unsplash

Konzernfinanzierung - Gegenwind durch das Wachstumschancengesetz?

27.10.2023 | 8 Minuten Lesezeit

Mit dem Wachstumschancengesetz, zu dem die Bundesregierung am 30.08.2023 einen Gesetzentwurf beschloss, sollen die wirtschaftliche Entwicklung angekurbelt und Unternehmen zu mehr Investitionen sowie mehr Innovationen angeregt werden. Zugleich beinhaltet der Gesetzentwurf aber deutliche Verschärfungen der Zinsschranke sowie die Einführung einer neuen Zinshöhenschranke, mit der eine weitere Begrenzung der Abziehbarkeit von Zinsaufwendungen bezweckt wird. Da die Eigenkapitaldecke in vielen Unternehmensgruppen angesichts wirtschaftlich turbulenter Zeiten angegriffen ist und somit der Umfang an Fremdfinanzierungen bei einem deutlich ansteigenden Zinsniveau zunehmen dürfte, könnte der Abzug von Zinsaufwendungen für Konzerne künftig schwieriger werden.

Aktueller Stand der Zinsschrankenregelung

Die Ende 2007 eingeführte Zinsschranke sieht eine Begrenzung des Betriebsausgabenabzugs von Zinsaufwendungen vor, soweit sie Zinserträge übersteigen (Nettozinsaufwendungen). Konkret können Nettozinsaufwendungen nur bis zu einem Betrag, der 30 % des steuerlichen EBITDA entspricht, als Betriebsausgaben abgezogen werden. Darüberhinausgehende Zinsaufwendungen können ggf. in den folgenden Wirtschaftsjahren gewinnmindernd berücksichtigt werden. Von der Regelung umfasst sind sowohl Zinsen für externe Bankdarlehen als auch Zinsen für gruppeninterne Finanzierungen.

Der Anwendungsbereich der Zinsschranke wird auf Unternehmen ab einem gewissen Fremdfinanzierungsvolumen begrenzt, indem aktuell eine 3 Mio. Euro-Freigrenze vorgegeben wird. Für Nettozinsaufwendungen unterhalb dieser Grenze - vorbehaltlich gewisser Ausnahmen - entfällt hingegen eine Zinsschrankenprüfung. Diese Freigrenze findet bisher für den jeweiligen Betrieb Anwendung, d. h. für die jeweils von der Zinsschranke betroffene Gesellschaft bzw. sofern eine solche als Organgesellschaft zu einem Organkreis gehört auf den jeweiligen Organkreis. Eine Begrenzung der Anwendung auf Konzernsachverhalte ergibt sich zwar daraus, dass Betriebe, die nicht oder nur anteilmäßig zu einem Konzern gehören, nicht unter die Zinsschrankenregelung fallen. Bei konzernzugehörigen Betrieben unterliegen allerdings alle Zinsaufwendungen, nicht nur begrenzt auf konzerninterne Finanzierungen, der Zinsschranke.

Ausweitung des Zinsbegriffs

Als Reaktion auf die restriktive Rechtsprechung des BFH sollen die Definitionen von Zinsaufwendungen und Zinserträgen deutlich ausgeweitet werden. Unter Zinsaufwendungen sollen neben Vergütungen für Fremdkapital auch wirtschaftlich gleichwertige Aufwendungen und sonstige Aufwendungen im Zusammenhang mit der Beschaffung von Fremdkapital fallen. Somit wären ab 2024 z. B. auch Provisionen und Gebühren, die an den Fremdkapitalgeber gezahlt werden, als Zinsaufwendungen zu erfassen (einschließlich sog. Arrangement Fees, die an den Konsortialführer bei Konsortialfinanzierungen gezahlt werden). Da im Rahmen der erweiterten Definition auf die Vorgaben der Anti Tax Avoidance Directive (kurz ATAD) verwiesen wird, ist davon auszugehen, dass zukünftig daneben auch Bauzeitzinsen, die als Herstellungskosten aktiviert werden, unter den Begriff der Zinsaufwendungen fallen.

Zumindest teilweise spiegelbildlich sollen auch Zinserträge um wirtschaftlich gleichwertige Erträge im Zusammenhang mit Kapitalforderungen erweitert werden. Nicht unter Zinserträge - mangels entsprechender Benennung - sollen allerdings sonstige Erträge im Zusammenhang mit Kapitalforderungen fallen. Ob diese Ungleichbehandlung gerechtfertigt ist, darf bezweifelt werden.

Änderung der 3 Mio. Euro-Freigrenze / Anti-Fragmentierungs-Regelung

Die 3 Mio. Euro-Freigrenze soll zwar grundsätzlich erhalten bleiben, die betriebsbezogene Anwendung soll aber eine deutliche Verschärfung erfahren. Zukünftig soll die Freigrenze bei gleichartigen Betrieben, die unter einer einheitlichen Leitung oder der Möglichkeit der Ausübung eines unmittelbaren oder mittelbaren Einflusses stehen, nur einmal angewendet werden und damit auf die einzelnen gleichartigen Betriebe aufzuteilen sein.

Abweichend von der bisherigen Regelung zur Freigrenze käme es also nicht länger darauf an, ob die jeweiligen Betriebe im Rahmen einer Organschaft zusammengefasst sind.

Hinweis: Mit der Regelung soll Gestaltungen entgegengewirkt werden, die eine Aufteilung eines Betriebs auf mehrere Konzerngesellschaften vorsehen, um die 3 Mio. Euro-Freigrenze innerhalb einer Unternehmensgruppe mehrfach nutzen zu können. In der Begründung des Gesetzentwurfs wird hier auf gängige Gestaltungen bei Immobiliengesellschaften hingewiesen.

Allerdings wird sich die geplante Gesetzesänderung nicht nur auf entsprechende Gestaltungen oder bestimmte Branchen beschränken. Vielmehr könnten etwa auch Vertriebs- oder Produktionsgesellschaften innerhalb eines Konzerns als gleichartige Betriebe im Sinne dieser Regelung anzusehen sein. Hier ist zu befürchten, dass der Begriff der Gleichartigkeit mangels einer klaren gesetzlichen Definition zahlreiche Auslegungs-Streitigkeiten mit der Finanzverwaltung auslösen wird.

Sollten gleichartige Betriebe vorliegen, kann insgesamt nur einmal die 3 Mio. Euro-Grenze genutzt werden, so dass künftig deutlich mehr Konzerngesellschaften von einer Beschränkung des Zinsaufwendungsabzugs betroffen sein dürften. Insb. für Immobiliengesellschaften kommt eine solche Verschärfung zur absoluten Unzeit, da sie sich durch enorm gestiegene Bau-, aber auch Finanzierungskosten teilweise bereits in einer existenzbedrohenden Lage befinden, die durch eine zusätzliche Steuerbelastung nochmals verschärft werden würde.

Hinweis: Soweit dieser Regelungsvorschlag im laufenden Gesetzgebungsverfahren nicht noch angepasst wird, wird dringend empfohlen, die bestehenden Finanzierungsbeziehungen und eine mögliche Anwendung der Zinsschranke nach künftiger Rechtslage zu prüfen.

Verschärfung des Konzern-Escape

Die Ausnahmeregelung bei fehlender Konzernzugehörigkeit soll dahingehend geändert werden, dass das Unternehmen kein verbundenes Unternehmen sein darf, also insb. an diesem kein anderes Unternehmen zu mindestens 25 % beteiligt ist oder umgekehrt keine Beteiligung an einem anderen Unternehmen von mindestens 25 % besteht. Zudem darf das Unternehmen nicht über eine ausländische Betriebsstätte verfügen.

Einschränkung des Eigenkapitalquoten-Escape

Wie bereits bisher werden Konzerne auf den Eigenkapitalquoten-Escape zurückgreifen müssen, wenn die Nettozinsaufwendungen sowohl 30 % des steuerlichen EBITDA als auch die Freigrenze übersteigen. Die Anwendung dieser Ausnahmeregelung, bei der die Eigenkapitalquote des Unternehmens und des Konzerns verglichen wird, soll zukünftig nur noch bei tatsächlicher Konsolidierung des Unternehmens in Betracht kommen. Bisher genügt hier auch, wenn eine Konsolidierung möglich wäre. Für konsolidierte Konzernunternehmen ändert sich somit grundsätzlich nichts. Allerdings ist eine weitere Einschränkung des Anwendungsbereichs für Kapitalgesellschaften vorgesehen, die durch ihre Gesellschafter fremdfinanziert werden und die daraus resultierenden Zinsaufwendungen mehr als 10 % der Gesamtzinsaufwendungen betragen. Hier vertritt der BFH bislang die Auffassung, dass für die Anwendung der 10 %-Grenze jeder qualifiziert, also zu mehr als 25 % beteiligte Gesellschafter, getrennt zu betrachten ist (BFH-Urteil vom 11.11.2015, Az. I R 57/13). Künftig soll eine Gesamtschau aller Finanzierungen durch qualifiziert beteiligte Gesellschafter vorzunehmen sein, so dass es auch durch diese Regelung zu einer Verschärfung der bestehenden Ausnahmen kommt und damit der Anwendungsbereich der Zinsschranke ausgeweitet werden dürfte

Änderungen beim EBITDA-Vortrag und Zinsvortrag

Betragen die Nettozinsaufwendungen in einem Wirtschaftsjahr weniger als 30 % des steuerlichen EBITDA, ist ein EBITDA-Vortrag zu bilden, der in den folgenden fünf Wirtschaftsjahren das Volumen der abziehbaren Zinsaufwendungen entsprechend erhöht. Ein solcher EBITDA-Vortrag ist nicht zu bilden, wenn eine der vorgenannten Ausnahmeregelungen greift. Künftig soll auch dann kein EBITDA-Vortrag entstehen können, wenn die Zinserträge mindestens so hoch wie die Zinsaufwendungen sind und somit keine Nettozinsaufwendungen vorliegen.

Hinweis: Ob diese Regelung verfassungskonform ist, darf bezweifelt werden. Denn damit werden Unternehmen, die in einem Wirtschaftsjahr einen Zinsertragsüberhang erzielen, im Vergleich zu solchen Unternehmen, die, wenn sie auch nur 1 Euro Nettozinsaufwendungen aufweisen, deutlich schlechter gestellt. Dem Gleichheitsgrundsatz würde vielmehr entsprechen, wenn erfolgreich wirtschaftende Unternehmen in Form eines EBITDA-Vortrags ein größeres Volumen an abziehbaren Zinsaufwendungen in weniger erfolgreichen Wirtschaftsjahren aufbauen können.

Eingeschränkt werden soll zudem die Anwendung der vorgenannten Ausnahmeregelungen im Fall eines Zinsvortrags, also des Betrags an Nettozinsaufwendungen, die infolge der Anwendung der Zinsschranke in einem Wirtschaftsjahr nicht abziehbar sind, aber in folgende Wirtschaftsjahre vorgetragen werden können. Konkret sollen die Ausnahmeregelungen nicht zur Anwendung kommen, soweit die Zinsaufwendungen durch einen solchen Zinsvortrag erhöht werden. Damit können diese Zinsaufwendungen nur bis zur Höhe von 30 % des steuerlichen EBITDA abgezogen werden, andernfalls verbleiben sie weiterhin im Zinsvortrag. D. h. die Ausnahmeregelungen führen künftig immer nur zu einem Abzug der laufenden Zinsaufwendungen und nicht eines Zinsvortrags. Ein Abzug von Zinsvorträgen ist dann nur möglich, soweit ausreichend verrechenbares EBITDA vorhanden ist.

Schließlich sollen der EBITDA-Vortrag und der Zinsvortrag künftig anteilig wegfallen, wenn u. a. eine Teilbetriebsveräußerung oder Teilbetriebsaufgabe erfolgt. Damit soll die schon bislang von der Finanzverwaltung vertretene umstrittene Auffassung der Finanzverwaltung gesetzlich festgeschrieben werden. Nach dem derzeitigen Gesetzeswortlaut ist allein der komplette Wegfall dieser Vorträge im Fall u. a. der Übertragung oder Aufgabe des gesamten Betriebs vorgesehen.

Kritisch zu betrachten ist hier eine Ausführung in der Begründung des Gesetzentwurfs. Demnach soll das Ausscheiden einer Organgesellschaft aus dem Organkreis eine Aufgabe eines Teilbetriebs darstellen und würde somit zum anteiligen Untergang des EBITDA- sowie des Zinsvortrags des Organträgers führen. Diese Aussage, die sich mit der Auffassung der Finanzverwaltung bereits zur derzeitigen Gesetzeslage deckt, findet jedoch keinen Niederschlag im (vorgesehenen) Gesetzeswortlaut. Streitigkeiten mit der Finanzverwaltung dürften hier vorprogrammiert sein.

Einführung einer Zinshöhenschranke

Zinsaufwendungen, die nach dem 31.12.2023 aufgrund (bestehender oder neuer) Geschäftsbeziehungen mit nahestehenden Personen anfallen, sollen nur abziehbar sein, soweit sie auf einem bis zu einem gesetzlich vorgegebenen Höchstzinssatz beruhen. Dieser Höchstzinssatz wird als der um 2 Prozentpunkte erhöhte Basiszinssatz nach § 247 BGB definiert, welcher jeweils zum 01.01. und 01.07. eines Jahres von der Deutschen Bundesbank bekannt gegeben wird. Unter Zugrundelegung des zum 01.07.2023 von der Deutschen Bundesbank festgelegten Basiszinssatzes von 3,12 % würde damit derzeit der Höchstzinssatz 5,12 % betragen.

Soweit Zinsaufwendungen aus Geschäftsbeziehungen mit nahestehenden Personen aus einem höheren Zinssatz resultieren, sollen diese ab 2024 nicht mehr abziehbar sein. Anders als die Zinsschranke zielt die Regelung ausschließlich auf die Konzernfinanzierung und nicht auf externe Finanzierungsbeziehungen ab, durch eine Höchstgrenze der vereinbarten Zinssätze. Eine den nicht abziehbaren Zinsaufwendungen entsprechende Korrektur der Zinserträge beim Zinsempfänger ist nicht vorgesehen, so dass im Konzern eine Doppelbesteuerung droht. Verschärft wird dies noch dadurch, dass ebenso wie die Zinsschrankenregelung auch die Zinshöhenschranke nicht auf grenzüberschreitende Fälle beschränkt ist, d. h. auch bei einer Finanzierung im Inland Anwendung finden kann.

Allerdings ist eine Ausnahmeregelung von der Zinshöhenschranke vorgesehen, wenn der Gläubiger der Zinserträge nachweisen kann, dass er in seinem Ansässigkeitsstaat einer wesentlichen wirtschaftlichen Tätigkeit nachgeht und der Ansässigkeitsstaat sich zum Informationsaustausch mit Deutschland verpflichtet hat. Dieser Ausnahmefall greift damit aber nur in grenzüberschreitenden Fällen.

Können aber der Gläubiger sowie die oberste Muttergesellschaft belegen, dass sie bei sonst gleichen Umständen eine Refinanzierung nur zu einem über dem Höchstsatz liegenden Zinssatz erhalten könnten, soll der günstigste Zinssatz einer solchen Refinanzierung als Höchstzinssatz zugrunde gelegt werden. Dazu wird in der Begründung des Gesetzentwurfs ausgeführt, dass lediglich die Vorlage eines entsprechenden Bankangebots nicht ausreicht. Vielmehr sei eine Datenbankstudie vorzunehmen, aus der sich marktübliche Zinssätze für gleiche Finanzierungssachverhalte ergeben. Bei Konzernfinanzierungen sowohl in innerstaatlichen als auch ggf. in grenzüberschreitenden Fällen wäre damit regelmäßig erforderlich, die Angemessenheit des vereinbarten Zinssatzes durch entsprechende Datenbankstudien zu belegen.

Hinweis: Wie Sie bei gruppeninternen Finanztransaktionen mit Datenbankstudien zu mehr Rechtssicherheit gelangen, lesen Sie hier.

Dem Gesetzentwurf nicht zu entnehmen ist schließlich, in welcher Reihenfolge die neue Zinshöhenschranke und die Zinsschranke zur Anwendung kommen sollen. Aus der gesetzlichen Reihung könnte zu schließen sein, dass die Abziehbarkeit von Zinsaufwendungen zunächst durch die Zinsschranke begrenzt wird, was die Überführung von die Zinsschranke übersteigenden Zinsaufwendungen in einem Zinsvortrag zur Folge hätte. Die im Rahmen der Zinsschranke grds. abziehbare konzerninternen Zinsen wären dann in einem zweiten Schritt im Hinblick auf den angewendeten Zinssatz zu überprüfen. Sollte hingegen zunächst die Abziehbarkeit der Zinsaufwendungen an der Zinshöhenschranke zu messen sein, droht eine entsprechende dauerhafte steuerliche Nichtberücksichtigung von Zinsaufwendungen. Eine gesetzgeberische Klarstellung wäre hier wünschenswert.

Weiteres Gesetzgebungsverfahren

Es ist damit zu rechnen, dass der Bundestag am 17.11.2023 und der Bundesrat Mitte Dezember 2023 final über das Gesetz beschließen werden.

Fazit

In Zeiten disruptiver Veränderungen des Wirtschaftslebens in Deutschland, denen Unternehmen mit Investitionen in Zukunftstechnologien begegnen sollten, und deutlich steigenden Zinsen, die im Falle der Fremdfinanzierung zu entsprechend höheren Zinsaufwendungen führen werden, dürften Begrenzungen der Abziehbarkeit der Zinsaufwendungen über die bereits ohnehin bestehenden Regelungen hinaus oftmals zu einer Erhöhung der Steuerbelastung und damit zu einer Verschärfung der ohnehin angespannten Liquiditätssituation für die betroffenen Unternehmen führen.

Der vermeintliche Wunsch des Gesetzgebers, dass Unternehmen in Deutschland verstärkt auf Eigenkapitalfinanzierung setzen sollen, lässt sich derzeit nicht erfüllen, sind die meisten Unternehmen noch damit befasst, Auswirkungen der Corona-Krise und der wirtschaftlichen Auswirkungen des Ukraine-Krieges zu überwinden.

Vor allem Konzerne sind gefordert, die weitere Entwicklung des Gesetzgebungsverfahrens aufmerksam zu verfolgen. Bereits jetzt sollten mögliche Anpassungen der Konzernfinanzierungen geprüft werden, um nicht 2024 steuerliche Nachteile zu erleiden. Was konkret angezeigt ist, ergibt sich dabei erst nach Würdigung des Einzelfalls.