
Wirtschaftliches Eigentum an zur Sicherheit übereigneten Aktien
Zur Sicherheit übereignete Aktien sind ab dem Eigentumsübergang dem Sicherungsnehmer auch steuerlich gemäß § 39 AO zuzurechnen, wenn dieser die wesentlichen, mit den Aktien verbundenen Rechte sowohl rechtlich als auch tatsächlich unabhängig vom Eintritt eines Sicherungsfalls ausüben kann.
Der BFH hatte in dem ihm vorliegenden Fall zu entscheiden, wem ein Paket zur Sicherheit übereigneter, börsennotierter, britischer Aktien steuerlich zuzurechnen war und ob die daraus zugeflossenen Dividenden § 8b KStG unterfielen. Die Klägerin, eine Aktiengesellschaft (AG), hatte mit ihrer Bank Wertpapierpensionsgeschäfte mit zeitgleichen gegenläufigen Wertpapierdarlehensverträgen über festverzinsliche Wertpapiere geschlossen. Zur Sicherheit übereignete die Bank britische Aktien an die AG. Die an sie ausgeschütteten Brutto-Dividenden sollten an die Bank weitergeleitet werden. Die bezogenen Dividenden wurden bei der Klägerin als nach § 8b Abs. 1 KStG steuerfrei behandelt. Die Kompensationszahlung an die Bank wurde als voll abzugsfähige Betriebsausgabe berücksichtigt. Das Finanzamt lehnte die Steuerfreiheit der Dividenden wegen Gestaltungsmissbrauchs i. S. v. § 42 AO ab. Das FG München dagegen verneinte bereits das wirtschaftliche Eigentum der AG an den Aktien und verneinte auf diesem Wege die steuerfreien Einnahmen bei der AG.
Die Steuerbefreiung von Dividenden nach § 8b Abs. 1 KStG setzt grundsätzlich voraus, dass die Anteile an der ausschüttenden Gesellschaft dem Dividendenempfänger als Anteilseigner im Zeitpunkt des Gewinnverteilungsbeschlusses gemäß § 39 AO steuerlich zuzurechnen sind (§ 20 Abs. 5 EStG). Für den Fall des Sicherungseigentums bestimmt § 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 AO, dass das Sicherungsgut dem Sicherungsgeber als wirtschaftlichem Eigentümer – und nicht dem Sicherungsnehmer als zivilrechtlichen Eigentümer – zuzuordnen ist.
Mit Urteil vom 13.11.2024 (Az. I R 3/21) hat der BFH jedoch entschieden, dass die zur Sicherheit übereigneten Aktien der Sicherungsnehmerin (AG) steuerlich zuzurechnen sind, wenn – anders als beim typischen Sicherungseigentum – die Sicherungsnehmerin rechtlich und tatsächlich jederzeit, auch ohne Eintritt des Sicherungsfalls, die Aktien veräußern und die mit den Aktien verbundenen Stimmrechte ausüben kann. Unerheblich sei, ob die Sicherungsnehmerin diese Rechte subjektiv ausüben wollte oder tatsächlich ausgeübt hat.
Vorliegend seien die britischen Aktien der AG steuerlich deswegen zuzurechnen, da sie uneingeschränktes (Voll-)Eigentum an den britischen Aktien erworben hatte. Dies zeige sich u. a. daran, dass sie nach Beendigung der besicherten Geschäfte lediglich gattungsgleiche Aktien zurückzuübertragen hatte (nicht jedoch die nämlichen Aktien). Auch ergäben sich keine faktischen Veräußerungsbeschränkungen, da der Austausch von Sicherheiten nicht einseitig von der Bank erfolgen konnte, das ordentliche Kündigungsrecht der Bank ausgeschlossen war und auch eine Haltedauer von wenigen Tagen (hier: zwischen wenigen Tagen bis zu drei Wochen) ausreiche, um Kursschwankungen von börsennotierten Aktien zu realisieren. Die AG hatte während der Zeit ihres zivilrechtlichen Eigentums auch die Möglichkeit, die mit den Aktien verbundenen Stimmrechte auszuüben.
Hinweis: Der BFH konnte aufgrund der tatsächlichen Feststellungen des FG München allerdings nicht abschließend klären, ob ein Gestaltungsmissbrauch vorliegt, und hat den Fall daher an das FG zurückverwiesen.
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