
Vorlage zum EuGH: Geschäftsführerhaftung für gegen das Unternehmen verhängte Kartellbußgelder
Der BGH hat den EuGH um Klärung gebeten, ob Unternehmen ihre Geschäftsführer für Kartellbußgelder in Regress nehmen können. Dies könnte den Zweck der gegen Unternehmen verhängten Verbandsbußgelder unterlaufen, deutet der BGH an und zieht eine Parallele zum Steuerrecht.
Geschäftsführer und Vorstand müssen bei ihrer Geschäftsführung die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters walten lassen, § 43 Abs. 1 GmbHG und § 93 Abs. 1 Satz 1 AktG. Im Falle einer schuldhaften Pflichtverletzung, etwa eines Kartellrechtsverstoßes, sind sie zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet, § 43 Abs. 2 GmbHG, § 93 Abs. 2 Satz 1 AktG.
Hingegen ist umstritten, ob ein gegen das Unternehmen verhängtes Kartellbußgeld im Rahmen des Innenregresses von der Geschäftsleitung zu erstatten ist. Dies wird teilweise bejaht, wenn ein vom Leitungsorgan verschuldeter Kartellrechtsverstoß ursächlich für das verhängte Bußgeld war, sodass das Bußgeld auch einen Schaden i. d. S. darstellt. Nach anderer Auffassung überlagert das Kartellbußgeldrecht sowie Sinn und Zweck der Verbandsbuße als Sanktionierung den gesellschaftsrechtlichen Innenregress.
Im Streitfall hatte sich ein Geschäftsführer einer GmbH, der zugleich auch Vorstandsvorsitzender einer AG aus derselben Unternehmensgruppe war, an einem verbotenen Preiskartell beteiligt (Art. 101 AEUV). Daraufhin verhängte das Bundeskartellamt Bußgelder gegen die GmbH und gegen den Geschäftsführer persönlich. Die GmbH verlangt nun von ihrem ehemaligen Geschäftsführer die Erstattung des Bußgelds und die AG den Ersatz der zur Abwehr des Bußgelds entstandenen IT- und Anwaltskosten.
In den Vorinstanzen wurde die Auffassung vertreten, dass eine den Innenregress ausschließende teleologische Reduktion der §§ 43 Abs. 2 GmbHG und § 93 Abs. 2 Satz 1 AktG vorzunehmen sei, weil durch die Unternehmensgeldbuße gerade das Vermögen der Gesellschaft nachhaltig getroffen werden solle. Dies ist laut BGH umstritten.
Der BGH bejaht zwar dem Grunde nach einen Innenregress bei Unternehmensgeldbußen, allerdings könnten kartellrechtliche Besonderheiten ein Abweichen von diesem Ergebnis bewirken. Für die Beantwortung der Frage sei insb. erheblich, ob das Unionsrecht eine einschränkende Auslegung des § 43 Abs. 2 GmbHG und § 93 Abs. 2 Satz 1 AktG gebietet, weswegen der BGH die Frage dem EuGH mit Vorlagebeschluss vom 11.02.2025 (Az. KZR 74/23) zur Vorabentscheidung vorlegte. Demnach könnte eine vollständige oder teilweise Entlastung die unionsrechtlich gebotene Abschreckungsfunktion vor künftigen Wettbewerbsrechtsverletzungen beeinträchtigen. Nun soll der EuGH Klarheit schaffen.
Hinweis: Der BGH zieht vorausschauend eine Parallele zum Steuerrecht. So habe der EuGH bereits zu erkennen gegeben, dass eine Geldbuße sehr viel von ihrer Wirksamkeit einbüßen kann, wenn das betroffene Unternehmen berechtigt wäre, sie auch nur teilweise steuerlich abzusetzen. In Anbetracht dessen sei es wahrscheinlich, dass aus dieser Position des EuGH auch eine einschränkende Auslegung der Haftungstatbestände von Geschäftsleitern folgt, da sonst der Zweck der kartellrechtlichen Geldbuße maßgeblich beeinträchtigt sei.
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