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Verrechnungspreise - grün, sozial, nachhaltig ermittelt

05.05.2023 | 4 Minuten Lesezeit

Unternehmen sind durch EU-Vorgaben, die bereits in nationale Gesetze überführt worden sind bzw. sich derzeit in der nationalen Umsetzung befinden, gehalten, ressourcenschonend zu wirtschaften, soziale Belange zu berücksichtigen und unternehmensethische Aspekte zu beachten. Diese unter der Abkürzung ESG (Environment, Social, Governance) zusammengefassten Verpflichtungen wirken sich darauf aus, wie und in welchem Maße Wertschöpfung zwischen verbundenen Unternehmen realisiert wird. Doch inwieweit finden sie auch Niederschlag bei der Ermittlung von Verrechnungspreisen, die konzerninternen Transaktionen zugrunde gelegt werden?

Neue Anforderungen an Unternehmen

Unternehmen sollen u. a. durch folgende Vorgaben zu umweltschonendem und nachhaltigem Wirtschaften angehalten bzw. verpflichtet werden:

  • Das System des EU-Emissionshandels sieht vor, dass Unternehmen nur in dem Umfang CO2 ausstoßen dürfen, in dem ihnen Emissionsberechtigungen vorliegen. Nicht benötigte Emissionszertifikate können auf dem Markt frei gehandelt werden. Emissionsintensive Unternehmen müssen entsprechend Zertifikate erwerben. Dadurch wird der Ausstoß von CO2 bepreist und soll letztlich zu einer Ausstoßreduktion führen.
  • Durch die EU-Taxonomie-Verordnung wird vorgegeben, welche Wirtschaftstätigkeiten als ökologisch nachhaltig einzustufen sind. Niederschlag findet diese Einstufung zum einen im Finanzierungsbereich, da die Finanzmärkte zunehmend unter dem Schlagwort „Green Finance" auf positive Klima- und Umweltauswirkungen ihrer Investitionen Wert legen und sich somit nachhaltiges Wirtschaften auf Finanzierungsmöglichkeiten auswirken kann.
  • Auch die nichtfinanziellen Berichtspflichten der Unternehmen werden sich umfassend verschärfen. Konkret wurden durch die Anfang 2023 in Kraft getretene Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) umfassende Vorgaben zur Nachhaltigkeitsberichterstattung vorgelegt.

Soziale Aspekte haben Unternehmen insb. nach den Vorgaben des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes zu berücksichtigen. Unternehmen mit mehr als 3.000 Beschäftigten müssen bereits derzeit sicherstellen, dass in ihren Lieferketten weltweit u. a. Aspekte des Arbeitsschutzes, der Menschenrechte und des Umweltschutzes berücksichtigt werden. Auf Unternehmen mit mehr als 1.000 Beschäftigten kommen diese Anforderungen ab 2024 zu.

Die Berücksichtigung von unternehmensethischen Aspekten und denen einer guten Unternehmensführung wird z. B. durch folgende Regelungen eingefordert:

  • Bereits aktuell müssen grenzüberschreitend tätige Unternehmensgruppen mit einem Gruppenumsatz von mindestens 750 Mio. Euro in einem sog. Country-by-Country-Report (CbCR) Angaben zu den in den jeweiligen Staaten erwirtschafteten Gewinnen und Steuern machen. Diese Angaben (in leicht modifizierter Form) sollen zur Förderung der Steuertransparenz in einem sog. Public CbCR auch öffentlich zugänglich gemacht werden. In freiwilligen Nachhaltigkeitsberichten, die nach den Standards der Global Reporting Initiative (GRI) erstellt werden, ist durch GRI 207: Tax 2019 bereits eine öffentliche Transparenz der länderbezogenen steuerlichen Angaben gegeben.
  • In Umsetzung EU-rechtlicher Vorgaben sollen mit einem Hinweisgeberschutzgesetz Möglichkeiten zur Meldung von rechtswidrigem Verhalten der Unternehmen unter Schutz der Hinweisgeber eingeführt werden.

Auswirkungen auf Verrechnungspreise

So unterschiedlich die Einflüsse der ESG-Vorgaben auf die Unternehmensbereiche sind, so verschieden können sich diese auf die Ausgestaltung angemessener Verrechnungspreise auswirken. Zu nennen sind hier u. a.:

  • Wertschöpfungsketten können sich durch die Beachtung von ESG-Vorgaben ändern. Um die Arbeitsbedingungen innerhalb der Lieferkette zu verbessern, kann es z. B. erforderlich sein, Produktionsschritte nicht mehr auf Subunternehmen auszulagern, sondern wieder selbst zu übernehmen oder an andere Subunternehmen zu übertragen. Dadurch kann sich die Rolle der Produktionsfunktion verändern, was sich in der Ermittlung der Verrechnungspreise niederschlägt. An Gewicht könnte auch die Einkaufsfunktion gewinnen, da dort nun eine intensive Prüfung der Lieferanten auf Einhaltung der Lieferkettenvorgaben zu erfolgen hat. Auch könnten die geänderten weltwirtschaftlichen Rahmenbedingungen dazu führen, dass die Einkaufsfunktion Lieferketten umlenkt bzw. mehrere Lieferketten etabliert, um die Unternehmensgruppe resilienter gegenüber Lieferengpässen zu machen. Damit steigt der Wertschöpfungsbeitrag der Einkaufsfunktion mit entsprechender Auswirkung auf die Verrechnungspreise.
  • Die Einhaltung von ESG-Maßnahmen wirkt sich regelmäßig positiv auf den Wert der Marke(n) der Unternehmensgruppen aus. Damit steigt der Wert immaterieller Vermögenswerte. Hier gilt es zu überprüfen, ob die Nutzung der immateriellen Werte fremdüblich bei der Bemessung der Verrechnungspreise berücksichtigt wird. Auch könnten durch ESG-Maßnahmen neue immaterielle Vermögenswerte entstehen, die selbst sowie daraus resultierende Erträge innerhalb der Unternehmensgruppe zuzuordnen und fremdüblich zu bewerten sind.
  • Maßnahmen zur Einhaltung der ESG-Vorgaben werden regelmäßig beachtliche Kosten in den Unternehmen auslösen, wie z. B. durch ein ESG-Marketing, mit dem Nachhaltigkeitsprojekte gegenüber den Marktteilnehmern hervorgehoben werden, um die Bekanntheit und das positive Image der Marke zu stärken. Kosten werden zudem durch die Erstellung eines Nachhaltigkeitsberichts und durch die Implementierung des nach dem Hinweisgeberschutzgesetz künftig erforderlichen Meldewesens ausgelöst. Hier ist jeweils zu klären, ob innerhalb der Unternehmensgruppe Dienstleistungen erbracht werden, die fremdüblich zu vergüten sind, oder aber Leistungen vorliegen, die primär im Interesse der Muttergesellschaft sind, und somit als Shareholder-Aufwendungen nicht über Verrechnungspreise weiterbelastet werden können.
  • Werden konzernintern Darlehen vergeben, ist auf eine angemessene und fremdübliche Verzinsung zu achten. Neben einer Überprüfung der konzerninternen Finanzierungsvereinbarungen unter Berücksichtigung der sich zuletzt deutlich veränderten Leitzinsen sollten auch ESG-Aspekte mit in die Bemessung des Zinssatzes einbezogen werden. So wirkt sich die Compliance eines Unternehmens mit ESG-Vorgaben regelmäßig positiv auf das Rating und somit auf Finanzierungsmöglichkeiten und -konditionen am Finanzmarkt aus. Entsprechend ist auch bei konzerninternen Finanzierungen auf eine Berücksichtigung der nachhaltigen und sozialen Aufstellung des einzelnen Gruppenunternehmens zu achten.

Überprüfung der Verrechnungspreise zu empfehlen

Verrechnungspreise, die für konzerninterne Leistungen vereinbart wurden, unterliegen einer steten Dynamik und bedürfen einer Überprüfung in regelmäßigen Zyklen. Die aktuell rasant voranschreitenden Entwicklungen durch neue Anforderungen an Unternehmen, nachhaltiger, sozialer, transparenter zu agieren und dabei ein hohes Maß an Unternehmensethik zu berücksichtigen, machen allerdings in vielen Fällen eine grundlegende Überprüfung von Verrechnungspreisen erforderlich. Durch umfassende ESG-Maßnahmen können Wertschöpfungsketten deutlich verändert werden. Auch ist zu klären, wie mit zusätzlichen Kosten, aber auch neuen Vorteilen durch die Konformität mit ESG-Vorgaben umgegangen wird. Dabei sollte - wie stets erforderlich - auf eine klare und vollständige Dokumentation der Verrechnungspreisermittlung geachtet werden. Denn eines ist sicher: Der Fiskus wird weiterhin im Rahmen von Betriebsprüfungen Verrechnungspreise genau unter die Lupe nehmen und nicht zögern, bei Zweifeln an der Fremdvergleichskonformität Korrekturen vorzunehmen, die nicht ohne weiteres spiegelbildlich bei anderen Mitgliedern der Unternehmensgruppe gegenkorrigiert werden können.