Dadurch findet eine Abkehr von dem bisherigen System der Ausgleichspostenmethode statt, das erst mit dem Jahressteuergesetz 2008 gesetzlich kodifiziert wurde. Ausgehend davon stellt sich die Frage, ob und welche Effekte mit dem Systemwechsel bei der Abbildung von ertragsteuerlichen Organschaften eintreten und wie ggf. potenzielle Steuerbelastungen – durch eine proaktive Analyse und Handhabung – vermieden werden können.
Einlagelösung im Überblick
- Mehrabführungen der Organgesellschaft (handelsrechtliches Ergebnis der Organgesellschaft > steuerbilanzielles Ergebnis der Organgesellschaft) gelten als Einlagenrückgewähr der Organgesellschaft an den Organträger. Neben der Minderung des steuerlichen Einlagenkontos bewirkt die Mehrabführung eine erfolgsneutrale Herabsetzung des Beteiligungsbuchwerts an der Organgesellschaft. Sollte die Mehrabführung den Beteiligungsbuchwert übersteigen, löst dies grundsätzlich steuerliche Folgen aus (§ 8b Abs. 2 KStG, § 3 Nr. 40 Buchst. c EStG, § 3c Abs. 2 EStG).
- Minderabführungen der Organgesellschaft sind als Einlage durch den Organträger in die Organgesellschaft zu behandeln. Hierdurch wird das steuerliche Einlagekonto erhöht. Inwieweit bzw. auf welchem Wege die grundsätzlich steuerbilanziell ertragswirksame Beteiligungsbuchwerterhöhung korrigiert wird, ist bislang noch offen (infrage kommen ein innerbilanzieller oder ein außerbilanzieller Korrekturmechanismus).
- Die Einlagelösung sieht zudem folgende Neuerung vor: Mehr- und Minderabführungen werden in voller Höhe bei der Organgesellschaft bzw. beim Organträger berücksichtigt, d. h. unabhängig davon, wie hoch die Beteiligung des Organträgers an der Organgesellschaft ist.
Die mit dem KöMoG beschlossene Neuregelung gilt erstmals für Minder- und Mehrabführungen innerhalb einer Organschaft, die nach Ablauf des 31.12.2021 erfolgen. Hierfür ist auf das Ende des Wirtschaftsjahrs der Organgesellschaft abzustellen, sodass bei kalenderjahrgleichem Wirtschaftsjahr erstmals Minder- und Mehrabführungen der Organschaft in 2022 von der neuen Einlagelösung erfasst werden. Die meisten Unternehmen dürften damit in der Regel ab 2022 mit der Neuregelung und den Auswirkungen und Details konfrontiert sein. Bei abweichendem Wirtschaftsjahr kann die Neuregelung auf Minder- und Mehrabführungen bereits für das Wirtschaftsjahr 2021/2022 gelten. Gleichwohl empfiehlt sich bereits jetzt eine Analyse der Höhe der bestehenden aktiven und passiven Ausgleichsposten sowie der Höhe der Beteiligungsbuchwerte.
In einer Vielzahl der Fälle dürfte der Übergang von der bisherigen Ausgleichspostenmethode zur Einlagelösung (zum Teil erhebliche) Steuerbelastungen bewirken, und zwar insb. dann, wenn passive Ausgleichsposten auf Ebene des Organträgers in der Vergangenheit gebildet wurden. Denn für diese greift eine nun nachteilige Rechtsfolge:
- Nach dem bisherigen System der Ausgleichspostenmethode mussten diese mitunter erst bei der Veräußerung der Organschaftsbeteiligung erfolgswirksam aufgelöst werden. Dem Steuerpflichtigen wurde insoweit eine Steuerstundung gewährt.
- Durch die Neuregelung i. S. d. Einlagelösung entfällt dieser Steuerstundungseffekt – dies gilt auch für die Vergangenheit. Gebildete aktive und passive Ausgleichsposten sind zwingend aufzulösen (sog. Zwangsauflösung). Während aktive Ausgleichsposten den Beteiligungsbuchwert der Organgesellschaft erhöhen, führt die Auflösung von passiven Ausgleichsposten zu einer Minderung des Beteiligungsbuchwerts. Übersteigen passive Ausgleichsposten die Summe aus Beteiligungsbuchwert und aktiven Ausgleichsposten, führt dies grundsätzlich zur sofortigen Gewinnverwirklichung (unter Anwendung von § 3 Nr. 40 und § 3c EStG bzw. § 8b KStG).
Da die sofortige Zwangsauflösung die betroffenen Unternehmen liquiditätsmäßig belasten könnte bzw. wird, wurde den Unternehmen von Gesetzes wegen die Möglichkeit eröffnet, eine Rücklage in Höhe des (steuerrelevanten) Zwangsauflösungsertrags zu bilden. Diese Rücklage ist im Jahr der Bildung und in den neun Folgejahren ratierlich steuerwirksam um je 1/10 aufzulösen. Im Ergebnis bewirkt die Rücklagenbildung somit eine zeitliche Streckung der Steuerbelastung – jedoch keine Steuerstundung (wie bisher) und auch keine Vermeidung der zwangsläufig eintretenden Steuerbelastung.
Um den latenten Steuerbelastungswirkungen bereits jetzt proaktiv entgegen zu treten, sollte zunächst eine Analyse des Status-quo durchgeführt werden. Anhand der gewonnenen Erkenntnisse sollten die infrage kommenden Optionen evaluiert werden. In Betracht kämen etwa frühzeitige Einlagen in die Kapitalrücklage der Organgesellschaft zur Erhöhung des Beteiligungsbuchwerts der Organgesellschaft auf Ebene des Organträgers. Das Ziel der vorgenannten Handlungsoption besteht darin, das Verrechnungspotenzial entsprechend des erhöhten Beteiligungsbuchwerts zu erhöhen, sodass durch die Auflösung der Ausgleichsposten kein Zwangsauflösungsertrag entsteht.
Im Ergebnis lässt sich resümieren, dass die Einlagelösung bislang wenig Beachtung gefunden hat und deren Wirkungen oftmals nicht bekannt sind, obgleich diese zu erheblichen Steuerwirkungen führen kann.
Autoren: Sebastian Kunz, Steuerberater und Partner, Dr. Markus Ertel, Steuerberater und Manager, beide bei Ebner Stolz in Karlsruhe