Akquisitionen in der Automobilindustrie:Besonderheiten der Financial Due Diligence
Deutschland gehört zusammen mit Japan, den USA und China zu den größten Automobilproduzenten weltweit. Die Automobilindustrie ist eine der wichtigsten Branchen für den Wirtschaftsstandort Deutschland. Viele Unternehmen - insb. die Automobilzulieferer - sind mittelständische Unternehmen, die noch von der jeweiligen Gründerfamilie geführt werden. Insgesamt waren im Sommer 2024 rund 770.000 Beschäftigte in der deutschen Automobilindustrie tätig. Nach Rekordumsätzen im Jahr 2023 von ca. 564 Mrd. Euro1, wird die deutsche Automobilindustrie im Jahr 2024 Absatz- und Gewinneinbrüche im zweistelligen Prozentbereich verzeichnen. Ausschlaggebend hierfür sind die rückläufigen Verkäufe von Elektrofahrzeugen in Deutschland sowie Absatzrückgänge in internationalen Märkten wie China.
Einleitung
Im Wesentlichen lassen sich die in der Automobilindustrie tätigen Unternehmen in vier Gruppen aufteilen:
- Hersteller (Original Equipment Manufacturer – „OEM“),
- Modul-/Systemlieferanten (1st-Tier-Supplier),
- Baugruppenlieferanten (2nd-Tier-Supplier) und
- Einzelteilelieferanten (3rd-Tier-Supplier).
Die Hauptsegmente im Automobilbereich sind Leichtfahrzeuge, Lkw und Busse, Bau- und Landwirtschaft, Elektroautos und Plug-in-Hybride sowie autonome Fahrzeuge.
Die Automobilindustrie ist mit rund 5 % der Bruttowertschöpfung Deutschlands wichtigster Industriezweig. Sie ist vor allem in der Zulieferindustrie mit einem Anteil von ca. 70 % an der Wertschöpfung überwiegend mittelständisch geprägt. Strategisch steht die Branche vor großen technologischen und gesellschaftspolitischen Herausforderungen. Insb. das Ziel der vollständigen Klimaneutralität bis 2050 treibt vehement die Sondierung neuer Mobilitätskonzepte, den Ausbau der Elektromobilität und generell Effizienzsteigerungen voran. Hierbei beschränkt sich dieser Wandel nicht auf eine Veränderung des Fahrzeugportfolios, sondern er umfasst eine ganzheitliche digitale Neuorientierung. So wird prognostiziert, dass bis 2050 weniger als 50 % der weltweiten Umsätze der Automobilindustrie durch den Verkauf von Automobilen erzielt werden. Mehr als die Hälfte des Umsatzes wird demnach durch datenbasierte Dienstleistungen, Shared Mobility und Aftersales generiert werden.
Die EU hat 2023 beschlossen, dass ab 2035 keine Benzin- und Dieselautos mehr zugelassen werden, mit Ausnahme von Fahrzeugen, die mit E-Fuels betrieben werden. Dies erfordert zusätzliche Investitionen auf Seiten der OEMs und deren Zulieferer. Gleichzeitig haben sich internationale Wettbewerber, z. B. aus China, wettbewerbsfähig positioniert. Steigende inländische Energie- und Personalkosten belasten zudem die Produktion und deren Aufwendungen. Im Verkauf erfolgt eine zunehmende strategische Umorientierung auf Trendthemen wie digitales Kundenmanagement und künstliche Intelligenz. So müssen OEMs vermehrt ihre Händler um E-Commerce Angebote ergänzen, um ein zeitgemäßes und ganzheitliches Autokauferlebnis via Onlineabwicklung realisieren zu können.
Der Wandel der Automobilindustrie und der damit verbundene hohe Kapitalbedarf wirft die Frage nach Konsolidierungen auf. Gleichzeitig verfügen Finanzinvestoren über Kapital, um den Wandel zu begleiten. Für strategische Investoren können sich zudem Chancen für eine Neupositionierung in der Wertschöpfungskette ergeben. Die zielgerichtete Analyse potenzieller Transaktionsobjekte erfordert einen maßgeschneiderten Financial Due Diligence Ansatz, der die Besonderheiten des Geschäftsmodells berücksichtigt.
Kunden- und Produktstruktur
Im Rahmen von Unternehmenstransaktionen hat die Positionierung in der Zuliefererkette einen maßgeblichen Einfluss auf das Geschäftsmodell der Zielgesellschaft und damit einhergehend auf die notwendigen Analysen im Rahmen der Financial Due Diligence. Die Kundenstruktur und das Produktportfolio geben wichtige Rückschlüsse auf Produkte und Serien, Serienlaufzeiten sowie zukünftige Umsatzpotenziale und -risiken. In diesem Zusammenhang ist insb. eine potenzielle Kundenkonzentration zu analysieren. Die Produktqualität und Lieferpünktlichkeit bzw. deren Beurteilung durch die Kunden sowie mögliche Alleinstellungsmerkmale des Produktportfolios können Rückschlüsse auf die Verlässlichkeit zukünftiger Umsatzprognosen ermöglichen. So ist bspw. zu analysieren, in welchem Umfang bereits Komponenten im Bereich der Elektromobilität mit Aufträgen unterlegt sind und welcher Umsatz(-anteil) hieraus generiert wird. Ergebnisse vergangener Supplier-Audits sollten ebenfalls untersucht werden. Diese lassen weitere Rückschlüsse auf die Qualität und Kundenzufriedenheit zu.
Innovationsdruck/Forschung und Entwicklung
Durch strukturelle Veränderungen in der Branche verlagerte sich die Fertigungstiefe auf die Zuliefererebene. Zulieferer treten heute immer häufiger als System- und Baugruppenlieferanten für den Hersteller auf und stehen dadurch unter erheblichem Innovationsdruck. Dementsprechend hängen die langfristige Wettbewerbsfähigkeit und Profitabilität von Investitionen in Forschung und Entwicklung ab. Daraus ergeben sich für die Financial Due Diligence wichtige Untersuchungsfelder: Historische Forschungs- und Entwicklungskosten müssen analysiert und sollten einem Branchenvergleich unterzogen werden. Insb. sind Investitionen in Innovationen und Technologien von Relevanz, die echte Erweiterungsinvestitionen darstellen. Hierzu zählen auch Investitionen zur Produktion innovativer Technologien, so bspw. im Rahmen der Elektromobilität. Die Rechnungslegungsvorschriften für Forschung und Entwicklung bzw. der damit einhergehenden Aufwendungen und Verbindlichkeiten haben zudem enorme Auswirkungen auf das nachhaltige EBITDA, die Nettofinanzverschuldung und somit auf den Kaufpreis.
Long-Term Agreements
Die Long-Term Agreements2 stellen Zulieferer insb. im Seriengeschäft vor große Herausforderungen. Der Gedanke dahinter ist die Kompensation von Effizienzgewinnen in der Fertigung. Die Wirkung auf den Zulieferer ist stark von dessen Marktpositionierung und Geschäftsstruktur abhängig. Hierbei ist zu evaluieren, ob der Zulieferer die Effizienzsteigerungen verlässlich erzielen kann oder ob sich die Gewinnmarge von Jahr zu Jahr reduziert. Zudem ist in der Financial Due Diligence zu beurteilen, wie hoch der Anteil der Kunden ist, mit denen Long-Term Agreements getroffen wurden. Unter Umständen wurden seitens des Zulieferers ebenfalls Long-Term Agreements mit den eigenen Lieferanten getroffen. Ebenso ist auf die Personalstruktur zu achten, da bei personalintensiven Zulieferern ggfs. tarifliche Lohnerhöhungen die unterstellten Effizienzgewinne verhindern. Für die Business Plan Perioden ist außerdem zu evaluieren, ob der Effekt der Long-Term Agreements ebenfalls berücksichtigt wurde.
Rohstoffe
Der Zulieferbetrieb muss jährlich Preisverhandlungsrunden mit seinen Rohstofflieferanten führen, deren Ausgang je nach Marktmacht gegenüber dem jeweiligen Lieferanten nur schwer zu prognostizieren ist. Die Ergebnisse können die nachhaltige Rohertragsmarge und dadurch das nachhaltige EBITDA erheblich beeinflussen. Im Rahmen der Financial Due Diligence sollte daher die Kostenstruktur sowie der Kostenanteil der Rohstoffe analysiert sowie die Versorgungssicherheit und die Marktmacht des Zulieferers beurteilt werden. Bestehende Wechselkursrisiken sollten aufgedeckt und deren historische Auswirkungen auf die Profitabilität anhand einer Constant Currency Analyse evaluiert werden. Außerdem ist zu prüfen, ob die interne Kosten- und Planungsrechnung Preisvolatilitäten ausreichend berücksichtigt.
Quick Savings/Eintrittsgelder
Im Rahmen von Auftragsvergaben leisten Zulieferer häufig sog. Quick Savings3 an die OEMs. Gängig sind hierbei Einmalzahlungen sowie Preisnachlässe für laufende Serien zur Generierung von Folgeaufträgen. Daneben gibt es aber auch Zahlungen, die den Zulieferer lediglich zu einer Abgabe eines Angebots berechtigen („Pay-to-Play“). Wirtschaftlich stellen diese Zahlungen aus Sicht des Zulieferers ein Eintrittsgeld für einen späteren Serienliefervertag dar. OEMs qualifizieren solche Eintrittsgelder teilweise als Finanzierungsbeitrag des Zulieferers für die signifikanten Entwicklungskosten der OEMs oder aber als Synergierückflüsse bei Folgeaufträgen. Eintrittsgelder werden je nach vertraglicher Ausgestaltung als immaterielle Vermögensgegenstände des Anlagevermögens, aktive Rechnungsabgrenzungsposten oder Herstellungskosten aktiviert oder als Vertriebsaufwendungen ergebniswirksam in der Gewinn- und Verlustrechnung erfasst.
Werkzeuge
Im Produktionsprozess von Automobilzulieferern sind in der Regel Werkzeuge erforderlich, um die Serienteile für den OEM herzustellen. Diese Werkzeuge werden vom Automobilzulieferer sowohl kunden- als auch produktspezifisch hergestellt und können in der Regel nur für ein spezifisches Serienteil eines OEM verwendet werden. Die Werkzeuge können durch den Automobilzulieferer selbst hergestellt oder entgeltlich erworben werden. Darüber hinaus wird zwischen Eigenwerkzeugen (wirtschaftliches Eigentum des Automobilzulieferers) und Kundenwerkzeugen (wirtschaftliches Eigentum des OEMs, physisch jedoch beim Zulieferer) unterschieden. Ob die Werkzeugkosten als Sachanlage (Eigenwerkzeuge), als Vorratsvermögensgegenstand (Kundenwerkzeuge) oder als selbst geschaffene immaterielle Entwicklungsleistung (Eigenwerkzeuge) zu bilanzieren sind, hängt von der mit dem Kunden hinsichtlich des Werkzeugs getroffenen Vereinbarung ab. Die Herstellung von Werkzeug-Prototypen ist mit hohen Forschungs- und Entwicklungskosten verbunden. Dabei ist zu überprüfen, ob hier eine eigenständig bilanzierungsfähige immaterielle Entwicklungsleistung, nicht aktivierbare Aufwendungen für Forschungsleistungen oder aber Gemeinkosten vorliegen, welche nicht auf den Herstellungszeitraum entfallen. Die OEMs beteiligen sich häufig vor dem Anlauf der Serie an den Werkzeugen. Die Beteiligung stellt je nach Vereinbarung mit dem OEM eine erhaltene Anzahlung, eine Rückstellung oder einen passiven Rechnungsabgrenzungsposten (PRAP) dar. Zwischen Automobilzulieferern und OEM gibt es diverse vertragliche Ausgestaltungen im Hinblick auf Entwicklung, Herstellung und Nutzung dieser Werkzeuge – häufig handelt es sich um komplexe kombinierte Serien- und Entwicklungsaufträge. Hierbei können gegenläufige Interessen entstehen: der OEM möchte im Falle einer Insolvenz einerseits einen gesicherten Rechtsanspruch hinsichtlich der Werkzeuge, andererseits aber nicht die mit dem Werkzeug verbundenen Risiken tragen. Die Behandlung der Werkzeugkosten variiert je nach Art der zugrundeliegenden Vereinbarung mitunter sogar innerhalb eines einzigen Betriebes deutlich. Die Analyseschwerpunkte sollten auf der Untersuchung des rechtlichen bzw. wirtschaftlichen Eigentums der aktuellen Werkzeuge sowie der Finanzierung neuer Werkzeuge (sowie der damit einhergehenden Cashflow Effekte) liegen.
Vorräte
Grundsätzlich wird das Vorratsvermögen eines Unternehmens in der Automobilbranche vorrangig aus Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffen sowie unfertigen und fertigen Erzeugnissen bestehen. Es empfiehlt sich, das Vorratsvermögen auf seine Altersstruktur sowie Umschlagshäufigkeit zu analysieren. Dadurch kann festgestellt werden, ob und welche Vermögensgegenstände veraltet und / oder im Produktionsprozess nicht mehr einsetzbar sind. In der Automobilbranche beinhalten vertragliche Vereinbarungen zwischen Zulieferer und OEM häufig eine Verpflichtung des Zulieferers zur Vorhaltung von Ersatzteilen über den EOP („End of Production“) hinaus. Die Bevorratung mit Ersatzteilen hat die Vermeidung hoher Rüstkosten bei nachträglicher Produktion zum Ziel. Darüber hinaus sind die zur Produktion der Ersatzteile erforderlichen Rohmaterialien überwiegend produktspezifisch und können nicht individuell genutzt werden. Im Falle geringer Abrufzahlen der Ersatzteile durch OEMs in Kombination mit der eingeschränkten Nutzbarkeit dieser Bestände ergeben sich Probleme bei der Vorratsbewertung. Um eine aussagekräftige Altersstrukturanalyse durchführen zu können, sind Informationen hinsichtlich des Anschaffungsdatums auf Einzelartikelebene unerlässlich. Alternativ kann auch eine vereinfachte Reichweitenanalyse durchgeführt werden. Hieraus lässt sich schließen, ob die Vorratsbewertung den tatsächlichen wirtschaftlichen Verhältnissen entspricht oder ob ggf. Abwertungen vorgenommen werden müssen.
Quality of Earnings
Zielsetzung der Financial Due Diligence ist u. a. ein nachhaltiges Ergebnis abzuleiten, welches um nicht wiederkehrende, nicht operative sowie periodenfremde Erträge und Aufwendungen normalisiert wurde („Quality of Earnings Analyse“). Als Bezugsgröße für das nachhaltige Ergebnis wird in der Praxis vorwiegend das EBIT oder EBITDA verwendet. Insb. Investoren bevorzugen das EBITDA, welches als bestmögliche Approximation des operativen Cashflows angesehen wird. Das Ableiten des nachhaltigen Ergebnisses stellt eine der Kernanalysen der Financial Due Diligence dar, da das nachhaltige Ergebnis als wesentliche Basis für die Unternehmensbewertung (bspw. unter Anwendung des Multiplikator-Verfahrens) und somit auch für die Herleitung des Kaufpreises dient. Obwohl sich die Vorgehensweise bei der Identifizierung von Normalisierungssachverhalten über Branchen hinweg nahezu gleicht, ergeben sich dennoch Besonderheiten für eine Quality of Earnings Analyse in der Automobilbranche.
Normalisierungspotenzial bieten Quick Savings/Eintrittsgelder, welche entweder aktiviert oder als Vertriebsaufwand ergebniswirksam in der Gewinn- und Verlustrechnung erfasst werden. Im Rahmen der Quality of Earnings Analyse sollte eine stetige buchhalterische Behandlung der Eintrittsgelder sichergestellt und das Ergebnis entsprechend pro-forma bereinigt dargestellt werden.
Weiteres Bereinigungs- und Glättungspotenzial bieten Aufwendungen der Forschungs- und Entwicklungsphase neuer Produktreihen. Hierbei ist zwischen regelmäßigen und außerordentlichen Forschungs- und Entwicklungsaufwendungen zu unterscheiden. Erstere sind dem gewöhnlichen Geschäftsbetrieb inhärent und sollten daher aufwandswirksam in der nachhaltigen Ergebnisgröße beinhaltet sein. Zur Feststellung, ob letztere Normalisierungspotenziale darstellen, bedarf es allerdings weiterer Untersuchungen.
Außerdem sind Auftragsverluste zu bereinigen, da diese nicht wiederkehrend und somit nicht nachhaltig sind. Sog. „Ramp-up“-Kosten fallen im Rahmen neuer Produktreihen an und beinhalten im Wesentlichen Kosten für Verschrottung und/oder unproduktives Personal. Aufwendungen für Verschrottung, welche über das gewöhnliche Maß hinausgehen, können leicht aus den Finanzzahlen des Unternehmens abgeleitet werden. Hingegen bedarf es bei „Ramp-up“-Kosten im Bereich des Personals tiefgreifendere Untersuchungen, zumeist unter Einbezug des Managements der Verkäuferseite. In vielen Fällen erstellt das Management bereits selbst entsprechende Analysen, um ein konsistentes internes Reporting zu ermöglichen. Nichtsdestotrotz müssen die zur Verfügung gestellten Zahlen und Analysen kritisch hinterfragt werden.
Im Rahmen der Financial Due Diligence sollte geprüft werden, ob Rückstellungen periodengerecht und in angemessener Höhe erfasst wurden. Insb. ist hierbei auch auf die industriespezifischen sonstigen Rückstellungen zu achten (bspw. aus Schadensersatzverpflichtungen aus Beschaffungsverträgen durch verzögerte Lieferungen sowie Gewährleistungsverpflichtungen). Auch hier sollten außergewöhnliche und nicht mit dem regelmäßigen Geschäftsbetrieb in Verbindung stehende Aufwendungen im Fokus stehen. Jährlich pauschal gebildete Rückstellungen für Gewährleistungen (bspw. x % vom Jahresumsatz) sind nicht zu bereinigen und die entsprechende Rückstellung auch nicht den Nettofinanzverbindlichkeiten zuzuordnen. Gewährleistungsaufwendungen und entsprechende Rückstellungen, welche allerdings aus spezifischen Geschäftsvorfällen resultieren (bspw. fehlerhafte Lieferung), sind als außergewöhnliche Sachverhalte zu normalisieren (Aufwand) bzw. den Nettofinanzverbindlichkeiten (sonstige Rückstellung) zuzuordnen.
Alternative Finanzierungsformen, welche zur Reduzierung der Kapitalbindung genutzt werden, spielen bei Unternehmen in der Automobilbranche eine nicht zu vernachlässigende Rolle. Hierbei wird zwischen Operating Leasing (engl. operating lease) und Finanzierungs-Leasing (engl. finance lease oder capital lease) unterschieden. Im Rahmen eines Operating Leasing Vertrags trägt der Leasinggeber das Investitionsrisiko und bilanziert den geleasten Vermögensgegenstand. Beim Leasingnehmer werden die Leasingraten im sonstigen betrieblichen Aufwand und damit im EBITDA ausgewiesen. In der Bilanz des Leasingnehmers wird der Vermögensgegenstand nicht erfasst. Beim Finanzierungs-Leasing liegt hingegen das Risiko des Untergangs des Vermögensgegenstands beim Leasingnehmer. Er erfasst das Leasingobjekt im Anlagevermögen und eine entsprechende (abgezinste) Verbindlichkeit auf der Passivseite seiner Bilanz. Die regelmäßigen Leasingraten werden in einen zahlungswirksamen Tilgungsanteil und einen ergebniswirksamen Zinsanteil (resultierend aus der Diskontierung der Verbindlichkeit) aufgeteilt. Darüber hinaus wird der Vermögensgegenstand ergebniswirksam abgeschrieben. Entsprechend werden die Aufwendungen aus dem Finanzierungs-Leasing in der GuV unterhalb des EBITDA bzw. des EBIT im Finanzergebnis und in den Abschreibungen erfasst. Im Rahmen der Quality of Earnings Analyse ist daher einerseits auf eine stetige und konsistente Bilanzierung zu achten. Andererseits kann eine pro-forma Überleitung des Operating Leasings auf das Finanzierungs-Leasing erfolgen, um der späteren bilanziellen Behandlung beim Käufer vorzugreifen (wenn dieser bspw. nach IFRS bilanziert). Daraus würde im beschriebenen Fall ein höheres EBITDA bzw. EBIT resultieren.
Working Capital
Im Rahmen der Analyse der historischen Vermögenslage bedarf es der Identifizierung und Quantifizierung der Working Capital Positionen. Das Working Capital lässt sich in Working Capital im engeren Sinne sowie Working Capital im weiteren Sinne unterscheiden. Ersteres umfasst die Forderungen und Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen sowie das Vorratsvermögen. Letzteres beinhaltet Einzelpositionen aus den sonstigen Vermögensgegenständen, Verbindlichkeiten und Rückstellungen, sofern diese nicht zinstragend sind und soweit diese in direktem Zusammenhang mit dem gewöhnlichen Geschäftsbetrieb stehen.
Neben der Analyse der einzelnen Bestandteile des Working Capital ist dessen Höhe und unterjährige Entwicklung von entscheidender Bedeutung für die Ableitung der Enterprise-to-Equity Value Bridge und somit des Kaufpreises. Unter Anwendungen eines Cash- and Debt-free Kaufpreismechanismus erfolgt zunächst die Quantifizierung des Unternehmenswerts auf Basis eines Discounted Cashflow Modells oder unter Anwendung eines Multiplikatorverfahrens. Um vom Unternehmenswert auf den Wert des Eigenkapitals überzuleiten, wird zunächst das Nettofinanzvermögen hinzugerechnet bzw. werden die Nettofinanzverbindlichkeiten abgezogen (siehe folgender Abschnitt). Anschließend erfolgt die Anwendung des Working Capital Anpassungsmechanismus: Der Eigenkapitalwert wird zusätzlich um die Differenz zwischen dem Working Capital Bestand zum Zeitpunkt des wirtschaftlichen Übergangs und dem normalen Referenz-Working Capital Bestand angepasst. So soll unterjährigen Schwankungen des Working Capital Rechnung getragen werden. Das normale Working Capital entspricht dem bereinigten durchschnittlichen Working Capital. Ein angemessener Zeitraum für die Berechnung des Durchschnitts sollte auf Basis der Erkenntnisse aus der Due Diligence bestimmt werden. Hierbei bietet es sich an, zumindest die letzten zwölf Monate (LTM) in die Berechnung mit einzubeziehen, um sämtliche unterjährigen Schwankungen abbilden zu können. Allerdings sollte ebenfalls das Wachstum der Gesellschaft in der historischen Periode berücksichtigt werden.
Nettofinanzvermögen und -verbindlichkeiten
Die Finanzierung von Unternehmen in der Automobilbranche ist durch die Kapitalintensität des Geschäftsmodells geprägt. Der Großteil mittelständischer Unternehmen im Automobilsektor finanziert sich über Bank- oder Gesellschafterdarlehen sowie erhaltene Anzahlungen. Externe Finanzierungen werden im Wesentlichen für die Anschaffung von langfristigem Sachanlagevermögen für den Produktionsprozess eingesetzt. Langfristige verzinsliche Schulden sind den Nettofinanzverbindlichkeiten (Net Debt) zuzuordnen. Hierzu zählen ebenfalls etwaige Pensionsverpflichtungen gegenüber Mitarbeitern.
Sachverhalte, die aus Ertragsteuern resultieren (Ertragsteuerforderungen und -verbindlichkeiten sowie Ertragsteuerrückstellungen) sind grundsätzlich als Nettofinanzvermögen bzw. -verbindlichkeiten einzuordnen. Die entsprechenden Forderungen oder Verpflichtungen resultieren aus Sachverhalten, welche dem Verkäufer für die Perioden vor der Unternehmenstransaktion zuzurechnen und daher von ihm wirtschaftlich zu tragen sind.
Sachverhalte, welche im Rahmen einer Ergebnisbereinigung berücksichtigt, jedoch noch nicht zahlungswirksam wurden, sind den Nettofinanzverbindlichkeiten und nicht dem Working Capital zuzuordnen. Dies betrifft im Wesentlichen Einzelsachverhalte in den Bilanzpositionen sonstige Vermögensgegenstände, sonstige Rückstellungen sowie sonstige Verbindlichkeiten. So wird der Aufwand für die Bildung einer außerordentlichen Gewährleistungsrückstellung einerseits auf Ebene der GuV normalisiert und damit das EBITDA bzw. EBIT erhöht (und dadurch der Unternehmenswert bei Anwendung des Multiplikator-Verfahrens). Andererseits wird die entsprechende Rückstellung den Finanzverbindlichkeiten zugeordnet, wodurch sich der Kaufpreis im Rahmen der Enterprise-to-Equity Value Bridge reduziert. Darüber hinaus sind Fälle, insb. die Umqualifizierung von Operating Leasing in Finanzierungs-Leasing, zu berücksichtigen, die zu einer Umgliederung aus dem operativen Ergebnis in das Finanzergebnis und Abschreibungen (unterhalb EBITDA) führen, wodurch korrespondierende Leasingverbindlichkeiten gleichermaßen dem Net Debt zuzuordnen sind.
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1 Datenmaterial: Quelle Statista
2 Jährliche Preiszugeständnisse, bspw. „5x5“, sprich über fünf Jahre eine Teilepreisreduktion von 5 %.
3 U. a. auch Nomination Fee, Support Payment, Give Back.
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