Klagebefugnis von Umweltverbänden im Rahmen von Zielabweichungsverfahren
Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) hat mit Urteil vom 28.09.2023 (Az. 4 C 6.21) entschieden, dass anerkannte Umweltverbände gegen Entscheidungen in Zielabweichungsverfahren klagen können, wenn das Verfahren solche Änderungen betrifft, die anstelle der Zielabweichungsentscheidung durch Änderung des Regionalplans hätten erfolgen müssen. Dies sei in erster Linie der Fall, wenn durch die Änderungen Grundzüge der Planung berührt würden und erhebliche Umweltauswirkungen auf Raumordnungsebene nicht ausgeschlossen werden könnten.
Die beigeladene Gemeinde strebte aufgrund der Kollision einer bauplanerischen Ausweisung mit dem Regionalplan ein Zielabweichungsverfahren an, um auf einer nach dem Regionalplan ursprünglich für Landwirtschaft und Grünfläche ausgewiesenen Fläche ein Gewerbegebiet für ein Logistikzentrum eines Lebensmittelunternehmens festsetzen zu können. Nachdem die Beklagte die Zielabweichung für 30 Hektar der Fläche zugelassen hatte, erhob der Kläger, ein anerkannter Umweltverband, hiergegen Klage. Seiner Ansicht nach würden durch eine rechtswidrige Zielabweichung, die in einem späteren Normenkontrollverfahren gegen den Bebauungsplan nicht mehr überprüft werden könne, seine Beteiligungsrechte nach der Richtlinie über die Umweltverträglichkeitsprüfung (im Folgenden: UVP) und der Richtlinie über die strategischen Umweltprüfung (im Folgenden: SUP) unzulässig eingeschränkt.
Das VG Gießen (Az. VG 1 K 9645/17.GI) sowie der VGH Kassel (Az. VGH 4 A 610/19) wiesen die Klage als unzulässig mit der Begründung ab, dass dem Umweltverband die nach § 42 Abs. 2 VwGO erforderliche Klagebefugnis für ein Gerichtsverfahren fehle. Diese sei weder aus Vorschriften des Umwelt-Rechtsbehelfs-Gesetzes (UmwRG) i. V. m. dem Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVPG) noch aus Vorschriften der Aarhus-Konvention abzuleiten. Gleichwohl ließ der VGH die Revision wegen Grundsätzlichkeit der Rechtssache gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zu.
Das BVerwG teilte die Auffassung der Instanzgerichte in seiner Revisionsentscheidung nicht.
Eine Klagebefugnis des Umweltverbands lasse sich im Wesentlichen auf § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 i. V. m. § 1 Abs. 1 S. 2 UmwRG stützen; sei der durch die Zielabweichung angestrebte Zustand raumordnungstechnisch planbar und könne nicht ausgeschlossen werden, dass die Zielabweichungsentscheidung Grundzüge der Planung berühre, weil erhebliche Umweltauswirkungen auf Raumordnungsebene zu besorgen seien, so müsse der Vorhabenträger eine Änderung des Regionalplans erwirken. Die Nichtänderung des Plans stelle damit einen Umstand dar, der als Klagegegenstand gerichtlich überprüfbar sei.
Da im streitgegenständlichen Verfahren keine Entscheidung über die Änderung des Regionalplans erfolgte und auch nicht auszuschließen sei, dass die Änderungen bezüglich der ausgewiesenen Fläche Grundzüge der Planung berührten, die erhebliche Umweltauswirkungen auf Raumordnungsebene hätten, musste das BVerwG das Urteil des VGH Kassel aufgehoben und den Rechtsstreit an diesen zurückverwiesen.
In ähnlich gelagerten Fällen können Umweltverbände sich nunmehr auf das Urteil des BVerwG berufen.
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