Bruch der Ampelkoalition: Was wird aus den Gesetzesvorhaben?
Nach dem Bruch der Ampel-Koalition hat Bundeskanzler Olaf Scholz angekündigt, die Vertrauensfrage zu stellen. Dies hat zur Folge, dass voraussichtlich Anfang nächsten Jahres die Neuwahl des Deutschen Bundestages stattfinden wird - mit erheblichen Auswirkungen auf die sich derzeit im Gesetzgebungsverfahren befindlichen Gesetzesvorhaben. Das Schicksal der einzelnen Gesetzesvorhaben hängt davon ab, in welchem Stadium des Gesetzgebungsverfahrens sie sich befinden.
Grundsätzlich gilt: Alle bereits in den Bundestag eingebrachten Gesetzesentwürfe verfallen nach dem Diskontinuitätsgrundsatz am Ende einer Legislaturperiode, wenn sie nicht bereits durch den Bundestag beschlossen wurden. Diese Gesetze müssten dann in der nächsten Legislaturperiode erneut in das Gesetzgebungsverfahren eingebracht werden. Dabei kann eine Legislaturperiode auch vorzeitig durch die Stellung der Vertrauensfrage durch den Bundeskanzler enden. Findet der Antrag des Bundeskanzlers, ihm das Vertrauen auszusprechen, nicht die Zustimmung der Mehrheit der Bundestagsmitglieder, kann der Bundespräsident auf Vorschlag des Bundeskanzlers binnen einundzwanzig Tagen den Bundestag auflösen, Art. 67, 68 GG. Der aufgelöste Bundestag bleibt aber bis zu den bis zum Zusammentritt des neuen Bundestages bestehen und somit auch beschlussfähig.
Anders ist die Situation bei Gesetzen, die der Bundestag bereits beschlossen hat und die nur noch der Zustimmung des Bundesrates bedürfen. Da der Bundesrat nicht an die Legislaturperioden des Bundestages gebunden ist, hindert die vorzeitige Auflösung des Bundestages den Abschluss solcher laufender Gesetzgebungsverfahren aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht.
Nach der Vertrauensfrage und bis zur eventuellen Konstituierung des neuen Bundestages hängt das Schicksal der derzeit noch im Bundestag zu verhandelnden Gesetzesvorhaben davon ab, inwiefern sich im derzeitigen Bundestag Mehrheiten finden, damit einzelne Gesetze noch in zweiter und dritter Lesung beschlossen werden können.
Vor diesem Hintergrund sind für die derzeitigen wesentlichen (steuerpolitischen) Gesetzesvorhaben im Jahr 2024 im Einzelnen folgende Entwicklungen wahrscheinlich:
- Viertes Bürokratieentlastungsgesetz:
Das Gesetzgebungsverfahren zum Vierten Bürokratieentlastungsgesetz (BEG IV) ist bereits erfolgreich abgeschlossen. Bundestag und Bundesrat haben jeweils die Zustimmung erteilt. Das BEG IV wurde am 29.10.2024 im Bundesgesetzblatt verkündet. - Jahressteuergesetz 2024:
Der Bundestag hat dieses Gesetz bereits beschlossen und dem Vernehmen nach planen CDU/CSU, dem Gesetz am 22.11.2024 im Bundesrat abschließend zuzustimmen. Daher kann davon ausgegangen werden, dass das Gesetzgebungsverfahren noch in diesem Jahr abgeschlossen und das Gesetz zum 01.01.2025 in Kraft treten wird. - Gesetz zur steuerlichen Freistellung des Existenzminimums 2024:
Hier gelten die Ausführungen zum JStG 2024 entsprechend. - Gesetz zur Modernisierung und zum Bürokratieabbau im Strom- und Energiesteuerrecht:
Das Gesetz hätte eigentlich am 07.11.2024 vom Bundestag beschlossen werden sollen und ist im Bundesrat nicht zustimmungspflichtig. Aufgrund des Koalitionsbruchs kam es bisher zu keinem Gesetzesbeschluss im Bundestag. Sofern im derzeitigen Bundestag noch eine Mehrheit gefunden wird, könnte das Gesetzgebungsverfahren noch in der laufenden Legislaturperiode abgeschlossen werden. Andernfalls wäre das Gesetzgebungsverfahren in der nächsten Legislaturperiode neu zu starten. - Steuerfortentwicklungsgesetz (SteFeG):
Bislang konnte im Bundestag noch keine Einigung zu dem im SteFeG enthaltenen Entlastungspaket (u. a. Ausgleich der kalten Progression für 2025/26, Verlängerung der degressiven AfA, Anreize für die E-Mobilität etc.) sowie die Mitteilungspflicht für innerstaatliche Steuergestaltungen erzielt werden. Für einen Bundestagsbeschluss ist die Minderheitsregierung auf die Stimmen der Opposition, insb. von CDU/CSU, angewiesen. Denkbar wäre, das Gesetz um strittige Punkte wie bspw. die Meldepflicht bei innerstaatlichen Steuergestaltungen zu bereinigen oder die kalte Progression herauszulösen, um eine Mehrheit in dem noch bestehenden Bundestag zu erreichen. Oppositionsführer Friedrich Merz hat aber bereits klargestellt, dass eine Zusammenarbeit für ihn erst in Betracht kommt, wenn der Bundeskanzler die Vertrauensfrage gestellt hat. - Mindeststeuer-Anpassungsgesetz:
Hier liegt bislang lediglich ein Diskussionsentwurf des BMF vor. Die Veröffentlichung eines Referentenentwurfs mit dem Ziel einer Verbändeanhörung wäre noch vor der Auflösung des Bundestages denkbar. Das weitere Gesetzgebungsverfahren dürfte dann in der neuen Legislaturperiode angestoßen werden. - Zukunftsfinanzierungsgesetz 2:
Hier liegt ein Referentenentwurf des BMF vom 27.08.2024 vor. Das Gesetz sollte am 06.11.2024 von der Bundesregierung beschlossen und in das Gesetzgebungsverfahren eingebracht werden, wurde aber unter dem Eindruck der Koalitionskrise von der Tagesordnung genommen. Das Gesetzgebungsverfahren dürfte in dieser Legislaturperiode nicht weiterverfolgt werden. - DAC 8-Umsetzungsgesetz:
Das BMF hat am 04.11.2024 den Referentenentwurf veröffentlicht. Aufgrund des Koalitionsbruchs ist eine Einbringung des Referentenentwurfs bzw. eines Regierungsentwurfs zu diesem Gesetz in den Bundestag in dieser Legislaturperiode nicht realistisch. Allerdings wird das BMF den Entwurf voraussichtlich in der nächsten Legislaturperiode verwenden, um die Richtlinie rechtzeitig bis Ende nächsten Jahres umzusetzen. - CSRD-Umsetzungsgesetz:
Seit 24.07.2024 liegt der Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der sog. Corporate Sustainability Reporting Directive (EU-Richtlinie 2022/2464), kurz CSRD-Umsetzungsgesetz, vor, der nach der ersten Lesung im Bundestag in die Ausschüsse überwiesen wurde. Aktuell ist unklar, ob der Gesetzentwurf erneut in den Bundestag eingebracht wird, um dort in zweiter und dritter Lesung darüber zu beraten und das Gesetz zu beschließen.
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