Der Sachverhalt:
Die klagender GmbH übte im Streitzeitraum eine unternehmerische Tätigkeit i.S.v. § 2 UStG aus. Ihre alleinvertretungsberechtigten Geschäftsführer waren A, B und C. Die Klägerin war unmittelbar oder über die Tochtergesellschaft D-GmbH Alleingesellschafter der E-, F-, G-, H-, I- und J-GmbH. Mit Ausnahme der J-GmbH war A bei allen Gesellschaften alleinvertretungsberechtigter Geschäftsführer. Geschäftsführer der J-GmbH waren N, der bei der Klägerin zugleich in leitender Funktion tätig war, und C. Für den Zeitraum bis Mai 2012 gingen die Klägerin und das Finanzamt übereinstimmend davon aus, dass alle sechs Tochtergesellschaften Organgesellschaften der Klägerin gem. § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG waren.
Die für die Klägerin sowie deren Tochtergesellschaften gesondert abgegebenen Umsatzsteuer-Voranmeldungen für Mai 2012 fasste das Finanzamt in der Annahme, die Organschaft bestehe fort, zusammen und erließ im Juli 2012 einen Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheid Mai 2012 gegenüber der Klägerin. Die Vorauszahlungen der Tochtergesellschaften wurden durch die Bescheide auf 0 € festgesetzt. Die I-GmbH wurde bei der Festsetzung von Juli 2012 noch nicht berücksichtigt, sondern erst bei Erlass des Änderungsbescheids von Oktober 2012.
Das FG wies die hiergegen gerichtete Klage ab. Auf die Revision der Klägerin hob der BFH das Urteil auf und gab der Klage statt.
Die Gründe:
Entgegen der Ansicht des FG hat die Organschaft im Streitfall mit der Eröffnung der Insolvenzverfahren über die Vermögensmassen des Organträgers und der Organgesellschaften geendet. Dem steht die Anordnung der Eigenverwaltung in diesen Verfahren nicht entgegen.
Mit der Insolvenzeröffnung über das Vermögen des Organträgers endet die Organschaft. Umsatzsteuerrechtlich begründet die Organschaft i.S.v. § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG die Zusammenfassung der Unternehmen mehrerer Personen zu einem Unternehmen. Anders als das Umsatzsteuerrecht mit der Organschaft fasst das Insolvenzrecht die Verfahren mehrerer Personen nicht zusammen. Das Insolvenzrecht enthält keine Regelungen, die im Fall einer Konzerninsolvenz ein einheitliches Insolvenzverfahren für mehrere Konzerngesellschaften ermöglichen. Sowohl hinsichtlich der Feststellung des Insolvenzgrundes als auch in Bezug auf die Abwicklung des Insolvenzverfahrens bleiben verbundene Unternehmen daher insolvenzrechtlich selbständig. Danach entfällt die Organschaft mit der Insolvenzeröffnung beim Organträger.
Unabhängig von den Verhältnissen beim Organträger endet die Organschaft jedenfalls mit der Insolvenzeröffnung bei der Organgesellschaft, da zu diesem Zeitpunkt die finanzielle Eingliederung entfällt. Diese stellt sicher, dass eine Person nur dann Organträger einer juristischen Person sein kann, wenn sie die gesellschaftsrechtlichen Beteiligungsrechte gegenüber den Geschäftsführungs- oder Aufsichtsorganen der juristischen Person ausüben kann. Sie ist somit die Grundlage dafür, dass für den Organträger aufgrund der Gesamtheit der Eingliederungsvoraussetzungen eine Durchgriffsmöglichkeit auf die Organgesellschaft besteht, die es dem Organträger ermöglicht, die ihm nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG zugeordnete Verantwortung für die Besteuerung der Umsatztätigkeit des gesamten Organkreises zu übernehmen.
Die Eingliederung entfällt auch, wenn das Insolvenzgericht Eigenverwaltung nach §§ 270 ff. InsO anordnet, da dann die finanzielle Eingliederung endet. Zwar ist der Schuldner und damit die Organgesellschaft gem. § 270 Abs. 1 S. 1 InsO berechtigt, unter der Aufsicht eines Sachwalters die Insolvenzmasse zu verwalten und über sie zu verfügen. Die für die Organschaft erforderliche Eingliederung mit Durchgriffsmöglichkeit entfällt aber gleichwohl. Denn ist der Schuldner - wie die Tochtergesellschaften der Klägerin - eine juristische Person, so haben der Aufsichtsrat, die Gesellschafterversammlung oder entsprechende Organe gem. § 276a S. 1 InsO keinen Einfluss auf die Geschäftsführung des Schuldners mehr. Die Überwachungsorgane haben bei der Eigenverwaltung keine weiter gehenden Einflussmöglichkeiten auf die Geschäftsführung als im Falle der Fremdverwaltung durch den Insolvenzverwalter.
Danach ist im Streitfall auch die finanzielle Eingliederung wegen § 276a InsO entfallen. Zwar war es der Klägerin auch unter Beachtung von § 276a InsO möglich, Mehrheitsbeschlüsse zu fassen. Kommt diesen aber wegen § 276a InsO keine Bedeutung mehr zu, besteht keine finanzielle Eingliederung mehr. Es wäre sinnlos, für die "finanzielle Eingliederung allein auf die rechtliche Möglichkeit zur Fassung von Mehrheitsbeschlüssen" abzustellen, da die finanzielle Eingliederung kein Selbstzweck ist.
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