
Ableitung des gemeinen Werts eines Kapitalgesellschaftsanteils aus Verkäufen
Ist für Zwecke der Erbschaft- und Schenkungsteuer ein nicht börsennotierter Anteil an einer Kapitalgesellschaft zu bewerten, können Verkäufe unter fremden Dritten, die weniger als ein Jahr zurückliegen, nur dann herangezogen werden, wenn die Veräußerung im gewöhnlichen Geschäftsverkehr nach marktwirtschaftlichen Grundsätzen erfolgt ist. Zudem erteilt der BFH dem Abzug eines dabei über Jahre gleichbleibenden pauschalen Holdingabschlags eine Absage.
Im Streitfall trat ein Vater Teilgeschäftsanteile an seinem nicht börsennotierten Geschäftsanteil an einer Holdingkapitalgesellschaft an seine drei Kinder unentgeltlich ab. Im Gesellschaftsvertrag der Gesellschaft war u. a. vorgesehen, dass Anteile nur nach vorheriger Zustimmung eines dafür beauftragten Gesellschafters veräußert werden durften. Auch sollte die Veräußerung vorzugsweise innerhalb des Familienstamms des verkaufswilligen Gesellschafters erfolgen. Gemäß einer von der Gesellschafterversammlung beschlossenen Richtlinie war für Verkäufe der von der Zentralabteilung Steuern der Gesellschaft ermittelte gemeine Wert i. S. v. § 11 BewG maßgebend. Dieser wurde auf Basis von Börsenwerten oder voraussichtlichen Erträgen unter Anwendung eines Vervielfältigers bei den Beteiligungsgesellschaften sowie der Nettofinanzposition der Holdingsgesellschaft als „Net Asset Value“ ermittelt, jedoch gemindert um einen Marktabschlag von 20 %, wodurch die Holdingkosten sowie die geringere Handelbarkeit der Anteile berücksichtigt werden sollten. Die zu verkaufenden Anteile wurden vom Verwaltungsbüro angeboten, hierbei wurde bei der Reihenfolge der Personen, denen ein Anteil angeboten wurde, der Verwandtschaftsgrad berücksichtigt. Binnen eines Jahres vor der unentgeltlichen Übertragung der Teilgeschäftsanteile durch den Vater an seine Kinder erfolgten 63 Verkäufe, bei denen der Verkaufspreis auf diese Weise ermittelt wurde. Auf Grundlage dieser Verkäufe wurde der Wert des jeweils unentgeltlich übertragenen Anteils gegenüber dem Feststellungsfinanzamt. erklärt.
Mit Urteil vom 25.09.2024 (Az. II R 49/22, DStR 2025, S. 268) führt der BFH dazu aus, dass sich der gemeine Wert des unentgeltlich übertragenen Teilgeschäftsanteils grundsätzlich auch aus Verkäufen unter fremden Dritten ableiten lässt, die weniger als ein Jahr zurückliegen (§ 11 Abs. 2 Satz 2 BewG).
Aus den hier erfolgten 63 Verkäufen könne jedoch kein gemeiner Wert abgeleitet werden. Durch das im entschiedenen Fall angewandte Verfahren, das eine Reihenfolge der Verkaufsangebote nach dem Verwandtschaftsgrad vorsah, konnte sich nach Auffassung des BFH kein frei ausgehandelter Preis nach den marktwirtschaftlichen Grundsätzen von Angebot und Nachfrage bilden. Hierfür soll auch sprechen, dass die Verkaufspreise für einen Zeitraum stets dieselben waren. Auch scheide eine Ableitung des gemeinen Werts aus den Verkäufen wegen des pauschalen Holdingabschlags aus. Vorgenommene Abschläge müssten vielmehr dem Grunde als auch der Höhe nach objektivierbar und wirtschaftsgutbezogen sein, was bereits durch die gleichbleibende Höhe des Abschlags widerlegt werde.
Hinweis: Mangels eines aus zeitnahen Verkäufen unter fremden Dritten ableitbaren gemeinen Werts sieht der BFH im Streitfall den Ansatz des „Net Asset Value“ als Substanzwert vor, der zugleich die Bewertungsuntergrenze bildet (§ 11 Abs. 2 Satz 3 BewG).
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