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Digitalisierungsrichtlinie II im Amtsblatt der EU veröffentlicht
Die sog. Änderungsrichtlinie (EU) 2025/25 zur Ausweitung und Optimierung des Einsatzes digitaler Werkzeuge und Verfahren im Gesellschaftsrecht, sog. Digitalisierungsrichtlinie II, wurde am 10.01.2025 im Amtsblatt der EU veröffentlicht. Sie tritt am 30.01.2025 in Kraft. Die EU-Mitgliedstaaten haben nun bis zum 31.07.2027 Zeit, die erforderlichen Vorschriften umzusetzen, die dann ab dem 31.07.2028 zur Anwendung kommen sollen.
Die Digitalisierungsrichtlinie II zielt darauf ab, grenzüberschreitende Unternehmenstätigkeiten durch Entbürokratisierung, Vernetzung und Vereinheitlichung von Unternehmensregistern zu erleichtern. Durch eine Reduzierung von Formalitäten und Harmonisierung unternehmensbezogener Prozesse sollen Transaktionskosten gesenkt sowie Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung erschwert werden.
Europaweite öffentliche Präventivkontrolle
In Deutschland lassen sich Informationen über deutsche Unternehmen dem Handelsregister entnehmen. Registergerichte und Notare überprüfen die Daten und gewährleisten im Rahmen dieser öffentlichen Präventivkontrolle deren Verlässlichkeit. Eine zentrale Neuerung durch die Digitalisierungsrichtlinie II ist die verstärkte EU-weite öffentliche Präventivkontrolle. Hierdurch stellen die Notare, Gerichte und Behörden verlässliche Daten bereit und überwachen diese. So nehmen künftig auch Notare eine zentrale Rolle in der Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung ein.
Weiter sind künftig bei Gesellschaften zwingend der Gründungsakt, Satzungsänderungen und Einlagenleistungen anhand einer detaillierten Rechtmäßigkeitskontrolle und nicht mehr nur durch Evidenzkontrolle zu prüfen. Bisher waren lediglich Kapitalgesellschaften der Gesellschaftsrechtsrichtlinie erfasst. Die Digitalisierungsrichtlinie II bezieht nun erstmals auch Personenhandelsgesellschaften in den Anwendungsbereich ein. Auch sie sollen künftig der öffentlichen Präventivkontrolle unterliegen. Allerdings ist eine Öffnungsklausel zugunsten des nationalen Rechts der Mitgliedstaaten vorgesehen, wonach bei Personenhandelsgesellschaften nur die Gründungsdokumente kontrolliert werden sollen, die nach nationalem Recht beim Handelsregister einzureichen sind.
Hinweis: In Deutschland müssen Gesellschaftsverträge einer OHG oder KG nicht schriftlich abgeschlossen und auch nicht beim Handelsregister eingereicht werden. Insofern ist die Präventivkontrolle bei diesen Gesellschaftsformen eingeschränkt. Die EU-Kommission möchte jedoch langfristig prüfen, ob sich diese Öffnungsklausel bewährt oder ob hierdurch die Ziele der öffentlichen Präventivkontrolle, insbesondere die Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung, gefährdet werden.
Die Digitalisierungsrichtlinie I hat die Präventivkontrolle mit Blick auf Online-Verfahren harmonisiert. Nunmehr werden diese Regelungen mit der Digitalisierungsrichtlinie II auch auf analoge Präsenzverfahren der Registrierung übertragen, so dass dann eine umfassende, mindestharmonisierte Präventivkontrolle des europäischen Gesellschaftsrechts besteht.
Once-Only-Prinzip
Indem die Präventivkontrolle von Unternehmensdaten europaweit vereinheitlicht wird, können künftig Registerinformationen und Urkunden aus anderen Mitgliedstaaten einfacher verwendet werden. Dazu sind die Register der Mitgliedstaaten zu verbinden, um die darin enthaltenen Informationen unionsweit zugänglich zu machen. Zwar bestehen bereits Systeme zur Vernetzung der nationalen Handels-, Transparenz- und Insolvenzregister. Durch die Digitalisierungsrichtlinie II sollen nun aber alle Register mit unternehmensbezogenen Informationen an einem Ort abrufbar sein. Einzelheiten werden in einem Durchführungsrechtsakt geregelt.
Diese Registervernetzung wird durch das sogenannte Once-Only-Prinzip ergänzt. Wer in einem anderen Mitgliedstaat eine Tochtergesellschaft oder eine Zweigniederlassung gründet, muss nach diesem Once-Only-Prinzip keine Unterlagen mehr vorlegen, die bereits im Register des Heimatstaates vorhanden sind. Vielmehr soll künftig die jeweilige Stelle die Information unmittelbar über das System der Registervernetzung oder durch unmittelbaren Zugriff auf das ausländische Register abrufen können.
Verfahrensvereinfachungen
Der für ausländische Dokumente erforderliche Echtheitsnachweis wird durch die Digitalisierungsrichtlinie II vereinfacht. So sollen Dokumente aus einem anderen Mitgliedstaat nicht erst nach der Legalisation oder dem Anbringen einer Apostille verwendet werden können. Künftig soll ein vereinfachter Echtheitsnachweis genügen, wonach bei elektronischen Dokumenten eine Authentifizierung nach der eIDAS-Verordnung ausreicht. Bei Dokumenten in Papierform ist das Ausstellungsdatum, ein Siegel oder Stempel und eine Protokoll- oder Kennnummer erforderlich, die die elektronische Überprüfung ermöglicht.
Auch wird das Übersetzungserfordernis für Unternehmensinformationen auf ein Mindestmaß beschränkt. Sofern sich der Bedeutungsgehalt aus einem standardisierten Nachrichtenformat ergibt, wie das regelmäßig bei über das System der Registervernetzung abrufbaren Registerinformationen der Fall ist, dürfen Behörden im Normalfall keine Übersetzung mehr verlangen. Letztlich sollen dadurch Registerinformationen und Urkunden aus einem anderen Mitgliedstaat nach Möglichkeit wie inländische Urkunden behandelt werden können.
EU-Gesellschaftsbescheinigung
Künftig wird eine EU-Gesellschaftsbescheinigung von dem Register des Mitgliedstaates ausgestellt, in dem die Gesellschaft gegründet wurde. Darin enthalten sind die wichtigsten Informationen über ein Unternehmen. Sie ist kostenlos, in allen EU-Sprachen sowie digital verfügbar und ersetzt nationale Registerauszüge (sowie den damit verbundenen Übersetzungen und Beglaubigungen). Die EU-Gesellschaftsbescheinigung muss in allen anderen Mitgliedstaaten als "ausreichender Nachweis" (sufficient evidence) akzeptiert werden. In der Regel dürfen für die darin enthaltenen Informationen keine weiteren Nachweise verlangt werden. Die Richtigkeit der in der EU-Gesellschaftsbescheinigung enthaltenen Informationen wird - vorbehaltlich deren Widerlegung - vermutet.
Digitale EU-Vollmacht
Zusätzlich ist in der Digitalisierungsrichtlinie II die digitale EU-Vollmacht vorgesehen. Die EU-Vollmacht dient als in allen grenzüberschreitenden, gesellschaftsrechtlichen Angelegenheiten geltender Nachweis der Vertretungsmacht. Die EU-Mitgliedstaaten müssen bei der Ausstellung der Vollmacht zumindest die Identität, Rechts- und Geschäftsfähigkeit des Vollmachtgebers sowie dessen Vertretungsbefugnis überprüfen. Zudem muss die Vollmacht im Handels- und Unternehmensregister hinterlegt werden.
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