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Steuerberatung

Und wenn es sein muss, bis zum EuGH

Prof. Dr. Klaus We­ber, Rechts­an­walt, Steu­er­be­ra­ter und Part­ner bei Eb­ner Stolz in Stutt­gart, er­zielte in einem vor dem BFH geführ­ten Rechts­streit einen be­acht­li­chen Zwi­schen­er­folg. Die Hin­zu­rech­nungs­re­ge­lung nach § 7 Abs. 6 AStG wird dem EuGH zur Überprüfung vor­ge­legt (wir be­rich­te­ten be­reits im no­vus April 2017, S. 14). Hierzu ha­ben wir bei Herrn Prof. Dr. We­ber noch­mals nach­ge­fragt.

Herr Prof. Dr. We­ber, Sie ver­tre­ten der­zeit einen un­se­rer Man­dan­ten vor dem BFH. Um was geht es hier kurz dar­ge­stellt?
 
In dem Sach­ver­halt, der dem Vor­la­ge­be­schluss des BFH zu­grunde lag, ging es darum, dass un­ser Man­dant, eine deut­sche GmbH, sich mit 30 % an ei­ner Schwei­zer AG be­tei­ligt hat. Nach Auf­fas­sung der Fi­nanz­ver­wal­tung, die letzt­lich vom BFH bestätigt wurde, hat die Schwei­zer AG sog. Zwi­schen­einkünfte mit Ka­pi­tal­an­la­ge­cha­rak­ter i. S. v. § 7 Abs. 6 AStG er­zielt. An­ders als bei der nor­ma­len Hin­zu­rech­nungs­be­steue­rung nach § 7 Abs. 1 AStG hat die Hin­zu­rech­nungs­be­steue­rung bei Zwi­schen­einkünf­ten mit Ka­pi­tal­an­la­ge­cha­rak­ter nicht zur Vor­aus­set­zung, dass Inländer mehr­heit­lich an der Aus­lands­ge­sell­schaft be­tei­ligt sind.

Prof. Weber - Und wenn es sein muss, bis zum EuGH© Prof. Dr. Klaus Weber, Steuerberater, Rechtsanwalt und Partner bei Ebner Stolz in Stuttgart

Das Fi­nanz­amt hat als Folge hier­von den von der Schwei­zer AG er­ziel­ten Ge­winn an­tei­lig der deut­schen GmbH der­art zu­ge­rech­net, als ob diese den Ge­winn selbst er­zielt hätte. Dies führte letzt­lich dazu, dass der von der Schwei­zer AG er­zielte Ge­winn bei der deut­schen GmbH mit ca. 30 % Körper­schaft­steuer und Ge­wer­be­steuer be­las­tet wurde.
 
Wa­rum wurde der EuGH ein­ge­schal­tet? Es geht doch um eine Be­tei­li­gung an ei­ner Schwei­zer Ge­sell­schaft und die Schweiz ist ja nach wie vor nicht EU-Mit­glied.
 
Der BFH hat dem EuGH die Frage vor­ge­legt, ob die Hin­zu­rech­nungs­be­steue­rung aus der Be­tei­li­gung ei­ner Schwei­zer AG ge­gen die in Art. 63 AEUV eu­ro­pa­recht­lich ga­ran­tierte Ka­pi­tal­ver­kehrs­frei­heit verstößt. Zwar gel­ten die eu­ropäischen Grund­frei­hei­ten im Grund­satz nur für eu­ropäische Un­ter­neh­men. Die Ka­pi­tal­ver­kehrs­frei­heit gilt je­doch nicht nur in­ner­halb der EU, son­dern auch im Um­gang mit Dritt­staa­ten, wie z. B. der Schweiz und der USA. Im Verhält­nis zu Toch­ter­ge­sell­schaf­ten in an­de­ren EU-/EWR-Staa­ten ist zwi­schen­zeit­lich vom EuGH geklärt, dass eine Hin­zu­rech­nungs­be­steue­rung nur dann ge­recht­fer­tigt sein kann, wenn die EU-Toch­ter­ge­sell­schaft kei­ner wirt­schaft­li­chen Tätig­keit nach­geht und es sich hier letzt­lich nur um eine rein geküns­telte Ge­stal­tung han­delt, um Steu­ern zu spa­ren. Für die Hin­zu­rech­nungs­be­steue­rung bei Be­tei­li­gun­gen an Un­ter­neh­men in Dritt­staa­ten gibt es bis­lang keine der­ar­tige Schranke für die Hin­zu­rech­nungs­be­steue­rung.
 
Wel­che Kon­se­quen­zen hätte es, wenn der EuGH Ihre Zwei­fel an der EU-Rechts­kon­for­mität der Re­ge­lung zur Hin­zu­rech­nungs­be­steue­rung bestätigt?
 
Sollte der EuGH un­sere Zwei­fel an der EU-Rechts­kon­for­mität bei Be­tei­li­gun­gen an Dritt­lands­un­ter­neh­men bestäti­gen, hätte dies zur Folge, dass die Hin­zu­rech­nungs­be­steue­rung bei Dritt­lands­be­tei­li­gun­gen in der jet­zi­gen Form wohl kei­nen Be­stand mehr hätte. Der EuGH müsste sich in die­sem Zu­sam­men­hang dann auch mit der Frage be­schäfti­gen, wel­che Gründe bei Be­tei­li­gun­gen an Dritt­staa­ten­un­ter­neh­men einen Ein­griff in die Ka­pi­tal­ver­kehrs­frei­heit recht­fer­ti­gen können. Im Verhält­nis zu EU-Staa­ten ist als Recht­fer­ti­gungs­grund letzt­lich nur die Ver­mei­dung rein künst­li­cher Ge­stal­tun­gen an­er­kannt. Mögli­cher­weise be­ste­hen im Verhält­nis zu Dritt­staa­ten je­doch et­was wei­ter­ge­hende Recht­fer­ti­gungsgründe.

Gilt das dann nur für den kon­kre­ten Streit­fall oder hätte das auch Aus­wir­kun­gen auf an­dere Fälle?

Im Streit­fall ging es um Be­tei­li­gun­gen an Dritt­lands­ge­sell­schaf­ten, die Zwi­schen­einkünfte mit Ka­pi­tal­an­la­ge­cha­rak­ter er­zielt ha­ben. Die Ent­schei­dung des EuGH kann je­doch auf alle Dritt­lands­be­tei­li­gun­gen Aus­wir­kun­gen ha­ben, auch wenn sie nur der all­ge­mei­nen Hin­zu­rech­nungs­be­steue­rung nach § 7 Abs. 1 AStG un­ter­lie­gen.
 
Der Rechts­weg führt ja über das Fi­nanz­ge­richt zum BFH. Wie in Ih­rem Fall wird aber häufig dann noch der EuGH ein­ge­schal­tet. Heißt das, dass wir be­reits den EuGH fak­ti­sch als eine „dritte In­stanz“ ha­ben?
 
Der EuGH wird von den Fi­nanz­ge­rich­ten oder vom BFH nur dann ein­ge­schal­tet, wenn das Ge­richt der Auf­fas­sung ist, eine Vor­schrift des Steu­er­rechts verstößt ge­gen EU-Frei­hei­ten. Denn nur der EuGH ist le­gi­ti­miert über den In­halt und den Um­fang der Grund­frei­hei­ten zu ent­schei­den. In der bis­he­ri­gen Pra­xis ist der EuGH je­doch bei er­trag­steu­er­li­chen Fra­ge­stel­lun­gen von deut­schen Fi­nanz­ge­rich­ten nur re­la­tiv sel­ten zur Klärung eu­ro­pa­recht­li­cher Streit­fra­gen ein­ge­schal­tet wor­den, so­dass man an sich nicht von ei­ner drit­ten In­stanz spre­chen kann.
 
Nach Ih­rer Ein­schätzung, wie sind die Er­folgs­chan­cen, wenn man ge­gen einen Steu­er­be­scheid vor­geht?
 
Im Hin­blick auf die äußer­ste Kom­ple­xität des deut­schen Steu­er­rechts liegt auch die Fi­nanz­ver­wal­tung mit ih­rer Rechts­mei­nung oft­mals mehr oder we­ni­ger leicht da­ne­ben. So­fern, was häufig vor­kommt, der strit­tige Sach­ver­halt nicht ganz klar vom Wort­laut ei­ner Steu­er­rechts­norm er­fasst wird und der kon­krete Fall auch noch nicht von einem Ge­richt ent­schie­den ist, be­steht im­mer eine ge­wisse Un­si­cher­heit, wie das Fi­nanz­ge­richt und letzt­lich der BFH ent­schei­den wer­den. Es heißt hier nicht zu Un­recht „Vor Ge­richt ist es wie auf ho­her See, man weiß nie ge­nau, wo man letzt­lich lan­det“.
 
Wann lohnt sich der Gang vor Ge­richt? Gibt es hier in der Pra­xis kon­krete Größenvor­ga­ben?
 
Im Hin­blick auf die nicht un­er­heb­li­chen Kos­ten (Ge­richts­kos­ten, Be­ra­tungs­kos­ten) sollte bei ei­ner nicht ganz ein­deu­ti­gen Rechts­lage der Gang zum Ge­richt nur dann gewählt wer­den, wenn die mögli­che Steu­er­er­spar­nis bei einem Ob­sie­gen min­des­tens dem vier­fa­chen der mögli­cher­weise an­fal­len­den Kos­ten ent­spricht. Liegt der Streit­wert da­ge­gen nur re­la­tiv ge­ring über den mögli­chen Kos­ten, emp­feh­len wir eher, von einem Ge­richts­ver­fah­ren Ab­stand zu neh­men, es sei denn, man ist sich sei­ner Sa­che ganz si­cher.

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