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Umsatzsteuerverbindlichkeiten bei vorläufiger Eigenverwaltung

FG Münster v. 13.8.2020 - 5 K 96/17 U

Die Re­ge­lung des § 270b Abs. 3 InsO eröff­net dem Schuld­ner die Möglich­keit, zwi­schen dem An­trag auf Er­lass ei­ner pau­scha­len oder glo­ba­len Ermäch­ti­gung ei­ner­seits und dem An­trag auf Er­lass ei­ner Ein­zel- oder Grup­pen­ermäch­ti­gung an­de­rer­seits zu wählen. Bei ei­ner glo­ba­len Ermäch­ti­gung wer­den sämt­li­che vom Schuld­ner begründe­ten so­wie die von § 55 Abs. 2 Satz 2 InsO er­fass­ten Ver­bind­lich­kei­ten im eröff­ne­ten Ver­fah­ren als Mas­se­ver­bind­lich­kei­ten be­han­delt, ohne dass es dar­auf ankäme, ob ihre vor­ran­gige Be­frie­di­gung zur Sa­nie­rung des Un­ter­neh­mens not­wen­dig oder an­ge­zeigt ist.

Der Sach­ver­halt:
Der Kläger ist In­sol­venz­ver­wal­ter der B-GmbH (In­sol­venz­schuld­ne­rin). Am 29.7.2015 wurde ein An­trag auf Eröff­nung des In­sol­venz­ver­fah­rens über das Vermögen der In­sol­venz­schuld­ne­rin ge­stellt. Mit Be­schluss des Amts­ge­richts vom sel­ben Tag wurde der Kläger zum vorläufi­gen Sach­wal­ter be­stellt und zur Vor­be­rei­tung ei­ner Sa­nie­rung nach § 270b InsO die vorläufige Ei­gen­ver­wal­tung an­ge­ord­net (sog. Schutz­schirm­ver­fah­ren). Fer­ner hieß es in dem Be­schluss:

"Die Schuld­ne­rin wird gemäß § 270b Abs. 3 InsO ermäch­tigt, zum Zweck der Fi­nan­zie­rung des lau­fen­den Ge­schäfts­be­triebs we­gen ei­nes Dar­le­hens im Rah­men der In­sol­venz­geld­vor­fi­nan­zie­rung und der in die­sem Zu­sam­men­hang ste­hen­den Rück­zah­lungs­an­sprüche, Zin­sen und Gebühren Mas­se­ver­bind­lich­kei­ten im Rang des § 55 Abs. 2 InsO zu begründen.

Die Schuld­ne­rin wird gem. § 270b Abs. 3 InsO ermäch­tigt, zum Zweck der Auf­recht­er­hal­tung des lau­fen­den Ge­schäfts­be­triebs im Eröff­nungs­ver­fah­ren mit Zu­stim­mung des vorläufi­gen Sach­wal­ters ge­genüber Dienst­leis­tern und Lie­fe­ran­ten Mas­se­ver­bind­lich­kei­ten im Rang des § 55 Abs. 2 InsO zu begründen."

Am 1.10.2015 eröff­nete das Amts­ge­richt das In­sol­venz­ver­fah­ren über das Vermögen der In­sol­venz­schuld­ne­rin, be­stellte den Kläger zum Sach­wal­ter und ord­nete die Ei­gen­ver­wal­tung an. Mit einem wei­te­ren Be­schluss vom 29.12.2015 wurde die An­ord­nung der Ei­gen­ver­wal­tung auf­ge­ho­ben und der Kläger zum In­sol­venz­ver­wal­ter der In­sol­venz­schuld­ne­rin be­stellt.

Nach ei­ner Um­satz­steuer-Son­derprüfung kam die Prüfe­rin zu der Fest­stel­lung, dass die für Juli 2015 erklärten Umsätze auf­zu­tei­len seien. Die bis zum An­trag auf Eröff­nung des In­sol­venz­ver­fah­rens aus­geführ­ten Umsätze und die sich dar­aus er­ge­bende Um­satz­steuer seien dem vor­in­sol­venz­recht­li­chen Un­ter­neh­mens­teil zu­zu­rech­nen. Die nach der An­trag­stel­lung (29.07.2015) aus­geführ­ten Umsätze beträfen den nach­in­sol­venz­recht­li­chen Un­ter­neh­mens­teil und die sich dar­aus er­ge­bende Um­satz­steuer begründe eine Mas­se­ver­bind­lich­keit.

Das FG gab der hier­ge­gen ge­rich­te­ten Klage statt.

Die Gründe:
Das Fi­nanz­amt hat zu Un­recht die während der vorläufi­gen Ei­gen­ver­wal­tung vom 29.7.2015 bis zum 30.09.2015 aus­geführ­ten Umsätze der In­sol­venz­masse zu­ge­rech­net. Es hätte die sich dar­aus er­ge­bende Um­satz­steu­er­ver­bind­lich­keit als In­sol­venz­for­de­rung zur Ta­belle an­mel­den müssen.

Das vorläufige Ei­gen­ver­wal­tungs­ver­fah­ren ist in den §§ 270a und 270b InsO ge­re­gelt. Nach § 270b Abs. 3 InsO hat das Ge­richt im sog. Schutz­schirm­ver­fah­ren auf An­trag an­zu­ord­nen, dass der Schuld­ner Mas­se­ver­bind­lich­kei­ten begründet. § 55 Abs. 2 InsO gilt dann ent­spre­chend. Nach § 55 Abs. 2 InsO gel­ten Ver­bind­lich­kei­ten, die von einem vorläufi­gen In­sol­venz­ver­wal­ter begründet wor­den sind, auf den die Verfügungs­be­fug­nis über das Vermögen des Schuld­ners über­ge­gan­gen ist, nach der Eröff­nung des Ver­fah­rens als Mas­se­ver­bind­lich­kei­ten.

Da­nach gel­ten die in der Zeit vom 29.07.2015 bis zum 30.09.2015 begründe­ten Um­satz­steu­er­ver­bind­lich­kei­ten nicht mit Eröff­nung des In­sol­venz­ver­fah­rens als Mas­se­ver­bind­lich­kei­ten. Denn die An­ord­nung des Amts­ge­richts vom 29.7.2015, mit der die In­sol­venz­schuld­ne­rin auf ih­ren An­trag hin zur Begründung von Mas­se­ver­bind­lich­kei­ten ermäch­tigt wurde, er­fasst nicht die strei­ti­gen Um­satz­steu­er­ver­bind­lich­kei­ten.

Die Re­ge­lung des § 270b Abs. 3 InsO eröff­net dem Schuld­ner die Möglich­keit, zwi­schen dem An­trag auf Er­lass ei­ner pau­scha­len oder glo­ba­len Ermäch­ti­gung ei­ner­seits und dem An­trag auf Er­lass ei­ner Ein­zel- oder Grup­pen­ermäch­ti­gung an­de­rer­seits zu wählen. Die Ein­zel- oder Grup­pen­ermäch­ti­gung dient der Er­leich­te­rung der Sa­nie­rung des schuld­ne­ri­schen Un­ter­neh­mens und schützt da­mit zu­gleich den Schuld­ner. Bei ei­ner glo­ba­len Ermäch­ti­gung wer­den sämt­li­che vom Schuld­ner begründe­ten so­wie die von § 55 Abs. 2 Satz 2 InsO er­fass­ten Ver­bind­lich­kei­ten im eröff­ne­ten Ver­fah­ren als Mas­se­ver­bind­lich­kei­ten be­han­delt, ohne dass es dar­auf ankäme, ob ihre vor­ran­gige Be­frie­di­gung zur Sa­nie­rung des Un­ter­neh­mens not­wen­dig oder an­ge­zeigt ist.

Der Se­nat legt die An­ord­nung des Amts­ge­richts vom 29.7.2015 da­hin­ge­hend aus, dass es sich um eine wirk­same Grup­pen­ermäch­ti­gung und nicht um eine Glo­ba­lermäch­ti­gung han­delt. Die vom Amts­ge­richt er­teilte Ermäch­ti­gung enthält be­reits eine Be­schränkung da­hin­ge­hend, dass hier­von nur Ver­bind­lich­kei­ten aus Rück­zah­lungs­an­sprüchen, Zin­sen und Gebühren we­gen ei­nes Dar­le­hens im Rah­men der In­sol­venz­geld­vor­fi­nan­zie­rung zum Zweck der Fi­nan­zie­rung des lau­fen­den Ge­schäfts­be­triebs als Mas­se­ver­bind­lich­kei­ten er­fasst wer­den. Schon aus die­sem Grund liegt keine Glo­ba­lermäch­ti­gung vor, die keine Be­schränkun­gen vor­sieht.

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