Werbung mit „hautfreundlichem“ Desinfektionsmittel ist irreführend
Der EuGH hat mit Urteil vom 20.06.2024 (Az. C-296/23) entschieden, dass ein Desinfektionsmittel nicht als „hautfreundlich" beworben werden darf. Die Angabe sei geeignet, die schädlichen Wirkungen von Biozidprodukten für die Gesundheit von Mensch oder Tier oder auf die Umwelt zu verharmlosen, indem sie die Erwähnung jeglicher Risiken vermeide und sogar den Eindruck erwecken könne, für die Haut einen positiven Nutzen zu haben.
Eine große Drogeriemarktkette verkaufte ein Desinfektionsmittel, das u. a. in der Produktbezeichnung als „hautfreundlich" bezeichnet wurde. Hierin erblickte die Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs e. V. (ZBUW) einen Verstoß gegen das Irreführungsverbot aus Art. 72 Abs. 3 der Verordnung (EU) 528/2012 (im Folgenden: Biozid-VO). Nach S. 2 dieser Vorschrift darf die Werbung für ein Biozidprodukt, wie es das Desinfektionsmittel sei, auf keinen Fall die Angaben „Biozidprodukt mit niedrigem Risikopotenzial“, „ungiftig“, „unschädlich“, „natürlich“, „umweltfreundlich“, „tierfreundlich" oder ähnliche Hinweise enthalten. Die ZBUW sah in der Angabe „hautfreundlich" einen ähnlichen Hinweis im Sinne der Vorschrift. Der Rechtstreit über die Auslegung des Begriffes „ähnliche Hinweise" landete schließlich vor den BGH, der dem EuGH die strittige Rechtsfrage zur Vorabentscheidung vorlegte.
Auffassung des BGH
Der BGH tendierte dazu, die Gemeinsamkeit der in Art. 72 Abs. 3 S. 2 der Biozid-VO aufgeführten Begriffe darin zu sehen, dass diese neben deren verharmlosenden Gehalt auch einen pauschalisierenden bzw. allgemeinen Charakter aufwiesen und der Begriff „ähnliche Hinweise" anhand dieses generalisierenden Merkmals zu bestimmen sei. Demgegenüber handele es sich bei der Angabe „hautfreundlich" um einen Begriff, der die Wirkung des Produkts auf das spezifische Organ der Haut beschreibe. Solche spezifischen, substantiierten Hinweise lieferten dem Verbraucher unter Umständen wertvolle und nützliche Informationen. Da der Durchschnittsverbraucher die Angabe „hautfreundlich" nur als eine Relativierung ihrer schädlichen Nebenwirkung verstehe und diesen nicht weniger kritisch in Bezug auf den Einsatz des fraglichen Produkts mache, werden die schädlichen Nebenwirkungen von Bioziden gerade nicht negiert, sodass die Bezeichnung kein „ähnlicher Hinweis" im Sinne der Vorschrift sei. Abweichende Auffassung des EuGH
Der EuGH legte jedoch eine andere Auslegung zugrunde. So komme es für die Beurteilung einer Angabe als „ähnlicher Hinweis" nicht darauf an, ob diese allgemeiner oder spezifischer Natur sei. Vielmehr sei der Begriff „ähnliche Hinweise" im Sinne dieser Bestimmung dahin auszulegen, dass er jeden Hinweis in der Werbung für Biozidprodukten umfasst, der — wie die in Art. 72 Abs. 3 S. 2 Biozid-VO genannten Angaben — diese Produkte in einer Art und Weise darstelle, die hinsichtlich der Risiken dieser Produkte für die Gesundheit von Mensch und Tier oder für die Umwelt oder ihrer Wirksamkeit irreführend ist, indem er diese Risiken verharmlost oder sogar negiert, ohne jedoch zwingend allgemeinen Charakter zu haben. Darin liege die Gemeinsamkeit der aufgezählten Angaben. Daher sei die verwendete Angabe „hautfreundlich" irreführend im Sinne von Art. 72 Abs. 3 Biozid-VO, so dass das Verbot ihrer Verwendung in der Werbung für das in Frage stehende Desinfektionsmittel gerechtfertigt sei.
Die Entscheidung des EuGH schafft Klarheit für die Hersteller und Unternehmen, die im Bereich von Biozidprodukten tätig sind und diese bewerben. Das Ergebnis des Vorabentscheidungsverfahrens und die Auslegung durch den EuGH hat der BGH nun in seinem Urteil zugrunde zu legen.
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