In Deutschland ist eine Verzinsung von Steuernachforderungen und Steuererstattungen nach § 233a AO für Verbrauchsteuern, wie der Energie- oder Stromsteuer, nicht vorgesehen. Dennoch hatte der BFH mit Urteil vom 22.10.2019 bereits entschieden, dass für sog. obligatorische Steuerbegünstigungen aus dem Unionrecht ein Anspruch auf Verzinsung der zu Unrecht einbehaltenen Stromsteuer abgeleitet werden kann. Zu den obligatorischen Steuerbegünstigungen zählt z. B. die Verwendung von Energieerzeugnissen zur Stromerzeugung nach § 53 EnergieStG.
Nun hat der EuGH auf Ersuchen des BFH mit Urteil vom 09.09.2021 (Rs. C-100/20) für den bisher noch ungeklärten Fall von fakultativen Steuerbegünstigungen entschieden, dass für diese - abgeleitet aus dem Gleichheitsgrundsatz - die gleichen Grundsätze gelten müssen, und damit klargestellt, dass ebenfalls ein Zinsanspruch auf den Erstattungsbetrag besteht.
Hinweis: Unter fakultativen Steuerbegünstigungen sind solche zu verstehen, die sich zwar ebenfalls aus der Energiesteuerrichtlinie ergeben, aber nicht von allen Mitgliedsstaaten in nationales Recht umzusetzen sind.
Im Urteilsfall wollte ein produzierendes Gewerbe (Klägerin) den ermäßigten Steuersatz in Anspruch nehmen. Das Hauptzollamt versteuerte die Strommenge dennoch zum Regelsatz. Auf dem Rechtsweg setzte die Klägerin den reduzierten Steuersatz durch und beantragte im Nachgang die Verzinsung des nunmehr gewährten Steuererstattungsbetrags. Dies lehnte das Hauptzollamt ab. Gegen den Ablehnungsbescheid legte die Klägerin zunächst Einspruch und später Klage ein. Der BFH legte den Sachverhalt dem EuGH vor.
Das EuGH-Urteil hat in Deutschland Auswirkung auf alle Erstattungen, die sich aufgrund von Steuerbefreiungen, Steuerermäßigungen oder Steuerentlastungen bei der Strom- oder Energiesteuer ergeben. Folgt man der Auffassung des BFH gemäß Urteil vom 22.10.2019 (Az. VII R 24/18, IStR 2020, S. 464), entsteht der Zinsanspruch vier Monate und zehn Arbeitstage nach Eingang des vollständigen Entlastungsantrags.
Hinweis: Betroffene Unternehmen sollten einen Antrag auf Verzinsung etwaiger Erstattungsansprüche beim Hauptzollamt mit Verweis auf das vorgenannte EuGH-Urteil sowie das noch anhängige BFH-Verfahren (Az. VII R 29/21) einreichen.