EuGH-Urteil: Das Ende für die „Kundenanlage“?

03.12.2024 | 2 Minuten Lesezeit

Am 28.11.2024 hat der europäische Gerichtshof (EuGH) ein richtungsweisendes Urteil zur Auslegung der Elektrizitätsbinnenmarktrichtlinie (Richtlinie (EU 2019/9 44) gefällt. Danach steht die „Kundenanlage“ gemäß § 3 Nr. 24a EnWG nicht in Übereinstimmung mit den Regelungen der Elektrizitätsbinnenmarktrichtlinie und ist damit europarechtswidrig.

Eine Kundenanlage i. S. d. § 3 Nr. 24a EnWG ist eine Energieanlage, die allen Letztverbrauchern in einem räumlich zusammengehörigen Gebiet unentgeltlich zur Verfügung steht, um deren Versorgung sicherzustellen. Diese Anlage unterscheidet sich von einem Energieversorgungsnetz dadurch, dass sie in ihrem Einfluss auf den Wettbewerb bei der Energieversorgung vernachlässigbar ist. Sie unterliegt nicht der Regulierung.

Hintergrund und rechtlicher Kontext

Der BGH hatte dem EuGH zur Vorabentscheidung die Frage vorgelegt, ob die Elektrizitätsbinnenmarktrichtlinie vorgenannten Regelung im EnWG entgegensteht.

Die Entscheidung des EuGH basiert auf der Richtlinie (EU) 2019/944, die den Elektrizitätsbinnenmarkt regelt und u. a. Anforderungen an Verteilernetze und deren Betreiber stellt. Der Begriff "Verteilernetzbetreiber" wird in der Richtlinie als eine juristische Person definiert, die ein Verteilernetz betreibt und für dessen langfristige Fähigkeit, die Nachfrage zu decken, verantwortlich ist. Die Definition setzt voraus, dass der Strom mit Hoch-, Mittel- oder Niederspannung weitergeleitet wird, um Kunden zu beliefern.

Das deutsche Energiewirtschaftsgesetz sieht in § 3 Nr. 24a EnWG vor, dass Kundenanlagen keine Energieversorgungsnetze im Sinne der Definition sind und dass deren Betreiber nicht als Energieversorgungsunternehmen gelten.

Entscheidung des EuGH

Der EuGH hat entschieden, dass nationale Regelungen wie die deutschen Vorschriften des EnWG, die eine derartige Einstufung von Anlagen als Kundenanlagen vorsehen, mit der EU-Richtlinie unvereinbar sind. Eine Energieanlage kann nicht einfach durch nationale Gesetzgebung von der Verpflichtung, als Verteilernetz zu gelten, befreit werden, sofern sie Elektrizität weiterleitet, die zum Verkauf an Endkunden bestimmt ist. Dies würde der Harmonisierung im europäischen Elektrizitätsbinnenmarkt entgegenwirken und könnte die Ziele eines integrierten und wettbewerbsorientierten Marktes gefährden.

Konsequenzen für bestehende Versorgungskonzepte

Das Urteil des EuGH stellt eine klare Grenze für den Spielraum nationaler Gesetzgeber dar, Energieanlagen von bestimmten regulatorischen Verpflichtungen auszunehmen. Es hat das Potenzial, die Praxis des Betriebs vieler dezentraler Energieanlagen infrage zu stellen und könnte für viele Betreiber bedeuten, dass sie den vollen Regulierungsanforderungen einer Verteilnetzbetreibers unterliegen.

Betreiber solcher Anlagen, insb. jene, die dezentrale Erzeugungsstrukturen nutzen, müssen sich darauf einstellen, dass sie künftig den gleichen Verpflichtungen unterliegen wie traditionelle Netzanbieter. Die grundlegende Entscheidung des EuGH ist ein Schritt in Richtung der Schaffung eines einheitlichen europäischen Elektrizitätsmarkts, der nicht durch nationale Regelungen zersplittert wird.

Ausblick

Der Gesetzgeber ist gefordert, die Spielräume auszuloten, die aufgrund der aktuellen Entscheidung noch bestehen und eine entsprechende gesetzliche Regelung zu schaffen. Die Auswirkungen auf bestehende Versorgungskonzepte sind derzeit noch nicht ansatzweise absehbar.