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Verunsicherung nach EuGH-Urteil zu Kundenanlagen - Status quo und Lösungsansätze

03.03.2025 | 4 Minuten Lesezeit

Mit Urteil vom 28.11.2024 hatte der EuGH entschieden, dass die Anlagenkategorie der Kundenanlage gemäß § 3 Nr. 24a EnWG gegen EU-Recht verstößt. Dies führte zu einer großen Verunsicherung in der Branche.

Wie geht es jetzt weiter?

Voraussichtlich im Mai 2025 wird der BGH das Verfahren entscheiden, in dem er die Vorabentscheidung des EuGH eingeholt hat (Az. EnVR 83/20, mehr dazu hier. Der BGH ist an das Urteil des EuGH gebunden und wird daher aller Voraussicht nach die Einstufung als Kundenanlage ablehnen. Damit ist sind aber die gesetzlichen Regelungen zur Kundenanlage noch nicht außer Kraft. Eine Änderung kann nur durch das Bundesverfassungsgericht oder den Gesetzgeber erfolgen.

Grundsätzlich sind nationale Rechtsvorschriften richtlinienkonform so auszulegen, dass sie im Einklang mit EU-Recht stehen. Die Kritik des EuGH an den Regelungen zur Kundenanlage ist so grundlegend, dass eine richtlinienkonforme Auslegung kaum weiterhelfen dürfte. Der Gesetzgeber ist also gefordert, die Grenze zum regulierungsbedürftigen Netz (abermals) neu zu bestimmen. Wann der Gesetzgeber sich dieses Themas annimmt, ist derzeit zur schwer einzuschätzen.

Reaktionen der Regulierungsbehörden

Die Bundesnetzagentur (BNetzA) hat sich unlängst zu den Auswirkungen des Urteils geäußert [https://www.bundesnetzagentur.de/DE/Fachthemen/ElektrizitaetundGas/Aktuelles/Kundenanlagen/start.html]. Die BNetzA betont, dass sich aufgrund der Herleitung der Antwort, die Frage stelle, ob überhaupt noch Raum für die bislang in § 3 Nr. 24 a), b) EnWG geregelten Ausnahmen von den Verpflichtungen eines Verteilernetzbetreibers verbleibe. Es sei zu prüfen, ob und ggf. wie das EnWG angepasst werden muss. Darüber hinaus müssten die konkreten Auswirkungen der Entscheidung auf die spezifischen Kundenanlagen im Einzelfall geprüft werden. Anhaltspunkte hierfür werde insb. die nun vom BGH zu treffende Entscheidung bieten.

Daraus ist zu schließen, dass jedenfalls die BNetzA bis zum Vorliegen einer Entscheidung des BGH nicht aktiv werden wird. Ob die Behörde nach dem Vorliegen der BGH-Entscheidung reagieren wird, hängt auch nicht zuletzt davon ab, ob entsprechende Sachverhalte überhaupt in den Zuständigkeitsbereich der BNetzA fallen. So ist z. B. die für den Netzbetrieb erforderliche Genehmigung nicht bei der BNetzA, sondern bei der nach Landesrecht zuständigen Behörde zu beantragen.

Seitens der Landesregulierungsbehörden ist, soweit ersichtlich, noch keine Stellungnahme zum Urteil des EuGH erfolgt.

Reaktionen der Finanzbehörden

Für Stromlieferungen innerhalb einer Kundenanlage gelten Erleichterungen hinsichtlich der Stromsteuer (§ 1b StromStV). Die Finanzverwaltung hat sich bislang ebenfalls noch nicht dazu geäußert, wie die Regelungen künftig gehandhabt werden sollen.

Solange die rechtlichen Grundlagen im EnWG nicht geändert sind, dürfte für die Finanzverwaltung kein Handlungsbedarf bestehen.

Reaktionen der Branchenverbände

Soweit ersichtlich haben sich die maßgeblichen Branchenverbände aus der Energiewirtschaft, aus dem Umfeld der Contracting-Anbieter sowie der Wohnungswirtschaft noch nicht mit Empfehlungen an ihre Mitglieder gewandt.

Reaktionen der Netzbetreiber

Die Reaktionen der Netzbetreiber fallen, wie im Markt zu erkennen ist, höchst unterschiedlich aus. Einzelne Netzbetreiber verfahren weiter wie bisher und begründen das damit, dass § 3 Nr. 24 a) und b) EnWG noch immer geltendes Recht sei. Andere verweigern mit Verweis auf das Urteil den Netzanschluss als Kundenanlage. Eine einheitliche Praxis besteht offenbar nicht.

Auswirkungen auf bestehende Kundenanlagen

Einstufung als geschlossenes Verteilernetz

Die Betreiber bestehender Kundenanlagen sollten prüfen, ob und ggf. mit welchem Aufwand eine Einstufung als „geschlossenes Verteilernetz“ gemäß § 110 EnWG möglich ist. Die Voraussetzungen für die Einstufung als geschlossenes Verteilernetz sind relativ eng.

Es muss sich um ein Energieversorgungsnetz handeln, mit dem Energie in einem geografisch begrenzten Gebiet verteilt wird, wenn die Tätigkeiten oder Produktionsverfahren der Anschlussnutzer aus technischen oder sicherheitstechnischen Gründen verknüpft sind oder wenn in erster Linie Energie an den Netzeigentümer oder mit ihm verbundene Unternehmen verteilt wird.

Die Versorgung von Haushaltskunden steht einer Einstufung als geschlossenes Verteilernetz entgegen. Diese Variante wird für die wenigsten Betreiber in Betracht kommen.

Worst Case Betrachtung

Für Betreiber, denen der o. g. Weg nicht offen steht, wäre die Einstufung der Anlage als Elektrizitätsverteilernetz, soweit ersichtlich, der worst case. Neben den regulatorischen Anforderungen hat ein Netzbetreiber eine ganze Reihe energiewirtschaftlicher Pflichten zu erfüllen, die wirtschaftlich nicht umsetzbar sind. Es käme in Betracht, einen Netzbetreiber mit der Erfüllung dieser Pflichten zu betrauen, das Netz an einen anderen Netzbetreiber zu verpachten oder in das Netz des vorgelagerten Netzbetreibers zu integrieren, sofern dieser dazu bereit ist.

Auch für die Betreiber der vorgelagerten Netze bedeutet die Qualifikation als Kundenanlage erheblichen Zusatzaufwand, da alle diese Anlagen als nachgelagerte Verteilernetze zu behandeln sind.

Auswirkungen auf die Planung neuer Anlagen

Vor dem dargestellten Hintergrund kann derzeit kaum empfohlen werden, Energieanlagen als Kundenanlagen zu konzipieren. Im industriellen und gewerblichen Bereich wäre die Qualifikation als geschlossenes Verteilernetz zu prüfen. Sofern die Nutzung von PV-Anlagen im Vordergrund steht, wären Lösungen über Direktleitungen in Betracht zu ziehen. Ansonsten sind alle Konstellationen problematisch, die über die Versorgung einzelner Gebäude hinaus gehen.

Kritische Stellungnahme

Auch nach der Entscheidung des EuGH muss es einen Bereich von Versorgungsanlagen geben, die nicht der Regulierung unterliegen. Wo genau die Grenze zu regulierten Netzen verläuft oder verlaufen muss, ist derzeit offen. Eigenversorgungssachverhalte im verbraucher- und im unternehmerischen Bereich dürften angesichts der Begründung des EuGH als unproblematisch anzusehen sein. Auch spricht einiges dafür, dass die elektrische Infrastruktur „hinter dem Zähler“ innerhalb eines Wohngebäudes nicht als Verteilernetz anzusehen ist. Der Gesetzgeber ist gefordert, hier schnell Rechtssicherheit zu schaffen.