Wegfall der Wegzugsbesteuerung bei vorübergehender Abwesenheit
Eine Rückkehrabsicht im Wegzugszeitpunkt ist laut Auffassung des BFH für das Entfallen der Wegzugsbesteuerung nicht erforderlich, wenn die Rückkehr innerhalb des für eine „vorübergehende Abwesenheit" normierten Zeitraums von fünf Jahren erfolgt.
Der Wegzug einer im Inland unbeschränkt steuerpflichtigen natürlichen Person führt nach den Regelungen des AStG zu einer fiktiven Veräußerung der Anteile an einer Kapitalgesellschaft i. S. d. § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG und einer Besteuerung des Veräußerungsgewinns (sog. Wegzugsbesteuerung). Ist die durch den Wegzug ausgelöste Beendigung der unbeschränkten Steuerpflicht nur vorübergehend, weil innerhalb eines gesetzlich vorgegebenen Zeitraums ein Rückzug in das Inland erfolgt, entfällt die Besteuerung des fiktiven Veräußerungsgewinns.
Während die Finanzverwaltung für eine solche vorübergehende Abwesenheit subjektiv eine Rückkehrabsicht im Zeitpunkt des Wegzugs für erforderlich hält (BMF-Schreiben vom 14.05.2004, Rz. 6.4.1.), hat sich der BFH mit Urteil vom 21.12.2022 (Az. I R 55/19) der (eingeschränkten) objektiven Theorie angeschlossen. Demnach reiche die fristgemäße Rückkehr innerhalb der vorgesehenen Frist (im Streitfall fünf Jahre gemäß § 6 Abs. 3 Satz 1 AStG a. F.) für den rückwirkenden Wegfall der Wegzugsbesteuerung aus. Eine Rückkehrabsicht im Wegzugszeitpunkt sei hingegen nicht erforderlich.
Der BFH begründet dies u. a. mit dem Wortlaut der Vorschrift. Dieser sehe eine Rückkehrabsicht im Zeitpunkt des Wegzugs nicht zwingend vor, sodass sich diese auch erst im Laufe des Rückkehrzeitraums bilden könne. Erst für den Fall, dass das Finanzamt eine Verlängerung des Rückkehrzeitraums zulasse (§ 6 Abs. 3 Satz 2 AStG a. F.), werde laut Wortlaut ein Zeitbezug hergestellt. Unterstützt wird diese Auffassung laut BFH durch die Gesetzessystematik, die einen Gleichlauf mit dem rückwirkenden Wegfall der Wegzugsbesteuerung bei Erwerb von Todes wegen vorsieht, wenn der Rechtsnachfolger innerhalb des Fünf-Jahreszeitraums unbeschränkt steuerpflichtig wird (§ 6 Abs. 3 Satz 3 i. V. m. § 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AStG a. F.). Auch hier werde nur auf objektive Umstände abgestellt.
Hinweis: Das vorliegende Urteil betraf das Streitjahr 2014 und erging daher zu § 6 Abs. 1 AStG a. F. Die der Entscheidung zugrundeliegenden Grundsätze dürften jedoch auf die aktuelle Fassung der Vorschrift uneingeschränkt übertragbar sein.