), über­wie­gend al­ler­dings die Fahr­er­laub­nis­klasse B (PKW). Seit 2016 be­rech­net sie ih­ren Fahr­schülern keine Um­satz­steuer mehr und erklärt steu­er­freie Umsätze ohne Vor­steu­er­ab­zug.

Nach Durchführung ei­ner Um­satz­steuer-Son­derprüfung ge­langte das Fi­nanz­amt zu dem Er­geb­nis, die Umsätze seien steu­er­pflich­tig. Es änderte einen Um­satz­steuer-Vor­aus­zah­lungs­be­scheid für 2016, da der Fahr­schul­un­ter­richt kein steu­er­be­frei­ter Un­ter­richt ei­ner all­ge­mein­bil­den­den oder be­rufs­bil­den­den Ein­rich­tung sei. Nach An­sicht der Steu­er­behörde handle es sich auch nicht um Schul- oder Hoch­schul­un­ter­richt, der dem Er­werb oder der Er­hal­tung spe­zi­fi­scher be­ruf­li­cher Kennt­nisse diene. Die An­trag­stel­le­rin sei schließlich auch kein "Pri­vat­leh­rer" i.S.d. Mehr­wert­steu­er­sys­tem­richt­li­nie.

Die Ände­rung führte zu ei­ner Nach­zah­lung. Die An­trag­stel­le­rin legte Ein­spruch ein und be­an­tragte die Aus­set­zung der Voll­zie­hung. Das Fi­nanz­amt lehnte den  An­trag ab, ohne über den Ein­spruch zu ent­schei­den. Das FG hat den Um­satz­steuer-Vor­aus­zah­lungs­be­scheid al­ler­dings bis einen Mo­nat nach Be­kannt­gabe der Ein­spruchs­ent­schei­dung von der Voll­zie­hung aus­ge­setzt.

Die Gründe:
Es ist ernst­lich zwei­fel­haft, ob der Fahr­schul­un­ter­richt der An­trag­stel­le­rin steu­er­be­freit ist. Die Steu­er­frei­heit er­gibt sich zwar nicht aus § 4 Nr. 21 UStG. Die An­trag­stel­le­rin könnte sich aber auf Art. 132 Abs. 1j MwSt­SysRL be­ru­fen.

Nach EuGH-Recht­spre­chung um­fasst "Un­ter­richt" auch Tätig­kei­ten, bei de­nen eine Un­ter­wei­sung er­teilt wird, um Kennt­nisse und Fähig­kei­ten der Schüler und Stu­den­ten zu ent­wi­ckeln, so­fern diese Tätig­kei­ten nicht den Cha­rak­ter bloßer Frei­zeit­ge­stal­tung ha­ben. Ent­schei­dend sind da­bei die Art der er­brach­ten Leis­tung und ihre ge­ne­relle Eig­nung als Schul-  oder  Hoch­schul­un­ter­richt (EuGH-Urt. v. 14.6.2007, C-445/05 - Ha­derer; 28.1.2010, C-473/08 - Eu­litz).

"Un­ter­richt" wird "von Pri­vat­leh­rern er­teilt", wenn die Leh­rer für ei­gene Rech­nung und in ei­ge­ner Ver­ant­wor­tung han­deln. In­fol­ge­des­sen ist es möglich, dass die An­trag­stel­le­rin Pri­vat­leh­re­rin ist, die ih­ren Schülern die für das Führen ei­nes Kraft­rads oder PKW not­wen­di­gen Kennt­nisse und Fähig­kei­ten ver­mit­telt. Die ver­mit­tel­ten Fähig­kei­ten ge­hen über die bloße Be­herr­schung von Fahr­zeu­gen und Ver­kehrs­re­geln hin­aus. Zu den Zie­len der Fahr­aus­bil­dung gehört nämlich auch das Wis­sen über die Aus­wir­kun­gen von Fahr­feh­lern und eine rea­lis­ti­sche Selbst­ein­schätzung. Dies kann wie­derum ein Ge­mein­woh­lin­ter­esse begründen und un­ter Berück­sich­ti­gung der BGH-Recht­spre­chung zum Schwimm­un­ter­richt dazu führen, dass Umsätze für Fahr­schul­un­ter­richt steu­er­frei sind.

Dem­ge­genüber hat es das Nie­dersäch­si­sche FG als ent­schei­dend an­ge­se­hen, dass - an­ders als in den Ent­schei­dun­gen des BFH zu Kur­sen für "So­fortmaßnah­men am Un­fall­ort" und "Fahr­si­cher­heits­trai­ning" - der prak­ti­sche Un­ter­richt der Fahr­schu­len (Fahr­stun­den), nach der Emp­feh­lung zur Ver­kehrs­er­zie­hung in der Schule we­der er­for­der­li­cher noch wünschens­wer­ter Be­stand­teil des Schul- oder Hoch­schul­un­ter­richts seien (Urt. v. 1.4.2016, Az.: 11 K 10284/15). Die Be­ant­wor­tung der Frage, ob es für die Aus­le­gung des Be­griffs "Schul- und Hoch­schul­un­ter­richt" vor dem Hin­ter­grund ei­ner zu ver­mei­den­den un­ter­schied­li­chen An­wen­dung des Mehr­wert­steu­er­rechts in den Mit­glied­staa­ten auf eine sich ste­tig wan­delnde Be­wer­tung von Un­ter­richts- und Bil­dungs­in­hal­ten durch in­ner­staat­li­che In­sti­tu­tio­nen an­kom­men kann, bleibt dem Haupt­sa­che­ver­fah­ren vor­be­hal­ten.

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