Worum geht es?
Im Streitfall ging es um die Vornahme von Korrekturen nach § 15a UStG für das Jahr 2015 als Folge einer mehrfachen Grundstücksübertragung. Ein mit einem Hotel bebautes und seit 2011 an den Sohn des Klägers vermietetes Grundstück wurde zunächst im Jahr 2014 vom Vater (Kläger) hälftig zum Miteigentum auf seine Ehefrau übertragen und im Anschluss in 2015 an den Sohn (Mieter) veräußert.
Eine Geschäftsveräußerung im Ganzen lag nicht vor. Das Finanzamt und das Finanzgericht gingen davon aus, dass die Grundstückslieferung zu einer Vorsteuerkorrektur bei dem ursprünglichen Alleineigentümer des Grundstücks führte. Dabei hatte das Finanzgericht aber nicht die Frage näher untersucht, ob die vom Finanzamt angenommene Vorsteuerberichtigung sich gegen den Kläger oder eine aus ihm und seiner Ehefrau gebildeten Bruchteilsgemeinschaft richtete. Insofern war dem BFH eine Überprüfung der Entscheidung nicht möglich und das angefochtene Urteil wurde aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung an das Finanzgericht zurückverwiesen.
Kernaussagen des BFH und Bedeutung in der Praxis
Auch wenn der BFH mit seinem Beschluss vom 28.08.2023 (Az. V B 44/22) in der Sache nicht entschieden hat, enthält der Beschluss doch einige Randnotizen, die von Interesse sein können:
Bestätigung der bisherigen Rechtsprechung
Der BFH hält grundsätzlich an seiner bisherigen Rechtsprechung (bspw. Urteile vom 22.11.2018, Az. V R 65/17, BFH/NV 2019, S. 359 und vom 07.05.2020, Az. V R 1/18, BFH/NV 2020, S. 1211) fest, dass eine Bruchteilsgemeinschaft kein Unternehmer sein kann und stattdessen von einer anteiligen Leistungserbringung durch die Miteigentümer auszugehen ist.
Hinweis: Die Finanzverwaltung hat diese Rechtsprechung bisher im Umsatzsteueranwendungserlass (UStAE) nicht umgesetzt. Dafür wurde der Gesetzgeber aktiv und hat mit Geltung zum 01.01.2023 § 2 Abs. 1 Satz 1 UStG um einen Halbsatz ergänzt, wonach ein Unternehmer „unabhängig davon, ob er nach anderen Vorschriften rechtsfähig ist“ umsatzsteuerlich vorliegen kann.
Zweifel an der Tauglichkeit der gesetzlichen Neuregelung?
Die Gesetzesänderung ist erst zum 01.01.2023 in Kraft getreten, so dass für den Streitfall nicht zu entscheiden war, ob aus dieser Neuregelung folgt, dass eine Bruchteilsgemeinschaft als Unternehmer Leistungen erbringt.
Denn eine Bruchteilsgemeinschaft sei nicht in der Lage (u.a.) eine wirtschaftliche Tätigkeit im eigenen Namen und für eigene Rechnung auszuüben. Abweichendes folge auch nicht - im Hinblick auf den Grundsatz der richtlinienkonformen Auslegung des Umsatzsteuergesetzes entsprechend den Vorgaben des EuGH - aus der Ergänzung des § 2 Abs. 1 Satz 1 UStG um den Zusatz „unabhängig davon, ob er nach anderen Vorschriften rechtsfähig ist".
Hinweis: Folgt man diesen Ausführungen des BFH, scheint dieser trotz Gesetzesänderung weiterhin Zweifel an der Tauglichkeit einer Bruchteilsgemeinschaft als eigenständigem Unternehmer zu haben.
Ggf. Vertrauensschutz aufgrund Nichtanwendung der BFH-Rechtsprechung durch die Finanzverwaltung
Nach der älteren, zwischenzeitlich vom BFH aufgegebenen Rechtsprechung konnte eine Bruchteilsgemeinschaft als Unternehmer angesehen werden.
Unter Anwendung dieser (alten) Rechtsprechung wäre die § 15a UStG-Berichtigung nicht auf Ebene des Klägers, sondern auf Ebene der Bruchteilsgemeinschaft vorzunehmen gewesen.
Im Hinblick auf die geänderte Rechtsprechung des BFH weist dieser - lediglich vorsorglich - darauf hin, dass der Vertrauensschutztatbestand des § 176 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO in Verbindung mit Satz 2 greifen könnte, wonach der Vertrauensschutztatbestand der Nr. 3 auch dann gilt, wenn anzunehmen ist, dass die Finanzbehörde bei Kenntnis der Umstände die bisherige Rechtsprechung angewandt hätte. So sei das Urteil vom 22.11.2018 (Az, V R 65/17, BFHE 263, S. 9) am 06.02.2019 zwar vor Erlass des ursprünglich angefochtenen Steuerbescheids auf der Internetseite des BFH veröffentlicht worden; gleichzeitig wurden dieses Urteil und das Urteil vom 07.05.2020 (Az. V R 1/18, BFHE 270, S. 146) jedoch nicht amtlich veröffentlicht. Hieraus sei abzuleiten, dass das Finanzamt in Kenntnis der auf die Bruchteilsgemeinschaft bezogenen Fragestellung im Sinne von § 176 Abs. 1 Satz 2 AO im Sinne der früheren, jetzt aufgegebenen BFH-Rechtsprechung entschieden hätte.
Hinweis: Damit greift der BFH zum zweiten Mal das Thema Vertrauensschutz innerhalb kurzer Zeit in einem umsatzsteuerlichen Urteil auf. Mit Urteil vom 06.07.2023 (Az. V R 5/21) hat der BFH bspw. entschieden, dass Steuerpflichtige bereits auf die vorläufige Bestandskraft der Umsatzsteuervoranmeldungen vertrauen können und es nicht auf die (vorläufige) Bestandskraft der Umsatzsteuerjahreserklärung ankommt (siehe hierzu RSM Ebner Stolz Umsatzsteuer Impuls vom 05.10.2023).
Was bedeutet das für die Praxis?
- Sicherheit besteht im Hinblick auf die nunmehr gefestigte Rechtsprechung des BFH zur Nichtanerkennung der Unternehmereigenschaft einer Bruchteilsgemeinschaft.
- Erneute Unsicherheit kommt jedoch dahingehend auf, ob der BFH auch bei zukünftigen Entscheidungen zur neuen Rechtslage (ab 2023) an dieser Auffassung festhalten wird. Steuerpflichtige sollten gleichwohl, bis zu einer anderslautenden Entscheidung des BFH, auf die aktuelle Gesetzeslage vertrauen können und fortan von der Akzeptanz der Unternehmereigenschaft der Bruchteilsgemeinschaft ausgehen können.
- Positiv ist, dass der BFH die Vertrauensschutzposition der Steuerpflichtigen stärkt, indem er vorliegend Wege aufzeigt, die auch nach Veröffentlichung einer BFH-Entscheidung auf der Internetseite des BFH bei deren Nichtanwendung/Nichtveröffentlichung durch die Finanzbehörde zu einem verlängerten Vertrauensschutztatbestand nach § 176 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO führen können.
Hinweis: Unstreitig als Unternehmer anerkannt werden Gesellschaften bürgerlichen Rechts, so dass sich insoweit die Fragestellung der Unternehmereigenschaft nicht stellt. Zu beachten ist, dass aufgrund einer Änderung des Gesellschaftsrechts diese, soweit sie Immobilien halten, ab 01.01.2024 im Gesellschaftsregister eintragungspflichtig werden können (siehe Beitrag aus novus Juli 2023, S. 23).