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Steuerberatung

Umsatzsteuer beim E-Charging in Leistungsketten

La­de­vorgänge von Elek­tro­fahr­zeu­gen be­inhal­ten ne­ben dem rei­nen La­de­vor­gang wei­tere Dienst­leis­tun­gen (u. a. Be­reit­stel­lung der Lade- und IT-In­fra­struk­tur, Stand­platzüber­las­sung). Im Rah­men des La­de­vor­gangs lie­gen oft Leis­tungs­ket­ten vor, bei de­nen von un­ter­schied­li­chen Be­tei­lig­ten un­ter­schied­li­che Leis­tun­gen oder Leis­tungsbündel er­bracht wer­den. So liegt dem sog. E-Roa­ming re­gelmäßig eine ver­ein­barte Leis­tungs­kette „La­de­punkt­be­trei­ber (CPO) - E-Mo­bi­lity Pro­vi­der (EMP) -Fahr­zeug­nut­zer (EMU)“ zu­grunde, die mit­un­ter wei­tere Be­tei­ligte um­fas­sen kann.

Die um­satz­steu­er­li­che Be­hand­lung der La­de­vorgänge in Leis­tungs­ket­ten ist bis­her we­der in Deutsch­land noch in der EU ab­schließend ge­re­gelt. Ent­schie­den ist le­dig­lich, dass der La­de­punkt­be­trei­ber (CPO) in einem di­rek­ten Ver­trags­verhält­nis mit dem Fahr­zeug­nut­zer (EMU) um­satz­steu­er­lich eine kom­plexe ein­heit­li­che Strom­lie­fe­rung an den EMU er­bringt (EuGH-Ur­teil vom 20.04.2023, Rs. C-282/22, P. w W. /Dy­rek­tor Kra­jo­wej ln­for­macji Skar­bo­wej). Zum Um­fang der ein­heit­li­chen Strom­lie­fe­rung gehören u. a. re­gelmäßig die Be­reit­stel­lung der La­de­vor­rich­tun­gen, das Vor­hal­ten ei­nes Stand­plat­zes für den Zeit­raum des La­de­vor­gangs so­wie not­wen­dige tech­ni­sche Un­terstützung durch IT-An­wen­dun­gen/Ba­ckends zur Re­ser­vie­rung, Iden­ti­fi­zie­rung, Ak­ti­vie­rung und Be­zah­lung des La­de­vor­gangs. Die deut­sche Fi­nanz­ver­wal­tung wen­det die Grundsätze die­ses EuGH-Ur­teils an (vgl. Ab­schn. 3.5 Abs. 2 Nr. 8 und Ab­schn. 3.10 Abs. 6 Nr. 19 UStAE).

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Hin­sicht­lich der Leis­tungs­ket­ten ist un­geklärt, ob um­satz­steu­er­lich Strom­lie­fe­run­gen „durch die Kette“, also in einem Rei­hen­ge­schäft, oder auf Grund der EuGH-Recht­spre­chung zu Tank­kar­ten (EuGH-Ur­teile vom 15.05.2019, Rs. C-235/18, Vega In­ter­na­tio­nal Car Trans­port and Lo­gistic – Tra­ding GmbH so­wie vom 06.02.2003, Rs. C-185/01, Auto Lease Hol­land) aus­schließlich zwi­schen CPO und EMU an­zu­neh­men sind. Letz­te­res hätte zur Folge, dass der EMP eine grds. um­satz­steu­er­freie Kre­dit­gewährung an den EMU er­brin­gen würde. Überträgt man diese Grundsätze auf La­de­vorgänge in Lie­fer­ket­ten („buy and sell“-Mo­dell), könn­ten sich Vor­steu­er­ri­si­ken insb. für EMP und EMU aus in die­sem Fall ggf. un­be­rech­tig­ten Steu­er­aus­wei­sen i. S. des § 14c UStG bzw. Art. 203 MwSt­Sys­tRL er­ge­ben.

Wenn­gleich der Mehr­wert­steu­er­aus­schuss der Eu­ropäischen Union so­wie der Bun­des­ver­band der En­er­gie- und Was­ser­wirt­schaft in die­sen Fällen von Strom­lie­fe­run­gen in einem Rei­hen­ge­schäft „CPO - EMP - EMU“ aus­ge­hen, exis­tiert hierzu bis­her noch keine rechts­ver­bind­li­che Aus­sage. Vor dem Hin­ter­grund der po­li­ti­schen Förde­rung der E-Mo­bi­lität in­folge des Eu­ropäischen Green Deals so­wie der ra­sant an­stei­gen­den An­zahl von um­satz­steu­er­lich re­le­van­ten La­de­vorgängen wäre es wünschens­wert, wenn die von der deut­schen Bun­des­re­gie­rung be­reits im letz­ten Jahr avi­sierte „klärende Stel­lung­nahme mit Überg­angs­re­ge­lun­gen“ durch das BMF veröff­ent­licht würde. Der wach­sende Markt des E-Char­gings mit sei­nen Ak­teu­ren, wie z. B. Stadt­wer­ken, Au­to­mo­bil- und Mo­tor­rad­her­stel­lern, Ho­tels, Re­tailern und SaaS-Dienst­leis­tern, drängt nach um­satz­steu­er­li­cher Rechts­si­cher­heit. Für die Bran­che könnte das zur­zeit beim EuGH anhängige schwe­di­sche Vor­ab­ent­schei­dungs­er­su­chen „Di­gi­tal Char­ging So­lu­ti­ons GmbH“ (Rs. C-60/23) mehr Klar­heit brin­gen. Am 25.04.2024 wur­den zu die­sem Ver­fah­ren nun die Schlus­santräge der Ge­ne­ral­anwältin Ta­mara Ćapeta veröff­ent­licht.

Schwedisches EuGH-Verfahren - worum geht es?

Die in Deutsch­land ansässige Di­gi­tal Char­ging So­lu­ti­ons GmbH (DCS) gewährt Nut­zern von Elek­tro­fahr­zeu­gen (EMU) in Schwe­den Zu­gang zu einem Netz­werk von La­de­punk­ten. Um den La­de­vor­gang aus­zulösen, ver­wen­den die EMU ein von der DCS aus­ge­ge­be­nes Iden­ti­fi­ka­ti­ons­me­dium (Karte oder App). Die be­trof­fe­nen CPO stel­len die getätig­ten La­de­vorgänge der DCS mo­nat­lich in Rech­nung. Die DCS be­rech­net diese La­de­vorgänge in ih­rer Ei­gen­schaft als EMP wie­der­rum in ei­ge­nem Na­men an ihre EMU zu einem va­ria­blen Preis. Da­ne­ben stellt die DCS ih­ren EMU eine la­de­un­abhängige fixe Gebühr für den Netz­werk­zu­gang inkl. Ne­ben­leis­tun­gen mo­nat­lich in Rech­nung.

Das ober­ste schwe­di­sche Ver­wal­tungs­ge­richt hat dem EuGH die Fra­gen vor­ge­legt, ob es sich bei La­de­vorgängen in der Leis­tungs­kette um Strom­lie­fe­run­gen (er­ste Vor­la­ge­frage) han­delt und ob dies für je­den Ab­schnitt der Kette (zweite Vor­la­ge­frage) gilt.

Generalanwältin favorisiert (fiktive) Leistungskette im Rahmen einer Einkaufskommission

In ih­ren Schlus­santrägen führt die Ge­ne­ral­anwältin zur ers­ten Vor­la­ge­frage aus, dass die Rechts­lage geklärt und die La­de­vorgänge ent­spre­chend als ein­heit­li­che Strom­lie­fe­rungen zu be­han­deln seien. Da­ge­gen sei die ge­trennt von der DCS ver­rech­nete Dienst­leis­tung für den Netz­werk­zu­gang eine selbständige, um­satz­steu­er­lich ge­trennt zu be­ur­tei­lende Dienst­leis­tung.

Diese Aus­sage er­staunt, da so ein ver­meint­lich neuer Streit­punkt um den Um­fang und die Be­stand­teile der ein­heit­li­chen Strom­lie­fe­rung auf­ge­macht wer­den könnte. Eine um­satz­steu­er­lich prak­ti­ka­ble und rechts­si­chere Ab­rech­nung ent­spre­chen­der E-Char­ging-Vorgänge würde da­durch nicht gefördert.

Hin­sicht­lich der um­satz­steu­er­li­chen Be­hand­lung der Leis­tun­gen in der Kette (zweite Vor­la­ge­frage) wer­den in den Schlus­santrägen drei denk­bare Lösungs­ansätze un­ter­sucht:

  1. Ana­loge An­wen­dung der Recht­spre­chung zu Tank­kar­ten­umsätzen

Die um­satz­steu­er­li­chen Grundsätze der EuGH-Recht­spre­chung zu Tank­kar­ten sei für den Be­reich des E-Char­gings „un­pas­send“. Mit­hin sei bei La­de­vorgängen in ver­trag­li­chen Trans­ak­ti­ons­ket­ten keine Kre­dit­gewährung vom EMP/Kar­ten­emit­ten­ten an den EMU an­zu­neh­men. Darüber hin­aus sei es un­strei­tig, dass Kar­ten oder Apps zum Auf­la­den von Elek­tro­fahr­zeu­gen keine Zah­lungs­in­stru­mente dar­stel­len.

  1. An­wen­dung der Grundsätze zu Rei­hen­ge­schäften

Un­ge­ach­tet der ver­trag­li­chen Re­ge­lung ei­ner Leis­tungs­kette werde dem zwi­schen­ge­schal­te­ten EMP an der ge­lie­fer­ten Elek­tri­zität fak­ti­sch keine um­satz­steu­er­li­che Verfügungs­macht ver­schafft. Aus­schließlich die Hand­lun­gen des EMU setz­ten die Trans­ak­tion in Gang, der EMP trage al­len­falls ein Zah­lungs­aus­fall­ri­siko. Den­noch sei die An­nahme ei­nes um­satz­steu­er­li­chen Rei­hen­ge­schäfts über Strom­lie­fe­run­gen zwi­schen „CPO - EMP - EMU“ möglich. Hierfür könn­ten insb. die Grundsätze ei­nes Rei­hen­ge­schäfts über be­weg­li­che Lie­fer­ge­genstände spre­chen, bei dem die Verfügungs­macht an den Lie­fer­ge­genständen re­gelmäßig fik­tiv in ei­ner Kette über­tra­gen werde.

  1. Ein­kaufs­kom­mis­sion

„Am bes­ten“ bilde in­des das Mo­dell der Ein­kaufs­kom­mis­sion die um­satz­steu­er­li­che Be­hand­lung von La­de­vorgängen in Trans­ak­ti­ons­ket­ten ab. In die­sem Mo­dell kauft der EMP im ei­ge­nen Na­men, aber für Rech­nung des EMU die Elek­tri­zität vom je­wei­li­gen CPO. Die An­nahme ei­ner Ein­kaufs­kom­mis­sion führt um­satz­steu­er­lich wie­der­rum zu Strom­lie­fe­run­gen in ei­ner fik­ti­ven Leis­tungs­kette „CPO - EMP - EMU“. Die zi­vil­recht­li­che Be­sor­gungs­leis­tung des Kom­mis­sionärs ist um­satz­steu­er­lich ir­re­le­vant. Die An­nahme ei­ner Ein­kaufs­kom­mis­sion setzt vor­aus, dass

(1) ein Auf­trag des EMU an den EMP, als Kom­mis­sionär für Rech­nung des EMU tätig zu wer­den, vor­liegt und

(2) die Lie­fer­ge­genstände für die bei­den Umsätze in der fik­ti­ven Leis­tungs­kette gleich­ar­tig sind.

Der Auf­trag an den EMP müsse da­bei nicht ex­pli­zit ge­ge­ben sein, viel­mehr könne das Vor­zei­gen der Karte oder App beim La­de­punkt als ein dem Kom­mis­sionär im­pli­zit er­teil­ter Auf­trag ver­stan­den wer­den. Die Gleich­ar­tig­keit der Leis­tun­gen müsse für den kon­kre­ten Ein­zel­fall geprüft wer­den, insb. wenn die Strom­lie­fe­rung vom CPO an den EMP durch den EMP aus­gangs­sei­tig um zusätz­li­che Ele­mente an­ge­rei­chert werde.

Zu­sam­men­ge­fasst kommt die Ge­ne­ral­anwältin zu dem Er­geb­nis, dass die um­satz­steu­er­li­che Fik­tion der Ein­kaufs­kom­mis­sion der wirt­schaft­li­chen Rea­lität beim E-Char­ging in Trans­ak­ti­ons­ket­ten am nächs­ten komme. Fehle es da­ge­gen an den bei­den Vor­aus­set­zun­gen für eine Ein­kaufs­kom­mis­sion, sei bei einem „buy and sell“-Mo­dell glei­chermaßen um­satz­steu­er­lich ein Rei­hen­ge­schäft über (fik­tive) Strom­lie­fe­run­gen zwi­schen „CPO - EMP - EMU“ an­zu­neh­men. Bei die­sem sei der EMP als Wie­der­verkäufer von Elek­tri­zität i.S.v. Art. 38 Abs. 2 MwSt­Sys­tRL an­zu­se­hen. Leis­tungs­ort für die Strom­lie­fe­rung vom CPO an den EMP sei der Ort der wirt­schaft­li­chen Tätig­keit des EMP (Art. 38 Abs. 2 MwSt­Sys­tRL), für die Strom­lie­fe­rung vom EMP an den EMU der Ort des La­de­punkts (Art. 39 MwSt­Sys­tRL).

Ob­wohl die Ge­ne­ral­anwältin ihre Ausführun­gen zur Wie­der­verkäufer­ei­gen­schaft von Elek­tri­zität und zur Orts­be­stim­mung nur zum „buy and sell“-Mo­dell macht, soll­ten diese Ausführun­gen u. E. zu­min­dest in Deutsch­land ent­spre­chend für ein fik­ti­ves Rei­hen­ge­schäft in­folge ei­ner Ein­kaufs­kom­mis­sion gel­ten.

Was bedeuten die Schlussanträge für die Praxis?

Er­fah­rungs­gemäß wer­den Strom­lie­fe­run­gen in Trans­ak­ti­ons­ket­ten in der Pra­xis zu­min­dest in Deutsch­land mehr­heit­lich als auf­ein­an­der­fol­gende Strom­lie­fe­run­gen in einem um­satz­steu­er­li­chen Rei­hen­ge­schäft zwi­schen „CPO - EMP - EMU“ be­han­delt. Er­freu­lich ist, dass die Ge­ne­ral­anwältin diese Auf­fas­sung bestätigt. Ent­we­der ist ein fik­ti­ves Rei­hen­ge­schäft in­folge ei­ner Ein­kaufs­kom­mis­sion oder eben ein klas­si­sches Rei­hen­ge­schäft mit ei­ner fik­ti­ven Ver­schaf­fung der Verfügungs­macht an der Elek­tri­zität durch die Kette an­zu­neh­men. Lie­fert z. B. ein in Deutsch­land ansässi­ger EMP den Strom über im Aus­land be­le­gene La­de­punkte an einen EMU, dro­hen dem EMP al­ler­dings um­satz­steu­er­li­che Re­gis­trie­rungs­pflich­ten im ausländi­schen Ver­brauchs­staat.

Das Schreck­ge­spenst der Tank­kar­ten-Recht­spre­chung mit et­wai­gen Kre­dit­gewährun­gen durch den EMP wäre ein­gedämmt, so­fern der EuGH der Auf­fas­sung der Ge­ne­ral­anwältin folgt. Die Aus­sage, dass die La­de­kar­ten und Apps „un­strei­tig“ keine Zah­lungs­in­stru­mente seien, könnte sich ggf. auch auf­sichts­recht­lich güns­tig für die Ak­teure aus­wir­ken.

Span­nend wird auch sein, ob der EuGH dem An­satz der Ge­ne­ral­anwältin folgt und tatsäch­lich Aus­sa­gen über den Um­fang und die Be­stand­teile der ein­heit­li­chen Strom­lie­fe­rung trifft.

Spre­chen Sie uns bei Fra­gen zur um­satz­steu­er­li­chen Be­hand­lung des E-Char­gings gerne an. Selbst­verständ­lich in­for­mie­ren wir Sie fort­lau­fend über den Stand die­ses für die E-Mo­bi­lität sehr wich­ti­gen EuGH-Ver­fah­rens.

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