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Festlegungen zur Eigenkapitalverzinsung für Strom- und Gasnetze rechtswidrig

04.10.2023 | 3 Minuten Lesezeit

Das OLG Düsseldorf hat mit Beschluss vom 30.08.2023 aufgrund Beschwerden von rund 900 Netzbetreibern in 14 Musterverfahren, die von der Bundesnetzagentur (BNetzA) erlassenen Festlegungen der kalkulatorischen Eigenkapitalzinssätze zur Bestimmung der Erlösobergrenze für die Elektrizitäts- und Gasnetzbetreiber für die 4. Regulierungsperiode (Az. BK4-21-055 und BK4-21-056) aufgehoben.

Zur Berechnung der von den Netzbetreibern zugestandenen Erlösobergrenzen für die Netznutzung durch Strom- und Gaslieferanten ist eine angemessene Verzinsung des eingesetzten Eigenkapitals zu gewährleisten. Die Festlegungen sehen hierzu bisher eine vergangenheitsorientierte Ermittlung der Verzinsung des eingesetzten Eigenkapitals vor.

Ab der 4. Regulierungsperiode (Strom 2024 bis 2028/Gas 2023 bis 2027) soll der für den kalkulatorischen Eigenkapitalanteil bis 40 % relevante Eigenkapitalzinssatz I (EKI-Zinssatz) nach § 7 Abs. 6 Strom- und Gasnetzentgeltverordnung für Neuanlagen 5,07 % (3. Regulierungsperiode: 6,91 %) und für Altanlagen 3,51 % (3. Regulierungsperiode: 5,12 %) vor Steuern betragen. Im Vergleich zur 3. Regulierungsperiode wäre damit ein erheblicher Rückgang der für die Kostenprüfungen und Kapitalkostenaufschläge wichtigen Zinssätze hinzunehmen.

Ab der 4. Regulierungsperiode sieht die Berechnungsgrundlage des Fremdkapitalzinses - also des für die kalkulatorischen Eigenkapitalanteile > 40 % relevanten Eigenkapitalzinssatz II (EKII-Zinssatz) - vor, gemäß § 7 Abs. 7 Strom- und Gasnetzentgeltverordnung die Umlaufrenditen der Anleihen der öffentlichen Hand und der Anleihen von Unternehmen im Verhältnis 1:2 einzubeziehen. Aufgrund der neuen Berechnungsmodalitäten reduziert sich der EKII-Zinssatz für die 4. Regulierungsperiode für Gasnetzbetreiber auf 2,02 % und für Elektrizitätsnetzbetreiber auf 1,71 %.

Bedeutung für die Netzbetreiber

Im Vergleich zur 3. Regulierungsperiode ergeben sich negative Effekte aus der Senkung der EK-Zinssätze. Diese Zinssatzsenkungen stehen im Widerspruch zur aktuellen Zinsentwicklung an den Kapitalmärkten und der Umsetzung der ambitionierten Ziele der Bundesregierung zur Klimaneutralität und dem Ausbau der Erneuerbaren Energien, die Investitionen in die Netze notwendig machen.

Entscheidungsgründe des OLG Düsseldorf

Das OLG Düsseldorf hatte keine formellen Mängel der Festlegungen festgestellt oder Beanstandungen gegen den methodischen Ansatz der BNetzA. Die bisherige Rechtsprechung des OLG Düsseldorf und des BGH zum sog. Capital-Asset-Pricing-Model (CAPM) als zulässige Methode zur Ermittlung des Wagniszuschlags wurde nochmals bestätigt. Ebenfalls wurde die Verwendung der DMS-Daten aus dem „Credit Suisse Global Investment Returns Yearbook 2021" nicht beanstandet. Zu beanstanden sei aber, so das OLG, dass aufgrund Schätzunsicherheiten und weiterer Aspekte konkrete Anhaltspunkte vorliegen, dass die Zinssätze vor dem Hintergrund der Auswirkungen der anhaltenden Niedrigzinsphase auf die Basiszinssätze nicht dem Grundsatz der Angemessenheit nach § 21 Abs. 2 EnWG entsprechen. Die BNetzA hat es unterlassen, die von ihr allein unter Heranziehung historischer Datenreihen ermittelte Marktrisikoprämie als Bestandteil des Eigenkapitalzinssatzes einer zusätzlichen Plausibilisierung zu unterziehen. Die ermittelte Marktrisikoprämie und der Eigenkapitalzinssatz liegen zudem im internationalen Vergleich am unteren Ende der Bandbreite. Die BNetzA habe sich mit diesen Ergebnissen rechtswidrig unzureichend auseinandergesetzt.

BNetzA bessert bei den Zinssätzen für Strom- und Gasnetze nach

Mit den bisher zugestandenen Zinssätzen für die 4. Regulierungsperiode erfolgt für Strom- und Gasnetzbetreiber keine angemessene Rendite des eingesetzten Eigenkapitals. Die BNetzA sieht vor, die aktuellen Entwicklungen der Zinsen an Kapitalmärkten zu berücksichtigen und eine angemessene, wettbewerbsfähige und risikoangepasste kalkulatorische Eigenkapitalverzinsung zu gewährleisten und Anreize für Investitionen zu schaffen. Die wesentlichen Eckpunkte betreffen:

  • Anpassung im Kapitalkostenaufschlag (KKa) nach § 10 ARegV

Abweichend von der bisherigen Festlegung soll der Eigenkapitalzinssatz nur für Neuinvestitionen nach dem 31.12.2023 einer höheren Kapitalverzinsung unterliegen. Nach den neuen Berechnungsmodalitäten wird für Investitionen des Jahres 2024 ein höherer EKI-Zinssatz von 7,09 % erwartet und ebenfalls ein höherer Fremdkapitalzinssatz. Investitionen vor 2024 (Bestandsvermögen) sollen weiterhin mit einem EKI-Zinssatz von 5,07 % verzinst werden. Die BNetzA sieht vor, die neue Festlegung auf die 4. Regulierungsperiode zu beschränken.

  • Ermittlung des Basiszinssatzes

Bislang wurde für den Basiszinssatz der 4. Regulierungsperiode ein 10-Jahresdurchschnitt des risikolosen Zinssatzes (2011 bis 2020) herangezogen. Der so ermittelte Basiszins betrug 0,74 %. Künftig soll ein jährlich variabler Basiszins für Neuinvestitionen auf Basis des ersten Quartals eines jeden Kalenderjahres als Planwert herangezogen werden. Der tatsächlich eintretende Basiszins des jeweiligen Jahres findet letztlich Eingang in die Netzentgelte. Differenzen zwischen Plan-Werten und Ist-Werten sind später im Rahmen eines Plan-Ist-Abgleichs sowohl für die Zinsen als auch für die Investitionen über das Regulierungskonto auszugleichen. Anhand des Basiszinses im ersten Quartal 2023 prognostiziert die BNetzA einen Wert von 2,79 %. Unter Berücksichtigung eines unveränderten Wagniszuschlags ergibt sich insgesamt ein höherer EKI-Zinssatz von 7,09 % (inkl. GewSt ca. 8,1 %). Bei derzeit steigenden Basiszinssätzen wird sich demzufolge ein höherer endgültiger EKI-Zinssatz ergeben.

  • Höherer kalkulatorischer Fremdkapitalzinssatz

Mit der Festlegung zur Bestimmung des Fremdkapitalzins für Verteilernetzbetreiber (Az. BK4-23-001) vom 14.08.2023 hat die BNetzA für die Fremdkapitalverzinsung (§ 10a Abs. 7 ARegV) ebenfalls eine Abkehr von der Abstellung auf einen 10-Jahresdurchschnittszinsatz beschlossen. Es werden für neue Investitionen ab dem 01.01.2024 die Regelungen für Übertragungs- und Fernleitungsnetzbetreiber in § 10 Abs. 7 Sätze 5 bis 8 ARegV zur Ermittlung des kalkulatorischen Fremdkapitalzinssatzes übernommen und auch hier ein Jahreswert angesetzt, der erst nachträglich feststeht. Für das Jahr 2024 ergibt sich derzeit ein Fremdkapitalzinssatz von 4,17 % statt 2,02 % für Gasnetzbetreiber und 1,71 % für Elektrizitätsnetzbetreiber.

Hinweise:

Die Gerichtsentscheidung ist noch nicht rechtskräftig und die BNetzA hat am 29.09.2023 beim Bundesgerichtshof (BGH) gegen diese Entscheidung Rechtsbeschwerde eingelegt. Wann sich der BGH mit der Beschwerde befassen wird, ist derzeit noch nicht bekannt.

Auch vor dem Hintergrund der weiteren regulatorischen Entwicklungen (Festlegung KANU, Gebäudeenergiegesetz (GEG), Wärmeplanungsgesetz, etc.) sollte die Finanzierung (Eigenkapital/Fremdkapital) und Investitionsplanung insofern eng miteinander abgestimmt werden.