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Steuerberatung

Umsatzsteuer: Verdeckte Preisnachlässen in Streckengeschäften

BFH 25.4.2018, XI R 21/16

Der Wert ei­nes Um­sat­zes, der beim Tausch als Ent­gelt für den an­de­ren Um­satz gilt, ist der Wert, den der Empfänger der Leis­tung bei­misst, die er be­zie­hen will, und ent­spricht dem Be­trag, den er zu die­sem Zweck auf­zu­wen­den be­reit ist. Er um­fasst alle Aus­ga­ben ein­schließlich der Ne­ben­leis­tun­gen, die der Empfänger der je­wei­li­gen Leis­tung auf­wen­det, um die frag­li­che Leis­tung zu er­hal­ten.

Der Sach­ver­halt:
Die kla­gende OHG, ist Or­ganträge­rin zweier GmbHs, die im Han­del mit Kfz tätig sind. Die O-GmbH führte im Rah­men ih­res Han­dels­ge­wer­bes auch sog. "Stre­cken­ge­schäfte" durch: Sie veräußerte je­weils ein neues Kfz (Neu­fahr­zeug) und nahm dafür - ne­ben ei­ner Geld­leis­tung (sog. Bar­auf­gabe) - u.a. ein ge­brauch­tes Kfz (Alt­fahr­zeug) des Käufers in Zah­lung. Das Alt­fahr­zeug veräußerte sie später je­weils wei­ter und nahm dafür z.T. er­neut ein ge­brauch­tes Kfz in Zah­lung (Fol­ge­ge­schäft).

Die Kläge­rin ver­steu­erte diese Umsätze zunächst voll­umfäng­lich gemäß den Re­ge­lun­gen der Fi­nanz­ver­wal­tung in Ab­schn. 10.5 Abs. 4 des Um­satz­steuer-An­wen­dungs­er­las­ses (UStAE). Am 30.4.2013 schrieb die O-GmbH neun Kun­den, die im Juni 2010 Neu­fahr­zeuge er­wor­ben hat­ten, an und teilte ih­nen mit, dass die in Zah­lung ge­nom­me­nen Alt­fahr­zeuge bei der Wei­ter­veräußerung den in der Rech­nung über die Lie­fe­rung des Neu­fahr­zeugs aus­ge­wie­se­nen Preis für die In­zah­lung­nahme nicht er­reicht hätten. Es habe sich eine Ent­gelt­min­de­rung mit einem we­ni­ger an Um­satz­steuer in näher be­zif­fer­ter Höhe er­ge­ben. Sie als Steu­er­pflich­tige komme da­mit ih­rer Ver­pflich­tung nach § 14c Abs. 1 S. 2 UStG nach. Auf die Zah­lungs­ver­ein­ba­rung habe der Vor­gang kei­nen Ein­fluss.

In ih­rer Um­satz­steuer-Jah­res­erklärung für das Streit­jahr 2013 min­derte die Steu­er­pflich­tige - ent­ge­gen Ab­schn. 10.5 Abs. 4 S. 8 UStAE - die Be­mes­sungs­grund­lage der Lie­fe­run­gen der Neu­fahr­zeuge auch um alle Ver­luste der Fol­ge­ge­schäfte. Das Fi­nanz­amt ver­trat da­ge­gen die Auf­fas­sung, dass die Be­mes­sungs­grund­lage der Lie­fe­rung des Neu­fahr­zeugs sich nur um den ge­mei­nen Wert des bei der Lie­fe­rung in Zah­lung ge­nom­me­nen Alt­fahr­zeugs min­dere. Er könne nicht um den Ver­lust aus Ge­braucht­wa­gen­verkäufen der Fol­ge­ge­schäfte ge­min­dert wer­den.

Das FG stellte im kla­ge­ab­wei­sen­den Ur­teil her­aus, dass nicht auf den ge­mei­nen Wert des in Zah­lung ge­nom­me­nen Ge­braucht­fahr­zeugs ab­zu­stel­len sei, son­dern auf den sub­jek­ti­ven Wert, den die Steu­er­pflich­tige den emp­fan­ge­nen Ge­gen­leis­tun­gen (Alt­fahr­zeu­gen) bei­ge­mes­sen habe. Die­ser sei zu schätzen. Der in Ab­schn. 10.5 Abs. 4 S. 2 u. 3 UStAE nie­der­ge­leg­ten Auf­fas­sung der Fi­nanz­ver­wal­tung folgte das FG nicht. Die hier­ge­gen ge­rich­tete Re­vi­sion des Fi­nanz­am­tes blieb vor dem BFH er­folg­los.

Gründe:
Das FG hat zu­tref­fend an­ge­nom­men, dass für die Be­stim­mung des Werts des Alt­fahr­zeugs ein sub­jek­ti­ver Wert an­zu­set­zen und die Ver­wen­dung ei­nes fremdübli­chen Markt­prei­ses un­zulässig ist.

Da die Ge­gen­leis­tung je­weils (teil­weise) in ei­ner Lie­fe­rung be­stand, la­gen die Vor­aus­set­zun­gen für einen Tausch i.S.d. § 3 Abs. 12 S. 1 UStG vor; die Vor­schrift er­fasst auch den Fall, dass als Ent­gelt für eine Leis­tung eine Bar­zah­lung mit ei­ner Lie­fe­rung ver­bun­den wird. Die Be­steue­rung von Tau­sch­umsätzen verstößt auch nicht ge­gen Uni­ons­recht; denn bei Tausch­verträgen, bei de­nen die Ge­gen­leis­tung per de­fi­ni­tio­nem in ei­ner Sach­leis­tung be­steht, und Umsätzen, bei de­nen die Ge­gen­leis­tung in Geld er­bracht wird, han­delt es sich un­ter wirt­schaft­li­chen und ge­schäft­li­chen Ge­sichts­punk­ten um zwei gleich­ar­tige Si­tua­tio­nen.

Die Be­mes­sungs­grund­lage des Um­sat­zes ist auch nicht an­hand ob­jek­ti­ver Werte (ge­mei­ner Wert o.Ä.), son­dern an­hand sub­jek­ti­ver Werte zu be­stim­men. Der Um­satz wird u.a. bei Lie­fe­run­gen nach dem Ent­gelt be­mes­sen (§ 10 Abs. 1 S. 1 UStG). Beim Tausch (§ 3 Abs. 12 S. 1 UStG), bei tauschähn­li­chen Umsätzen (§ 3 Abs. 12 S. 2 UStG) und bei Hin­gabe an Zah­lungs statt gilt der Wert je­des Um­sat­zes als Ent­gelt für den an­de­ren Um­satz (§ 10 Abs. 2 S. 2 UStG). Nach der neue­ren BFH-Recht­spre­chung wird der Wert des an­de­ren Um­sat­zes in richt­li­ni­en­kon­for­mer Aus­le­gung des § 10 Abs. 2 S. 2 UStG durch den sub­jek­ti­ven Wert für die tatsäch­lich er­hal­tene und in Geld ausdrück­bare Ge­gen­leis­tung be­stimmt; so­weit die­ser nicht er­mit­telt wer­den kann, ist er nach § 162 AO zu schätzen. Dies gilt auch für den Tausch mit Bar­auf­gabe, auf den § 3 Abs. 12 UStG eben­falls an­wend­bar ist.

So­weit die Fi­nanz­ver­wal­tung in Ab­schn. 10.5 Abs. 4 UStAE eine Ver­ein­fa­chungs­re­ge­lung vor­sieht, konnte die Kläge­rin diese nur ganz oder gar nicht in An­spruch neh­men. Aus Ver­ein­fa­chungsgründen kann zwar die an­zu­set­zende Be­mes­sungs­grund­lage - nach Wahl des Un­ter­neh­mers - auf­grund ent­spre­chen­der Ver­wal­tungs­vor­schrif­ten u.a. bei Umsätzen i.S.d. § 3 Abs. 12 UStG ge­schätzt wer­den. Ab­schn. 10.5 Abs. 4 UStAE ist zwar an sich un­ge­eig­net für die Er­mitt­lung der um­satz­steu­er­recht­lich an­zu­set­zen­den Be­mes­sungs­grund­lage, gleich­wohl wird es vom BFH im In­ter­esse ei­ner er­leich­ter­ten Er­mitt­lung der Be­mes­sungs­grund­lage nicht be­an­stan­det, wenn ein Un­ter­neh­mer nach sei­ner Wahl von ei­ner Ver­ein­fa­chungs­re­ge­lung der Fi­nanz­ver­wal­tung Ge­brauch macht. Al­ler­dings ist in sol­chen Fällen die Ver­ein­fa­chungs­re­ge­lung der Fi­nanz­ver­wal­tung eine ein­heit­li­che Schätzung, die von einem Un­ter­neh­mer nur ins­ge­samt oder gar nicht in An­spruch ge­nom­men wer­den kann.

Link­hin­weis:

  • Der Voll­text der Ent­schei­dung ist auf der Home­page des BFH veröff­ent­licht.
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