
Erfolglose Klagen gegen Systembeteiligungspflicht von Verpackungen
Die Verwaltungsgerichte (VG) Osnabrück und VG Köln haben wegweisende Urteile in Bezug auf Einordnungsentscheidungen zur Systembeteiligungspflicht von Verpackungen nach dem VerpackG durch die Stiftung Zentrale Stelle Verpackungsregister getroffen - mit hoher Relevanz für Unternehmen und Wirtschaftsakteure, die im Bereich des Verpackungsgesetzes agieren.
Typischerweise als Abfall zu bewertende Verpackungen
Zunächst entschied das VG Osnabrück mit Urteilen vom 11.02.2025 (Az. 7 A 157/23 und 7 A 162/23) in zwei ähnlich gelagerten Fällen, dass für die Frage, ob eine Verpackung gemäß § 3 Abs. 8 VerpackG „typischerweise" beim privaten Endverbraucher als Abfall anfällt und daher systembeteiligungspflichtig ist, die allgemeine Verkehrsauffassung maßgeblich ist. Diese sei die mittels einer ex-ante-Einschätzung anhand abstrakt-typisierender Merkmale zu bestimmen. Hierfür durfte die Stiftung Zentrale Stelle Verpackungsregister norminterpretierende Verwaltungsvorschriften erlassen, unter die der Katalog systembeteiligungspflichtiger Verpackungen falle. Die dort vorgenommene Typisierung sei in den Grenzen des allgemeinen Gleichheitsgrundsatzes und zum Zwecke der Praktikabilität und Vereinfachung zulässig, da es sich bei Einordnungsentscheidungen systembeteiligungspflichtiger Verpackungen um Massenentscheidungen handele.
Hintergrund
Eine Herstellerin von Lacken und Beizen sowie ein Unternehmen der Lebensmittelindustrie wehrten sich gegen die Einordnung der Stiftung Zentrale Stelle Verpackungsregister, die verschiedene derer Verpackungen – u. a. Eimer, Dosen und Kanister aus Kunststoff und Metall, befüllt mit Grundierung, Verdünnung und Lackfarben sowie einen 9 kg Eimer Salatmayonnaise aus Polyprophylen – als systembeteiligungspflichtige Verpackungen gemäß § 3 Abs. 8 VerpackG einstufte.
Das VG Osnabrück kam zu dem Ergebnis, dass das Wort „typischerweise“ im Sinne von § 3 Abs. 8 VerpackG abstrakt-typisierend zu bestimmen ist. Dabei gelte bei Bestimmung der Systembeteiligungspflicht zwar das Anfallstellenprinzip, wobei durch die Wahl des Adverbs "typischerweise" die allgemeine Verkehrssauffassung maßgeblich sein solle. Deshalb komme es darauf an, wo die Verpackung voraussichtlich mehrheitlich entsorgt wird. Die Bestimmung des Anfallorts sei im Voraus zu prognostizieren, wobei es nicht auf die individuelle Betrachtung des einzelnen Herstellers, sondern auf die allgemeine Verkehrsauffassung ankomme.
Hinweis: Dass zum Zwecke der Praktikabilität und Handhabbarkeit des Massengeschäfts das im Katalog beschriebene Kriterium der Grenzfüllgröße von 6 Litern bzw. 22 kg und gerade nicht die jeweilige Vertriebslinie des Herstellers als maßgebliches Abgrenzungskriterium zur Frage der Systembeteiligungspflicht herangezogen wurde, sei plausibel und daher nicht zu beanstanden.
Weiter vertritt das Gericht die Auffassung, dass mit dem Katalog in zulässiger Weise von der Befugnis zum Erlass normkonkretisierender Verwaltungsvorschriften zum Zwecke der Verwaltungsvereinheitlichung und -vereinfachung Gebrauch gemacht wurde. Die danach heranzuziehenden Kriterien zur Differenzierung anhand von Merkmalen wie z.B. der (Grenz-)Füllgröße und auch die dadurch entstehende Typisierung der Verpackungen sei zugunsten des anerkannten Ziels der Praktikabilität zulässig.
Auch durfte die Stiftung die Entscheidung zur Systembeteiligungspflicht aufgrund ihrer allgemeinen Bedeutung und Auswirkungen für sämtliche mit dem Prüfgegenstand befassten Personen als sachbezogene Allgemeinverfügung im Internet öffentlich bekanntgeben.
Hinweis: Das VG Osnabrück hat die Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen. Die Frage, ob die der Einordnungsentscheidung zugrunde gelegte abstrakt-typisierende Betrachtungsweise in Anwendung des Katalogs systembeteiligungspflichtiger Verpackungen rechtmäßig ist, bedürfe der Klärung in der obergerichtlichen Rechtsprechung.
Kunststoff-Permanenttragetasche als systembeteiligungspflichtige Verpackung
Auch das VG Köln bestätigte mit Urteil vom 31.01.2025 (Az. 9 K 783/22) eine Einordnungsentscheidung der Stiftung Zentrale Stelle Verpackungsregister bezüglich einer Permanenttragetasche aus Kunststoff mit einer Traglast von bis zu 20 kg als systembeteiligungspflichtige Verpackung im Sinne von § 3 Abs. 8 VerpackG. So werde die Tasche primär in ihrer Funktion als Verkaufsverpackung erworben und genutzt. Die Möglichkeit der Verwendung der Tasche zu anderen Zwecken als zur Befüllung mit Ware durch den Letztvertreiber, schließe die Verpackungseigenschaft nicht aus. Zudem falle auch die Permanenttragetasche typischerweise beim Endkunden zu irgendeinem Zeitpunkt als Abfall an.
Das VG Köln stufte die Permanenttragetasche gestützt auf § 3 Abs. 1 S. 1 Buchst. b) VerpackG zunächst als Serviceverpackung im Sinne einer Verkaufsverpackung ein. Sie erfülle mehrere der in § 3 Abs. 1 S. 1 VerpackG genannten Verpackungsfunktionen und werde im Kassenbereich angeboten, um in erster Linie die Übergabe der erworbenen Waren an die Kunden zu ermöglichen. Der mögliche Zweitnutzen der Tragetasche ändere an der Erfüllung der Verpackungsdefinition nichts. Dies werde auch in Nr. 1 Buchst. a) der Anlage 1 zu § 3 Abs. 1 VerpackG klar, wonach Gegenstände als Verpackungen gelten, wenn sie der in § 3 Abs. 1 VerpackG genannten Begriffsbestimmung entsprechen und zwar unbeschadet anderer Funktionen, die die Verpackung möglicherweise ebenfalls erfüllt.
Zudem sei die Permanenttragetasche als Verkaufsverpackung gemäß § 3 Abs. 8 VerpackG systembeteiligungspflichtig, da sie nach Gebrauch typischerweise beim privaten Endverbraucher als Abfall anfalle. Denn es sei davon auszugehen, dass grundsätzlich jede Verpackung – auch Permanenttragetaschen – früher oder später einmal als Abfall anfallen wird. Eine zwischenzeitliche, auch längerfristige Weiterverwendung durch den privaten Endverbraucher befreie insofern nicht von der Systembeteiligungspflicht.
Hinweis: Das VG Köln hat die Sprungrevision zum BVerwG wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zugelassen. Die Frage, ob die Permanenttragetasche auch im Hinblick auf ihre vielfache anderweitige Verwendbarkeit eine Verpackung im Sinne des VerpackG ist, sei nicht zuletzt vor dem Hintergrund, dass beim Umweltbundesamt derzeit noch mehrere Widerspruchsverfahren zur Einstufung gleich ausgestalteter Tragetaschen als systembeteiligungspflichtige Verpackung anhängig sind, höchstrichterlich klärungsbedürftig.
Fazit
Es bleibt abzuwarten, wie das OVG Niedersachsen und das BVerwG entscheiden werden. Doch schon jetzt sind die Urteile für alle betroffenen Wirtschaftsakteure, die mit Verpackungen zu tun haben, richtungsweisend. Sollte die Systembeteiligungspflicht in der ober- und höchstrichterlichen Rechtsprechung bestätigt werden, sind auch eine Vielzahl anderer, ähnlich ausgestalteter Verpackungen betroffen, sodass sich die betroffenen Unternehmen bereits jetzt auf die mögliche Finanzierung des Recyclings der betroffenen Verpackungen durch die Systembeteiligungspflicht vorbereiten sollten.
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