AdobeStock

Financial Due Diligence bei Akquisition eines Unternehmens im Maschinen- und Anlagenbau

03.12.2024 | 11 Minuten Lesezeit

Unternehmen des Maschinen- und Anlagenbaus stellen für Strategen wie auch Finanzinvestoren attraktive Übernahmeziele dar. Doch sollte dabei keine Investitionsentscheidung ohne Financial Due Diligence erfolgen.

Deutschland verfügt über zahlreiche Unternehmen des Maschinen- und Anlagenbaus, welche sich auf Basis ihrer Geschäftsmodelle über Jahrzehnte Wettbewerbsvorteile am Markt erarbeitet haben. Dabei handelt es sich oftmals um inhabergeführte mittelständische Unternehmen, deren Leitung seit Generationen durch die Gründerfamilie ausgeübt wird. Historisch haben viele Unternehmen aufgrund von Unique Selling Propositions sowie deren Kapitalintensität geschuldeten Markteintrittsbarrieren eine starke Marktpositionierung. Die Unternehmen sehen sich heute Herausforderungen ausgesetzt. Krisen zentraler Kundenbranchen (z. B. bei auf den Automobilsektor spezialisierten Maschinen- und Anlagenbauern) und steigende inländische Energie- und Personalkosten belasten die Produktion und deren Aufwendungen. Investitionen aufgrund von u. a. Digitalisierung und Transformation von Kundenbranchen werden erforderlich. Dennoch und gerade aufgrund des Wandels stellen Unternehmen des Maschinen- und Anlagenbaus sowohl für strategische als auch Finanzinvestoren attraktive Investitionsobjekte dar. Bevor ein verbindliches Angebot an den Verkäufer abgegeben werden kann, ist eine gründliche Untersuchung der Zielgesellschaft erforderlich. Die Besonderheiten des Geschäftsmodells sind dabei zu berücksichtigen.

Ausgangssituation

Aufgrund der kapitalintensiven Geschäftsmodelle und des damit verbundenen erhöhten Kapitalbedarfs sowie des Gedankens vieler Gründerfamilien, die Leitung des Unternehmens in den Händen der eigenen Nachkommen zu belassen, sind Beteiligungen im Maschinen- und Anlagenbau unter eingeschränkteren Bedingungen als bspw. im offenen Venture-Capital-Umfeld junger Start-Up-Unternehmen möglich. Dennoch ergeben sich Investitionsopportunitäten, z. B. bei Special Situations sowie als Minderheitsbeteiligungen.

Auch kommt es zu Verkäufen, sofern eine Übertragung auf Familienangehörige nicht in Betracht kommt. Da dabei regelmäßig der Gründergedanke nach Transaktionsschluss weiterhin im Unternehmen erhalten bleiben soll, kommt der gezielten Investorenauswahl eine erhöhte Bedeutung zu. Im Bereich der Transaktionsberatung ergibt sich dabei Beratungsbedarf auf Verkäufer- wie auch Käuferseite. Verkäuferseitig können Lösungen wie ein Financial Fact Book oder eine Vendor Due Diligence, welche neben der bloßen Darstellung des Zahlenmaterials auch einen würdigenden Charakter enthält, den Prozess unterstützen. Auf Käuferseite ist eine Financial Due Diligence, ggf. fokussiert auf wesentliche Teilgebiete durch einen Red Flag Ansatz, unabdingbar.

Der Maschinen- und Anlagenbau zeichnet sich dabei durch Besonderheiten der jeweiligen Geschäftsmodelle aus, welche sich auf die Due Diligence niederschlagen.

Diese werden nachfolgend exemplarisch aufgegriffen und erläutert.

Robustheit der Zahlen

Unternehmen des Maschinen- und Anlagenbaus weisen in der Regel eine hohe Bilanzsumme aufgrund von Investitionen in Fertigungsanlagen sowie das Working Capital auf. Werden Anzahlungen empfangen, kompensiert dies deren Kapitalbindung teilweise oder vollständig. Die am Markt abgesetzten Produkte führen zu signifikanten Umsätzen, da der Anteil der Wertschöpfung größenbedingt bzw. der Wert verbauter Komponenten hoch ist. Trotz voranschreitender Automatisierung ist ein erhöhter Personalbedarf weiterhin notwendig, um fertigungsbezogene, nicht rationalisierbare Aufgaben sowie verwaltungs-/vertriebsbezogene Tätigkeiten zu erbringen. Die Signifikanz der finanziellen Parameter hat zur Folge, dass inländische Gesellschaften des Maschinen- und Anlagenbaus im Regelfall größenbedingt der Prüfungspflicht unterliegen. Für potenzielle Investoren ist dies von Vorteil, da die Datenbasis eine höhere Zuverlässigkeit aufweist und z. B. bei Locked-Box-Transaktionen zum Abschlussstichtag auf eine gesonderte Prüfung für Transaktionszwecke verzichtet werden kann.

Aufgrund der Unternehmensgröße und der damit einhergehenden Prüfungspflicht sowie den Geschäftsanforderungen weisen die Unternehmen im Allgemeinen ein entwickelteres externes Rechnungswesen auf als kleinere Unternehmen. Dies ermöglicht neben einer detaillierteren Bilanz- sowie GuV-Analyse zudem verbesserte Auswertungen weiterer relevanter Due Diligence-Bereiche wie der Kunden- oder Lieferantenstruktur sowie des Auftragseingangs und des Auftragsbestands.

Die genannten Grundsätze gelten neben dem externen auch für das interne Rechnungswesen in Form einer Kosten- und Leistungsrechnung (KLR) mit den wesentlichen Bestandteilen Kostenarten-, Kostenstellen- sowie Kostenträgerrechnung. Diese bietet entscheidende Vorteile, um die Herstellungskosten nachvollziehen zu können. Bedingt durch die Besonderheiten der Branche wird im Maschinen- und Anlagenbau weniger mit klassischen Fertigungsgemeinkosten, sondern mit Maschinenstundenzuschlagssätzen gerechnet, um einer verursachungsgerechten Kostenverteilung gerecht zu werden. Hinsichtlich des Zeitbezugs können sowohl Vor-, Zwischen- wie auch Nachlaufkalkulationen eingeholt werden, um weiteres Analysepotenzial auszuschöpfen. Zusätzlich bieten historische Plan/Ist-Abweichungsanalysen die Möglichkeit, die Planungsgüte des Unternehmens zu validieren, um hierdurch Rückschlüsse auf einen der Transaktion zugrunde gelegten Business Plan zu ziehen. Weisen historische Planungsrechnungen einen wiederkehrend (zu) ambitionierten Charakter auf, sind ggf. Abschläge auf Planwachstumsraten bzw. -margen abzuleiten.

Viele Unternehmen bündeln die Geschäftstätigkeiten nicht in einem Unternehmen, sondern weisen eine Konzernstruktur auf. Im Rahmen der Transaktion werden deshalb oftmals ganze Unternehmensgruppen übernommen. In Bezug auf die Robustheit der Zahlen hat dies zur Folge, dass das jeweilige Mutterunternehmen neben einem Jahresabschluss auch zur Aufstellung eines Konzernabschlusses verpflichtet sein kann. Bei der Aufstellung des Konzernabschlusses kommen unter Umständen International Financial Reporting Standards (IFRS) zur Anwendung. Daraus ergeben sich wesentliche Unterschiede für die einzelnen Bilanzpositionen gegenüber der Bilanzierung nach HGB. So stellt das HGB den Gläubigerschutz in den Mittelpunkt der Betrachtung und die IFRS das „True-and-Fair-View-Prinzip“. Die Abweichungen zwischen IFRS und HGB sollten bei länderübergreifenden Transaktionen im Auge behalten werden, da eine Vielzahl ausländischer Accounting Standards eine Konvergenz zu den IFRS aufweist.

Segmentierung

Neben den für das Geschäftsmodell zentralen Maschinen- und Anlagenverkäufen werden Umsatzerlöse durch Ersatzteilverkäufe und Serviceleistungen generiert. Maschinen- und Anlagenverkäufe lassen sich dabei weiter in die Teilsegmente Standard- und Projekt- bzw. Spezialmaschinen unterteilen. Der Maschinen- und Anlagenbau lässt sich dabei in über 30 Teilsegmente fragmentieren (bspw. Werkzeugmaschinen, Mess- und Prüftechnik, Industrieöfen). Die verschiedenen Produktbereiche weisen regelmäßig unterschiedliche Rohertragsmargen auf und tragen nicht gleichermaßen zum bewertungsrelevanten Betriebsergebnis (i. d. R. EBITDA oder EBIT) bei. Einer Margenanalyse auf Segmentebene kommt daher im Rahmen einer Financial Due Diligence eine wesentliche Bedeutung zu. Eine Gegenüberstellung der Rohertragsmargen sowie des damit verbundenen Ergebnisbeitrags der einzelnen Segmente spielt eine bedeutende Rolle bei der Beurteilung der nachhaltigen Ertragskraft sowie der zukunftsgerichteten Profitabilität der einzelnen Segmente sowie letztlich des Gesamtunternehmens.

Standardmaschinen weisen regelmäßig geringere Margen als das kundenindividuelle Projektgeschäft auf, da der Markt für Standardmaschinen im Normalfall durch mehrere Wettbewerber bedient wird sowie Kernkompetenzen im Bereich der Projektmaschinen stärker fokussiert werden. Dies ist allerdings für spezielle Nischen des Maschinen-/Anlagenbaus differenziert zu betrachten, da es auch Anbieter von Standardmaschinen gelingt, vergleichsweise hohe Margen zu erzielen. Zu nennen sind hier insb. Hochtechnologiebereiche, wie Industrie 4.0 oder Internet-of-Things-Anbieter, welche innovative Lösungen wie „Predictive Maintenance“ beinhalten. Hierdurch werden neue Monetarisierungsopportunitäten mit hohem Margenpotenzial geboten.

Die Margen im Ersatzteil- und Servicegeschäft fallen durch „Lock-In-Effekte“ vergleichsweise höher aus als im eigentlichen Kernbereich der Maschinen- und Anlagenverkäufe. Diese sind dabei etwa viermal so hoch wie beim Bau von Neuanlagen. Aufgrund der unterschiedlichen Margenstruktur ist es im Hinblick auf den Business Plan essenziell, die Margen detailliert im Rahmen einer Financial Due Diligence zu analysieren und deren Nachhaltigkeit zu würdigen. Werden innerhalb des historischen Betrachtungszeitraums z. B. vergleichsweise hohe Margen durch das Projektgeschäft erzielt, gilt es festzustellen, ob weiterhin Projektaufträge akquiriert werden können, um das historische Niveau aufrechtzuerhalten. Hierzu bietet sich eine Order Backlog Analyse an, worauf nachfolgend noch eingegangen wird.

Kundenstruktur

Die Kundenstruktur im Maschinen- und Anlagenbau ist aufgrund des Umfangs und der Dauer der jeweiligen Projekte im Regelfall stark konzentriert. Bei größeren Aufträgen sind Projektlaufzeiten zwischen ein und drei Jahren keine Seltenheit. Da i. d. R. im Investitionsgüterbereich nicht im Jahresturnus durch die jeweiligen Kunden neue Anschaffungen getätigt werden, ist die hohe Kundenkonzentration des Weiteren stark rollierend. Die Top Kunden des historischen Untersuchungszeitraums können daher durch Wechsel gezeichnet sein. Abhängig ist dies vom jeweiligen Segment des Maschinen- und Anlagenbaus, da Standardmaschinen des Niedrigtechnologiesegments mit einem hohen Automatisierungsgrad des Herstellungsprozesses z. B. eine kürzere Durchlaufzeit besitzen als die Errichtung ganzer Motorenwerke im Automotivebereich. Als Faustregel gilt dabei, dass je länger die Produktion der Anlage bzw. Maschine ausfällt, desto ausgedehnter sich die rollierende Kundenstruktur entwickelt. Aufgrund der Langfristigkeit der Projekte und der damit verbundenen stark konzentrierten sowie rollierenden Kundenstruktur besteht zwangsläufig eine gewisse Abhängigkeit („Klumpeneffekt“), die im Rahmen der Financial Due Diligence im Mittelpunkt der Kundenanalyse stehen sollte.

Ferner ist zu unterscheiden, ob sich ein Maschinen-/ Anlagenbauer auf eine bestimmte Branche, wie z. B. den Automobilsektor, spezialisiert oder ein diversifiziertes Branchenportfolio aufweist. Ersteres führt zu einer hohen Kundenkonzentration und Branchenabhängigkeit (Stichwort Clusterrisiko). Das Geschäft des Maschinen-/Anlagenbauers ist untrennbar an die Branchenentwicklung gekoppelt und korreliert mit der Geschäftsentwicklung der eigenen Kunden, während ein Anbieter für unterschiedliche Kundengruppen die Schwächephase einer Branche durch das Wachstum anderer Branchen kompensieren kann. Eine Ausweitung der Kundenanalyse auf Branchenebene kann somit weitere wichtige Erkenntnisse für den potenziellen Investoren verschaffen.

Die Erweiterung der Europäischen Union verhalf dem deutschen Maschinen- und Anlagenbau zu einer zunehmenden Internationalisierung der eigenen Geschäftsmodelle. Darüber hinaus werden internationale Endmärkte auf der ganzen Welt bedient, da deutsche Maschinen- und Anlagenbauer aufgrund ihrer technologischen Kernkompetenzen im internationalen Umfeld wettbewerbsfähig sind. Dies gilt ungeachtet des zunehmenden Drucks neuer Anbieter und im Vergleich hoher inländischer Produktionskosten. Hierzu sollten im Rahmen der Due Diligence die Besonderheiten der jeweiligen Endmärkte evaluiert werden, da sich hierdurch länderspezifische Margenverschiebungen ergeben können. Zu nennen sind die Möglichkeit des Durchsetzens höherer Preise aufgrund eines Nachfrageüberhangs oder die Belastung von Margen durch erhöhte Provisionszahlungen an regionale Vertriebspartner.

Quality of Earnings

Der Bereinigung der historischen Ertragslage kommt im Rahmen der Kaufpreisfindung eine zentrale Bedeutung zu. Oft wird der Kaufpreis unter Anwendung eines Multiplikators auf das historische (bereinigte) EBIT/EBITDA ermittelt, weshalb die Herausarbeitung von „One-off-items“ in den Fokus der Financial Due Diligence rückt. Die grundlegende Vorgehensweise ist dabei für jede Branche vergleichbar, allerdings sind im Bereich des Maschinen- und Anlagenbaus branchenspezifische Effekte zu berücksichtigen.

Bereinigungspotenzial bieten dabei Anlaufkosten für neue Maschinenreihen, da diese nur in der jeweiligen Anfangsphase anfallen und somit als nicht wiederkehrend eingestuft werden. Ob es einer vollständigen Bereinigung oder einer Glättung über mehrere Perioden bedarf, ist fallabhängig zu würdigen.

Ebenfalls eine branchenspezifische Besonderheit stellt die Teilnahme an industriespezifischen Messen dar. Da der Turnus der Messeteilnahme im Regelfall nicht auf wiederkehrender jährlicher Basis erfolgt, kann eine Verteilung der Messekosten auf mehrere Geschäftsjahre des Betrachtungszeitraums zweckdienlich erscheinen.

Ferner zeichnet sich der Maschinen- und Anlagenbau durch eine Vielzahl von industriespezifischen sonstigen Rückstellungen, wie Rückstellungen für Maschinennachlaufkosten, Vertragsstrafen oder Provisionen, aus. Abhängig von der Güte der Rückstellungsbildung können Ergebnisverschiebungen auftreten, wenn Abgrenzungen in Vorperioden nicht in angemessener Höhe gebildet wurden. Im Rahmen der Due Diligence ist daher eine periodengerechte Zuordnung dieser Aufwendungen bzw. Erträge zu würdigen. Zudem bietet sich für Vertragsstrafen eine vollständige Bereinigung an, da es sich i. d. R. um keine wiederkehrenden Aufwendungen handelt.

Alternative Finanzierungsformen wie Leasing spielen eine größere Bedeutung zur Senkung der Kapitalbindung. Bilanziell ist hierbei zu eruieren, ob der Leasingnehmer, d. h. das Zielunternehmen, wirtschaftlicher Eigentümer des geleasten Vermögensgegenstandes geworden ist. Wird das wirtschaftliche Eigentum zugerechnet, erfolgt neben einer Aktivierung des geleasten Vermögensgegenstandes in der Bilanz des Leasingnehmers auch eine Passivierung der entsprechenden Leasingverbindlichkeit (sog. Finanzierungsleasing). Die Leasingzahlungen (Finanzaufwand) sowie die Abschreibungen auf die bilanzierte Anlage verlagern sich dabei auf eine Ebene unterhalb des EBITDA. Dies kann einen starken Effekt auf den Gesamtunternehmenswert besitzen, sollte eine Wertermittlung unter Anwendung eines Multiplikators auf das EBITDA erfolgen. Es ist deshalb eine Darstellung als Operating Leasing in Erwägung zu ziehen, wobei Leasingaufwendungen im sonstigen Aufwand oberhalb des EBITDA zu erfassen sind und eine Passivierung der entsprechenden Verbindlichkeit entfällt. Auf Käuferseite kann dies den Vorteil aufweisen, dass der multiplikatorbasierte Effekt den Kaufpreiseffekt, welcher durch die entfallende Abzugsposition als „Debt“ entsteht, übersteigt.

Completed Contract versus Percentage of Completion

Eine Besonderheit des HGB ist die zwingende Umsatzrealisierung nach der Completed Contract-Methode. Eine Umsatzrealisierung ist dementsprechend erst nach Gefahrenübergang möglich, weshalb unfertige Erzeugnisse erfolgsneutral in der Bilanz ausgewiesen werden. Aufgrund der teilweise langlaufenden Projekte kann es zu einer Periodenverschiebung der Ergebnisbeiträge kommen, da die bloße Aktivierung von unfertigen Erzeugnissen zunächst keinen Margenvorteil erzeugt. Den anfallenden Herstellungskosten stehen dabei (positive) Bestandsveränderungen in korrespondierender Höhe gegenüber.

Eine anderweitige Bilanzierung erfolgt durch die Percentage of Completion-Methode (PoC-Methode) nach IFRS. Diese ermöglicht eine Umsatzrealisierung anhand bestimmter Projektmeilensteine, wodurch ein realistischeres Bild der Vermögens- und Ertragslage vermittelt werden soll („True-and-Fair-View“). Im Rahmen der Financial Due Diligence kann der Bedarf bestehen, eine Überleitung der Completed Contract- auf die PoC-Methode durchzuführen, um ein nachhaltiges Bild der Ertragslage abzuleiten.

Net Working Capital

Das Net Working Capital (NWC) im engeren Sinne bestimmt sich als Forderungen aus Lieferungen und Leistungen abzüglich der Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen zuzüglich des Vorratsvermögens. Wird der Begriff im weiteren Sinne untersucht, werden weitere Bilanzpositionen, wie aktive und passive Rechnungsabgrenzungsposten oder sonstige Rückstellungen, hinzu- bzw. abgerechnet. Diese müssen im Zusammenhang mit dem operativen Geschäftsbetrieb stehen. Im Zuge der Kaufpreisfindung kommt dem NWC zum Bilanzstichtag sowie dem historischen Referenz Working Capital eine hohe Bedeutung im Rahmen einer Cash- and Debt-free Betrachtung zu. Eine Vielzahl der für das NWC relevanten Bilanzpositionen ist branchenübergreifend gleich, wobei im Maschinen- und Anlagenbau wiederum industriespezifische Besonderheiten einschlägig sind, welche nachfolgend beleuchtet werden.

Zur Gewährleistung der betrieblichen Liquidität werden aufgrund der langlaufenden Projekte meilensteinabhängige Anzahlungen mit den jeweiligen Debitoren vereinbart. Häufig werden diese Zahlungsmitteleingänge im Rahmen bilanzpolitischer Maßnahmen offen von den Vorräten abgesetzt, um eine Absenkung der Fremdkapitalquote zu erzielen. Ein besonders vorteilhaftes Cash Management ist daran zu erkennen, dass Anzahlungen den Anarbeitungsstand der unfertigen Erzeugnisse übersteigen.

Werden Montagen für ausgelieferte Anlagen- und Maschinen erst nach dem Bilanzstichtag erbracht und wurde die Maschine bereits im alten Jahr fakturiert, erfolgt ein Ausweis als passiver Rechnungsabgrenzungsposten für den noch offenen Leistungsanteil. Da die Umsätze dem operativen Geschäftsbetrieb geschuldet sind, erfolgt ein zweckdienlicher Ausweis innerhalb des NWC.

Im Bereich der sonstigen Rückstellungen wird des Weiteren branchenspezifischen Sachverhalten wie Nachlaufkosten für Maschinen oder Provisionszahlungen Rechnung getragen. Rückstellungen für Nachlaufkosten werden gebildet, wenn Fakturierung und maschinenbezogene Nachlaufkosten auf unterschiedliche Perioden entfallen. Den Instrumenten der mit- sowie nachlaufenden Zuschlagskalkulation kommen dabei erhöhte Bedeutung zu. Soweit es sich um operativ bedingte Aufwendungen ohne Normalisierungscharakter handelt, erfolgt eine Zuordnung zum NWC.

Provisionszahlungen sind im Regelfall ebenfalls dem Geschäftsmodell des Unternehmens geschuldet, da in regionalen Märkten oft von einem Direktvertrieb abgesehen und auf lokale Handelsvertreter zurückgegriffen wird. Sollte außerordentlicher Aufwand in Zusammenhang mit Provisionszahlungen identifiziert werden (bspw. Einmalzahlung für die Akquisition neuer Kunden), welcher im Rahmen der Quality of Earnings Analyse angepasst wird, erscheint eine Berücksichtigung offener Verpflichtungen in den Nettofinanzverbindlichkeiten sachdienlich. Dies ist damit zu begründen, dass sich im Rahmen der Equity Bridge die Normalisierung werterhöhend auswirkt.

Über die Zuordnung einzelner Vermögensgegenstände und Schulden hinaus, sollte insb. in Krisen eine kritische Betrachtung des Vorratsvermögens auf dessen Werthaltigkeit erfolgen. In diesem Zusammenhang beachtenswert sind aktivierte Leerkosten, welche den unfertigen Erzeugnissen im Rahmen von Gemeinkostenzuschlägen hinzugerechnet werden, ohne dass hierfür eine wirtschaftliche Rechtfertigung besteht.

Neben den industriespezifischen Besonderheiten gilt es festzuhalten, dass Unternehmen des Maschinen- und Anlagenbaus i. d. R. bereits seit vielen Jahrzehnten am Markt tätig sind und die Unternehmen dadurch in einem „eingeschwungenen“ Zustand operieren. Im Vergleich zu jungen Start-Up-Unternehmen, für welche z. B. ein angepasstes Target Working Capital als Referenz Working Capital herangezogen werden kann, erscheint eine Ermittlung auf Basis eines historischen Durchschnitts als sachdienlich.

Finanzierungsstruktur/Net Debt

Korrespondierend zu einem Working Capital Adjustment kommt den Nettofinanzverbindlichkeiten (Net Debt) im Rahmen der Kaufpreisüberleitung mittels einer Equity Bridge eine zentrale Bedeutung zu. Kriterium der einzelnen Net Debt-Bestandteile ist dabei ihr Finanzierungscharakter. Die Finanzierungsstruktur ist im Allgemeinen durch das kapitalintensive Geschäftsmodell geprägt. Eine Vielzahl von mittelständischen Unternehmen finanziert sich dabei neben erhaltenen Anzahlungen über Bankdarlehen.

Als unmittelbare Produktionsfaktoren sind die Investitionsgüter für die jeweiligen Kunden zudem zur Aufrechterhaltung bzw. zum Ausbau des eigenen Produktionsbetriebs unabdingbar. Eine verzögerte Fertigstellung der Maschinen oder Anlagen kann daher im Einzelfall empfindliche Vertragsstrafen bewirken. Da Vertragsstrafen im Regelfall Bereinigungspotenzial aufgrund des nicht wiederkehrenden Aufwandscharakters besitzen, ist eine korrespondierende Zuordnung zum Net Debt (und nicht zum Working Capital) vorzunehmen.

Erhaltene Anzahlungen sind darüber hinaus meist ein strittiges Thema der Vertragsverhandlungen. Grundsätzlich sind diese dem Geschäftsmodell geschuldet und finden daher nur indirekt über den Differenzbetrag zum Stichtags-Working Capital Eingang in die Kaufpreisermittlung. Sollten diese allerdings eine besonders hohe Fristigkeit aufweisen oder für einmalige Projekte geleistet werden, kommt ebenfalls eine Zuordnung zu den Nettofinanzverbindlichkeiten in Betracht.

Order Backlog-Analyse

Neben den genannten Analysen haben im Bereich des Maschinen- und Anlagenbaus auch Auswertungen einen hohen Informationswert, deren Untersuchungsgegenstand sich noch nicht unmittelbar auf die Bilanz oder die Gewinn- und Verlustrechnung niedergeschlagen hat. So ist die Durchsicht des aktuellen Auftragseingangsbuchs meist unabdingbarer Bestandteil einer Financial Due Diligence, da sich hierdurch wesentliche Rückschlüsse auf die Erreichbarkeit des Business Plans ergeben. Diese Validierung ist dabei i. d. R. aufgrund der Langläufigkeit der Projekte vergleichsweise einfach möglich, da die hierdurch generierten zukünftigen Umsätze meist einen wesentlichen Teil des Planungshorizonts abdecken.