Der Sachverhalt:
Die Antragstellerin betreibt eine Fahrschule. Die Ausbildung umfasst die Fahrerlaubnisklasse A (Krafträder), überwiegend allerdings die Fahrerlaubnisklasse B (PKW). Seit 2016 berechnet sie ihren Fahrschülern keine Umsatzsteuer mehr und erklärt steuerfreie Umsätze ohne Vorsteuerabzug.
Die Änderung führte zu einer Nachzahlung. Die Antragstellerin legte Einspruch ein und beantragte die Aussetzung der Vollziehung. Das Finanzamt lehnte den Antrag ab, ohne über den Einspruch zu entscheiden. Das FG hat den Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheid allerdings bis einen Monat nach Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung von der Vollziehung ausgesetzt.
Die Gründe:
Es ist ernstlich zweifelhaft, ob der Fahrschulunterricht der Antragstellerin steuerbefreit ist. Die Steuerfreiheit ergibt sich zwar nicht aus § 4 Nr. 21 UStG. Die Antragstellerin könnte sich aber auf Art. 132 Abs. 1j MwStSysRL berufen.
Nach EuGH-Rechtsprechung umfasst "Unterricht" auch Tätigkeiten, bei denen eine Unterweisung erteilt wird, um Kenntnisse und Fähigkeiten der Schüler und Studenten zu entwickeln, sofern diese Tätigkeiten nicht den Charakter bloßer Freizeitgestaltung haben. Entscheidend sind dabei die Art der erbrachten Leistung und ihre generelle Eignung als Schul- oder Hochschulunterricht (EuGH-Urt. v. 14.6.2007, C-445/05 - Haderer; 28.1.2010, C-473/08 - Eulitz).
"Unterricht" wird "von Privatlehrern erteilt", wenn die Lehrer für eigene Rechnung und in eigener Verantwortung handeln. Infolgedessen ist es möglich, dass die Antragstellerin Privatlehrerin ist, die ihren Schülern die für das Führen eines Kraftrads oder PKW notwendigen Kenntnisse und Fähigkeiten vermittelt. Die vermittelten Fähigkeiten gehen über die bloße Beherrschung von Fahrzeugen und Verkehrsregeln hinaus. Zu den Zielen der Fahrausbildung gehört nämlich auch das Wissen über die Auswirkungen von Fahrfehlern und eine realistische Selbsteinschätzung. Dies kann wiederum ein Gemeinwohlinteresse begründen und unter Berücksichtigung der BGH-Rechtsprechung zum Schwimmunterricht dazu führen, dass Umsätze für Fahrschulunterricht steuerfrei sind.
Demgegenüber hat es das Niedersächsische FG als entscheidend angesehen, dass - anders als in den Entscheidungen des BFH zu Kursen für "Sofortmaßnahmen am Unfallort" und "Fahrsicherheitstraining" - der praktische Unterricht der Fahrschulen (Fahrstunden), nach der Empfehlung zur Verkehrserziehung in der Schule weder erforderlicher noch wünschenswerter Bestandteil des Schul- oder Hochschulunterrichts seien (Urt. v. 1.4.2016, Az.: 11 K 10284/15). Die Beantwortung der Frage, ob es für die Auslegung des Begriffs "Schul- und Hochschulunterricht" vor dem Hintergrund einer zu vermeidenden unterschiedlichen Anwendung des Mehrwertsteuerrechts in den Mitgliedstaaten auf eine sich stetig wandelnde Bewertung von Unterrichts- und Bildungsinhalten durch innerstaatliche Institutionen ankommen kann, bleibt dem Hauptsacheverfahren vorbehalten.
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