Bundesverfassungsgericht stärkt Tarifautonomie

21.02.2025 | 2 Minuten Lesezeit

Mit dem am 19.02.2025 veröffentlichen Beschluss vom 11.12.2024 (Az. 1 BvR 1109/21 und 1 BvR 1422/23), entschied das Bundesverfassungsgericht, dass unregelmäßige Nachtarbeit im Gegensatz zu geplanter Schichtarbeit bei Nacht mit einem höheren Zuschlag vergütet werden kann. Die zwei vorinstanzlichen BAG-Urteile wurden aufgehoben und an das BAG zurückverwiesen.

In den streitbefangenen Tarifverträgen sind jeweils die Nachtarbeit und Nachtschichtarbeit unterschiedlich geregelt und werden dementsprechend auch nicht gleich vergütet. Für Nachtarbeit ist ein Zuschlag von 50 % vorgesehen, für Nachtschichtarbeit lediglich ein Zuschlag von 25 %. Die Differenzierung beruht auf der Überlegung, dass die unregelmäßige Nachtarbeit mangels Planbarkeit noch belastender für die betroffenen Arbeitnehmer sei. Außerdem gebe es bei regelmäßigen und damit planbaren Nachtschichten zusätzliche Vergünstigungen, bspw. freie Tage als Ausgleich.

Das BAG vertrat die Auffassung, dass diese Differenzierung gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstößt, da beide Zuschlagstatbestände an die Arbeitsleistung anknüpften und für eine Ungleichbehandlung insoweit kein sachlicher Grund vorliege. Auf der Rechtsfolgenseite forderte das BAG eine "Anpassung nach oben". Dies hätte zur Folge gehabt, dass für die zuschlagstechnisch benachteiligte Nachtschichtarbeit rückwirkend auch die (höheren) Nachtarbeitszuschläge zu zahlen gewesen wären.

Das BVerfG erteilte dieser Auffassung des BAG eine Absage. Nach Rechtsauffassung des BVerfG liegt in dem Umstand, dass das BAG den Arbeitnehmern in der Nachtschichtarbeit ebenfalls 50 % statt nur 25 % Zuschlag zugesprochen hat, eine Verletzung der Tarifautonomie aus Art. 9 Abs. 3, S. 1 GG zu Lasten des Arbeitgebers.

Zwar seien Tarifvertragsparteien bei der Vereinbarung verbindlicher Tarifnormen an den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG gebunden. Um die grundsätzlich autonome Aushandlung der Tarifregelungen zu wahren, beschränkt sich die richterliche Kontrolldichte laut BVerfG jedoch auf eine Willkürkontrolle. Das BAG habe diesen Kontrollmaßstab verletzt. Laut BVerfG bestehen sachliche Gründe für die Differenzierung zwischen Nachtarbeit und Nachtschichtarbeit. Diese lägen insbesondere in den unterschiedlichen sozialen Belastungen in Folge der unterschiedlichen Planbarkeit der Arbeitszeiten, dem Aspekt der Verteuerung von Nachtarbeit für den Arbeitgeber sowie der Erwägung, dass die Beschäftigten durch den erhöhten Zuschlag zur Erbringung von Nachtarbeit motiviert werden können.

Nach Auffassung des BVerfG war die Entscheidung des BAG auch auf Rechtsfolgenseite, wonach eine "Anpassung nach oben" vorzunehmen sei, verfassungsrechtlich fehlerhaft. So sei der primären Korrekturkompetenz der Tarifvertragsparteien nicht hinreichend Rechnung getragen worden. Insbesondere sei das quantitative Verhältnis zu berücksichtigen. Die unregelmäßige, ungeplante Nachtarbeit komme nur in Ausnahmefällen vor, während die Nachtschichtarbeit sehr viel verbreiteter sei. Selbst wenn die unterschiedlichen Regelungen den Gleichheitsgrundsatz verletzen würden, hätten die Tarifvertragsparteien immer noch eine von der Tarifautonomie geschützte Korrekturkompetenz hinsichtlich Auswahl der Mittel und Wege. Daraus folgt, dass die Tarifvertragsparteien Gelegenheit hätten bekommen müssen, selbst eine neue Lösung zu finden, um den festgestellten Gleichheitssatzverstoß zu korrigieren.