Vergaberechtsreform
Hintergrund
Der Entwurf des VergRTransfG ist ein Teil von insgesamt vier Entwürfen des sog. Vergabetransformationspakets, das als Umsetzungsmaßnahme des Koalitionsvertrags und der „Wachstumsinitiative – neue wirtschaftliche Dynamik für Deutschland“ der bisherigen Ampel-Koalition auf den Weg gebracht wurde. Dadurch sollen die öffentlichen Vergabeverfahren einfacher, schneller und flexibler sowie die öffentliche Beschaffung wirtschaftlich, sozial, ökologisch und innovativ ausgerichtet werden, damit Auftraggeber und Auftragnehmer entlastet werden und sich Unternehmen wieder stärker um öffentliche Aufträge bewerben.
Der Entwurf des VergRTransfG bezieht sich auf diejenigen Auftragswerte, ab denen öffentliche Auftraggeber Leistungen europaweit ausschreiben müssen und beinhaltet im Wesentlichen die Änderung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) und der Vergabeverordnungen (VgV, SektVO, KonzVgV, VSVgV).
Zusätzlich sind eine Neufassung der Unterschwellenvergabeordnung (UVgO) und weitere Folgeänderungen als Maßnahmen des Vergabetransformationspakets geplant.
Nachfolgend werden die wesentlichen Maßnahmen und Änderungen des Vergabetransformationspakets dargestellt.
Maßnahmen zur Vereinfachung und zum Abbau von Bürokratie
- Flexibilisierung des sog. Losgrundsatzes, wodurch die Pflicht der Auftraggeber, eine Leistung, die aus mehreren Teilen besteht, in der Menge aufzuteilen (Teillose) und getrennt nach Art oder Fachgebiet (Fachlose) zu vergeben, durch eine Erweiterung der Abweichungsmöglichkeiten angepasst werden soll (§ 97 GWB; § 22 UVgO)
- Erleichterungen in der Leistungsbeschreibung (§ 121 GWB, § 23 UVgO)
- Vereinfachungen bezüglich der Eignungskriterien und Nachweispflichten
- durch Stärkung des Grundsatzes der Eigenerklärungen und der Vorlage von Nachweisen nur noch von aussichtsreichen Bewerbern oder Bietern(§ 122 GWB; § 48 VgV; §§ 33, 35 UVgO)
- durch einen vereinfachten Wertungsvorgang (Angebotsprüfung vor Eignungsprüfung in offenen Verfahren, § 42 VgV; § 31 UVgO)
- zudem durch die Einführung eines „Once Only Light“-Prinzips, wonach Auftraggeber auf die Eignungsprüfung von Unternehmen verzichten können, wenn die Eignung innerhalb des vorangegangenen Jahres bei vergleichbaren Aufträgen festgestellt wurde (§ 35 UVgO)
- Höhere EU-Schwellenwerte für Bundesoberbehörden (§ 106 GWB)
- Substantielle Erhöhung der allgemeinen Direktauftragswertgrenze auf 15.000 Euro (§ 14 UVgO)
Maßnahmen zur Beschleunigung und Digitalisierung
- Weitergehende Nutzung von Verlinkungen in elektronischen Bekanntmachungen und von E-Mails in Vergabeverfahren (§ 122 GWB; § 7 UVgO)
- Elektronische Form bei Nachprüfanträgen (§ 161 GWB) und elektronische Übermittlung von bzw. Einsicht in Akten (§§ 163, 165, 172 GWB) sowie virtuelle Durchführung von mündlichen Verhandlungen (§§ 166, 175 GWB)
- Entscheidung nach Aktenlage (§ 166 GWB) und Begrenzung des Entscheidungszeitraums der Vergabekammern (§ 167 GWB)
- Neue Möglichkeit der Direktauftragsvergabe bis 50.000 Euro auf Online-Marktplätzen (§ 14a UVgO)
- Datenservice Öffentlicher Einkauf als zentrale Bekanntmachungsplattform in der Ober- und Unterschwelle (§ 7 UVgO)
Maßnahmen für den Mittelstand und zur Stärkung von Start-ups und Innovation in der öffentlichen Beschaffung
- Auftraggeber sollen Auftragnehmer verpflichten, bei der Erteilung von Unteraufträgen mittelständische Interessen besonders zu berücksichtigen (§ 97 GWB, § 22 UVgO)
- Für KMU und junge Unternehmen:
- Berücksichtigung ihrer Umstände bei Eignungskriterien und -nachweisen (§ 42 VgV; § 33 UVgO);
- regelmäßige Angebotsaufforderung in Verfahren ohne Teilnahmewettbewerb (§ 17 VgV; §§ 11, 12 UVgO);
- Vereinbarung geeigneter Zahlungsmodalitäten in den Vertragsunterlagen (§ 29 VgV; § 21 UVgO)
- Zur Stärkung der Innovation neue Möglichkeit der Direktauftragsvergabe bis 100.000 Euro Auftragswert für innovative Leistungen an Start-Ups und gemeinwohlorientierte Unternehmen (§ 14b UVgO)
- Junges Alter eines Unternehmens kann als „berechtigter Grund“ für Vorlage alternativer Nachweise (§ 45 VgV, § 35 UVgO) angeführt werden
Maßnahmen im Sinne einer sozial- und umweltbezogen nachhaltigen Beschaffung
- Einführung einer neuen Zentralnorm in § 120a GWB und § 22a UVgO, die ein dreistufiges Konzept mit verbindlichen und gleichzeitig flexiblen Vorgaben vorsehen, um soziale und umweltbezogene Aspekte im Vergabeverfahren zu berücksichtigen
- Einführung einer allgemeinen Soll-Vorgabe, durch die mindestens ein soziales oder umweltbezogenes Kriterium bei der Leistungsbeschreibung oder auf einer anderen Verfahrensstufe berücksichtigt werden soll
- Zudem Einführung einer „Nachhaltigkeitsliste“ mit besonders für die sozial und umweltbezogen nachhaltige Beschaffung geeigneten Beschaffungsgegenständen; die Berücksichtigung eines sozialen bzw. umweltbezogenen Kriteriums wird bei der Beschaffung dieser Leistungen verpflichtend
- Daneben soll eine „Negativliste“ mit Gegenständen, die nicht beschafft werden dürfen, eingeführt werden
Fazit
Die Reform des Vergaberechts bietet die Chance, dass öffentliche Aufträge wieder attraktiver für die deutsche Wirtschaft werden und der Wettbewerb gestärkt wird. Insb. können Unternehmen, die soziale und nachhaltige Produkte und Dienstleistungen anbieten, von der Reform und damit von der stärkeren und verbindlicheren Berücksichtigung von sozial-ökologischen Kriterien profitieren und einen Wettbewerbsvorteil erlangen. Denn mit einem jährlichen Auftragsvolumen im unteren dreistelligen Milliardenbereich ist und bleibt die öffentliche Beschaffung ein zentraler Wirtschaftsfaktor, so dass Unternehmen ihren Fokus zukünftig vermehrt auf Nachhaltigkeit und Innovation legen sollten.
Der Beschluss des Bundeskabinetts ist ein erster wichtiger Schritt, um die Ziele des Vergabetransformationspakets voranzubringen. Aufgrund des Bruchs der Ampel-Koalition ist derzeit jedoch ungewiss, ob das VergRTransfG und die weiteren Bestandteile des Vergabetransformationspakets verwirklicht werden. In einem nächsten Schritt befasst sich der Bundesrat am 20.12.2024 mit dem Gesetzentwurf. Ob sich der bisherige Bundestag vor den Neuwahlen am 23.02.2025 mit dem Gesetzespaket befasst, bleibt abzuwarten. Tut er dies nicht, müsste der Entwurf zum VergRTransfG nach dem Diskontinuitätsprinzip neu eingebracht und verhandelt werden.
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