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Steuerberatung

Umsatzsteuerpflicht bei Fahrschulen zweifelhaft

BFH 16.3.2017, V R 38/16

Der BFH zwei­felt an der Um­satz­steu­er­pflicht für die Er­tei­lung von Fahr­un­ter­richt zum Er­werb der Fahr­er­laub­nis­klas­sen B ("Pkw-Führer­schein") und C1. In­fol­ge­des­sen hat er dem EuGH die Frage zur Vor­ab­ent­schei­dung vor­ge­legt, ob Fahr­schu­len in­so­weit steu­er­freie Leis­tun­gen er­brin­gen.

Der Sach­ver­halt:
Die Kläge­rin be­treibt als GmbH eine Fahr­schule. In den von ihr aus­ge­stell­ten Rech­nun­gen wies sie keine Um­satz­steuer ge­son­dert aus. Für das Streit­jahr 2010 hatte sie zunächst steu­er­pflich­tige Umsätze erklärt. Das Fi­nanz­amt folgte der Um­satz­steu­er­erklärung der Kläge­rin. Ende De­zem­ber 2014 be­an­tragte die Kläge­rin dann, die Um­satz­steuer auf 0 € her­ab­zu­set­zen, was die Fi­nanz­behörde ab­lehnte.

Fortan strit­ten die Be­tei­lig­ten darüber, ob die von der Kläge­rin aus­geführ­ten Fahr­schul­leis­tun­gen, die ihre Kun­den zum Er­werb der Fahr­er­laub­nis­klas­sen B (Fahr­zeuge mit zulässi­ger Ge­samt­masse von nicht mehr als 3.500 kg und ge­baut und aus­ge­legt zur Beförde­rung von nicht mehr als acht Per­so­nen außer dem Fahr­zeugführer) und C1 (Fahr­zeuge mit ei­ner zulässi­gen Ge­samt­masse von mehr als 3.500 kg aber nicht mehr als 7.500 kg und ge­baut und aus­ge­legt zur Beförde­rung von nicht mehr als acht Per­so­nen außer dem Fahr­zeugführer) in An­spruch ge­nom­men ha­ben, nach Art. 132 Abs. 1i u. j MwSt­Sys­tRL von der Um­satz­steuer be­freit sind.

Das FG wies die Klage ab. Es war der An­sicht, dass eine Steu­er­be­frei­ung nach § 4 Nr. 21a, bb UStG nicht in Be­tracht komme, weil bei den hier strei­ti­gen Leis­tun­gen im Zu­sam­men­hang mit den Fahr­er­laub­nis­klas­sen B und C1 die Fahr­er­laub­nis nicht als An­er­ken­nungs­nach­weis als be­rufs­bil­dende Ein­rich­tung in Be­tracht komme. Auf die Re­vi­sion der Kläge­rin hat der BFH das Ver­fah­ren aus­ge­setzt und dem EuGH die Frage zur Ent­schei­dung vor­ge­legt, ob Fahr­schu­len in­so­weit steu­er­freie Leis­tun­gen er­brin­gen.

Gründe:
Nach na­tio­na­lem Recht sind Un­ter­richts­leis­tun­gen zur Er­lan­gung die­ser Fahr­er­laub­nisse steu­er­pflich­tig. Fahr­schu­len sind in­so­weit keine all­ge­mein­bil­den­den oder be­rufs­bil­den­den Ein­rich­tun­gen, wie es von § 4 Nr. 21a, bb UStG vor­aus­ge­setzt wird. Im vor­lie­gen­den Fall fehlte es zu­dem an der dort ge­nann­ten be­rufs- oder prüfungs­vor­be­rei­ten­den Be­schei­ni­gung.

Mit dem Vor­ab­ent­schei­dungs­er­su­chen soll nun geklärt wer­den, ob der Fahr­schul­un­ter­richt zum Er­werb der Fahr­er­laub­nis­klas­sen B und C1 aus Gründen des Uni­ons­rechts steu­er­frei ist. Im Be­reich der Um­satz­steuer hat der na­tio­nale Ge­setz­ge­ber die Bin­dun­gen an MwSt­Sys­tRL zu be­ach­ten. Setzt das na­tio­nale Recht eine Steu­er­frei­heit der Richt­li­nie nur un­genügend um, be­steht für den Steu­er­pflich­ti­gen die Möglich­keit, sich auf die Richt­li­nie zu be­ru­fen. Ent­schei­dend ist für den Streit­fall da­her, dass nach der Richt­li­nie Un­ter­richt, den sog. an­er­kannte Ein­rich­tun­gen oder Pri­vat­leh­rer er­tei­len, von der Steuer zu be­freien ist (Art. 132 Abs. 1i u. j MwSt­Sys­tRL). Weit­ge­hend iden­ti­sche Vorgänger­be­stim­mun­gen gel­ten be­reits seit 1979 mit ver­bind­li­cher Wir­kung.

Der Se­nat neigt zu der An­sicht, den Un­ter­richts­cha­rak­ter der Fahr­schul­leis­tung zu be­ja­hen. Die zusätz­lich er­for­der­li­che An­er­ken­nung kann sich etwa dar­aus er­ge­ben, dass der Un­ter­rich­tende die Fahr­leh­rerprüfung nach § 4 des Ge­set­zes über das Fahr­leh­rer­we­sen ab­ge­legt ha­ben muss. In Be­tracht kommt auch eine Steu­er­frei­heit als Pri­vat­leh­rer. Die Aus­le­gung der Richt­li­nie ist aber zwei­fel­haft, so dass eine Ent­schei­dung des EuGH ein­ge­holt wer­den muss.

Der Vor­la­ge­be­schluss ist in einem sog. Re­vi­si­ons­ver­fah­ren er­gan­gen, in dem es um die Rechtmäßig­keit von Steu­er­be­schei­den geht. Nicht zu ent­schei­den war über eine Aus­set­zung der Voll­zie­hung (AdV) im Wege des einst­wei­li­gen Rechts­schut­zes. Eine AdV ist be­reits bei ernst­li­chen Zwei­feln an der Rechtmäßig­keit von Steu­er­be­schei­den möglich. Kommt es in einem Re­vi­si­ons­ver­fah­ren zu ei­ner Vor­lage an den EuGH, ist dies im All­ge­mei­nen zu be­ja­hen.

Die nun­mehr vom EuGH zu tref­fende Ent­schei­dung ist von er­heb­li­cher Be­deu­tung für die Um­satz­be­steue­rung der über 10.000 Fahr­schu­len in Deutsch­land. Sollte der EuGH eine Steu­er­frei­heit be­ja­hen, wird sich die An­schluss­frage stel­len, ob Fahr­schu­len den sich hier­aus er­ge­ben­den Vor­teil zi­vil­recht­lich an ihre Kun­den durch eine geänderte Preis­bil­dung wei­ter­ge­ben wer­den.

Link­hin­weis:

  • Der Voll­text der Ent­schei­dung ist auf der Home­page des BFH veröff­ent­licht.
  • Um di­rekt zum Voll­text zu kom­men, kli­cken Sie bitte hier.
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