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Umsatzsteuer: Anforderungen an zum Vorsteuerabzug berechtigende Rechnungen

BFH 6.4.2016, V R 25/15 u.a.

Die bei­den Um­satz­steu­er­se­nate des BFH ha­ben den EuGH um die Klärung der An­for­de­run­gen ge­be­ten, die im Um­satz­steu­er­recht an eine ord­nungs­gemäße Rech­nung zu stel­len sind, da­mit der Leis­tungs­empfänger zum Vor­steu­er­ab­zug be­rech­tigt ist. Außer­dem ha­ben sie das Ge­richt um Klärung der Vor­aus­set­zun­gen für ef­fek­ti­ven Ver­trau­ens­schutz ge­be­ten.

Der Sach­ver­halt:
In bei­den Fällen wa­ren die Kläger KFZ-Händ­ler.

+++ V R 25/15 +++
In der Sa­che Az.: V R 25/15 hatte der Kläger von einem Drit­ten (Z.), der sei­ner­seits Fahr­zeuge im On­line-Han­del ver­trieb, in den Streit­jah­ren 2009 bis 2011 PKWs er­wor­ben. In den Rech­nun­gen des Z. war eine An­schrift an­ge­ge­ben, an die­ser zwar Räum­lich­kei­ten an­ge­mie­tet hatte, die aber nicht ge­eig­net wa­ren, um dort ge­schäft­li­che Ak­ti­vitäten zu ent­fal­ten.

Nach ei­ner beim Kläger durch­geführ­ten Um­satz­steuer-Son­derprüfung ge­langte das Fi­nanz­amt zu der An­sicht, dass Vor­steu­er­beträge aus den Ein­gangs­rech­nun­gen des Z. nicht in Ab­zug ge­bracht wer­den könn­ten, weil die in den Rech­nun­gen aus­ge­wie­sene An­schrift des leis­ten­den Un­ter­neh­mers tatsäch­lich nicht be­stan­den habe. Der Z. habe im In­land keine Be­triebsstätte. Die Ge­schäfts­adresse diene nur als Brief­kas­ten­adresse, an der le­dig­lich Post ab­ge­holt wor­den sei.

Das FG gab der hier­ge­gen ge­rich­te­ten Klage statt. Das Ge­richt war der An­sicht, dass die An­gabe der An­schrift i.S.d. § 14 Abs. 4 S. 1 Nr. 1 UStG nicht er­for­dere, dass dort ge­schäft­li­che Ak­ti­vitäten stattfänden.

+++ XI R 20/14 +++
In der Sa­che Az.: XI R 20/14 ging es um einen KFZ-Händ­ler, der im Streit­jahr 2008 von D. Fahr­zeuge er­wor­ben hatte. Un­ter der von D. in ih­ren Rech­nun­gen an­ge­ge­be­nen An­schrift be­fand sich zwar ihr sta­tua­ri­scher Sitz; es han­delte sich hier­bei je­doch um einen "Brief­kas­ten­sitz", un­ter der D. le­dig­lich pos­ta­li­sch er­reich­bar war und wo keine ge­schäft­li­chen Ak­ti­vitäten statt­ge­fun­den hat­ten. Auch hier ver­trat das Fi­nanz­amt die An­sicht, dass die gel­tend ge­mach­ten Vor­steu­er­beträge aus Rech­nun­gen der D. nicht ab­zieh­bar seien, weil es sich da­bei um eine "Schein­firma" han­dele, die un­ter ih­rer Rech­nungs­an­schrift kei­nen Sitz ge­habt habe.

Das FG wies die Klage größten­teils ab. So sehe § 15 UStG den Schutz des gu­ten Glau­bens an die Erfüllung der Vor­steu­er­ab­zugs­vor­aus­set­zun­gen nicht vor, wes­halb Ver­trau­ens­schutz­ge­sichts­punkte nicht bei der Steu­er­fest­set­zung, son­dern ggf. nur im Rah­men ei­ner Bil­lig­keitsmaßnahme gem. §§ 163, 227 AO berück­sich­tigt wer­den könn­ten.

Der BFH hat die bei­den Re­vi­si­ons­ver­fah­ren aus­ge­setzt und den EuGH um die Klärung der An­for­de­run­gen ge­be­ten, die im Um­satz­steu­er­recht an eine ord­nungs­gemäße Rech­nung zu stel­len sind, da­mit der Leis­tungs­empfänger zum Vor­steu­er­ab­zug be­rech­tigt ist.

Die Gründe:
In der Sa­che geht es um die Frage, ob die von einem Un­ter­neh­mer gel­tend ge­mach­ten Vor­steu­er­beträge aus Rech­nun­gen auch dann ab­zieh­bar sind, wenn es sich un­ter der in den Rech­nun­gen an­ge­ge­be­nen An­schrift des Lie­fe­rers le­dig­lich um einen "Brief­kas­ten­sitz" ge­han­delt hat, oder ob nur die An­gabe der­je­ni­gen An­schrift des leis­ten­den Un­ter­neh­mers zum Vor­steu­er­ab­zug be­rech­tigt, un­ter der der leis­tende Un­ter­neh­mer seine wirt­schaft­li­chen Ak­ti­vitäten ent­fal­tet.

Beide Se­nate se­hen als klärungs­bedürf­tig an, ob eine zum Vor­steu­er­ab­zug er­for­der­li­che Rech­nung die "vollständige An­schrift" be­reits dann enthält, wenn der leis­tende Un­ter­neh­mer in der von ihm über die Leis­tung aus­ge­stell­ten Rech­nung eine An­schrift an­gibt, un­ter der er zwar pos­ta­li­sch zu er­rei­chen ist, oder ob der Vor­steu­er­ab­zug die An­gabe ei­ner An­schrift des Steu­er­pflich­ti­gen vor­aus­setzt, un­ter der er seine wirt­schaft­li­chen Tätig­kei­ten ent­fal­tet.

Die Vor­la­gen sind er­for­der­lich ge­wor­den, weil das EuGH-Ur­teil vom 22.10.2015 (Rs.: C-277/14 - PPUH Steh­cemp, UR 2015, 917) mögli­cher­weise den Schluss zulässt, dass es für den Vor­steu­er­ab­zug nicht auf das Vor­lie­gen al­ler for­mel­len Rech­nungs­vor­aus­set­zun­gen an­kommt oder zu­min­dest die vollständige An­schrift des Steu­er­pflich­ti­gen keine An­schrift vor­aus­setzt, un­ter der wirt­schaft­li­che Tätig­kei­ten ent­fal­tet wur­den. Der V. Se­nat hat Zwei­fel, ob seine bis­he­rige Recht­spre­chung, nach der die for­mel­len Rech­nungs­vor­aus­set­zun­gen die An­gabe der zu­tref­fen­den An­schrift des leis­ten­den Un­ter­neh­mers vor­aus­setzt, un­ter der er seine wirt­schaft­li­chen Ak­ti­vitäten ent­fal­tet, mit die­ser EuGH-Recht­spre­chung in Ein­klang steht. Nach An­sicht des XI. Se­nats ist nach der EuGH-Ent­schei­dung im Hin­blick auf das Vor­steu­er­ab­zugs­recht des Leis­tungs­empfängers mögli­cher­weise nicht ent­schei­dend, ob un­ter der in der Rech­nung an­ge­ge­be­nen Adresse i.S.v. Art. 226 Nr. 5 der Richt­li­nie 2006/112/EG über das ge­mein­same Mehr­wert­steu­er­sys­tem eine wirt­schaft­li­che Tätig­keit des Leis­ten­den ausgeübt wird.

Feh­len for­melle Rech­nungs­vor­aus­set­zun­gen, kann nach BFH-Recht­spre­chung der Vor­steu­er­ab­zug un­ter be­stimm­ten Vor­aus­set­zun­gen in einem ge­son­der­ten Bil­lig­keits­ver­fah­ren aus Ver­trau­ens­schutz­ge­sichts­punk­ten gewährt wer­den. Beide Se­nate ha­ben den EuGH in ih­ren Vor­ab­ent­schei­dungs­er­su­chen in­so­weit um Klärung der Vor­aus­set­zun­gen für ef­fek­ti­ven Ver­trau­ens­schutz ge­be­ten.

Link­hin­weis:

  • Der Voll­text der Ent­schei­dung ist auf der Home­page des BFH veröff­ent­licht.
  • Um di­rekt zum Voll­text von Az.: V R 25/15 zu ge­lan­gen, kli­cken Sie bitte hier.
  • Um di­rekt zum Voll­text von Az.: XI R 20/14 zu ge­lan­gen, kli­cken Sie bitte hier.
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