
Zugewinngemeinschaft – jedem Ehepartner gehört die Hälfte!? Ein Irrglaube und dessen Herausforderungen
Mit der Ehe gehen neben den vielen Vorteilen auch rechtliche und finanzielle Verpflichtungen einher. Dazu gehört auch die Wahl des sog. Güterstands. In Deutschland gibt es verschiedene Güterstände, von denen die Zugewinngemeinschaft am häufigsten vorkommt. Doch was bedeutet das genau und warum ist der Gedanke, dass jedem Ehepartner automatisch die Hälfte gehört, ein Irrglaube?
Bei einer Eheschließung ist die Zugewinngemeinschaft in Deutschland der gesetzliche Güterstand, wenn die Ehepartner nicht durch einen Ehevertrag etwas anderes regeln. Zugewinngemeinschaft bedeutet, dass das Vermögen, welches jeder Ehepartner in die Ehe einbringt, im Eigentum dieses Ehepartners bleibt. Während der Ehe neu erworbenes Vermögen (von Erbschaften und Schenkungen abgesehen) sowie Wertsteigerungen des in die Ehe eingebrachten Vermögens (sog. Zugewinn) werden mit Beendigung der Zugewinngemeinschaft (z. B. durch Scheidung oder beim Todesfall eines Ehepartners) im Rahmen des sog. Zugewinnausgleichs aufgeteilt.
Der Irrglaube der Hälfte
Viele Eheleute glauben, dass in der Zugewinngemeinschaft bereits während der Ehe alles automatisch geteilt wird. Tatsächlich bleibt das während der Ehe erworbene Vermögen aber im Eigentum desjenigen Ehepartners, der es erworben hat. Es erfolgt keineswegs eine automatische hälftige Teilung des gesamten Vermögens. Erst am Ende der Ehe wird geprüft, welcher Ehepartner während der Ehe mehr Vermögen erwirtschaftet hat, und folglich dem anderen Ehepartner einen Zugewinnausgleich schuldet.
So haben viele Eheleute während ihrer Ehe ein gemeinsames Konto, auf das etwa beide Gehälter fließen und auf das sie beide vollen Zugriff haben (sog. Oder-Konten). Von dem Vermögen erwerben sie bspw. eine Ferienimmobilie, für die beide als Eigentümer eingetragen werden oder schließen Lebensversicherungen ab, die beide begünstigen. Teilweise wird das Vermögen in einem Wertpapierdepot angelegt, welches den Eheleuten gemeinsam gehört. Häufig stammt das Geld jedoch überwiegend nur aus dem Gehalt des besserverdienenden Ehegatten, etwa in Alleinverdienerehen oder im Falle der Teilzeitbeschäftigung eines Ehegatten.
Aus Sicht der Finanzverwaltung handelt es sich regelmäßig um anzeigepflichtige Schenkungen zwischen Ehepartnern, wenn während der Ehe ein vermeintlich gemeinschaftliches Vermögen aufgebaut wird, das jedoch nicht hälftig von beiden erwirtschaftet wurde. Vielen Eheleuten ist nicht bewusst, dass solche Schenkungen steuerpflichtig sind, wenn ein Partner dem anderen innerhalb von zehn Jahren mehr als 500.000 Euro zuwendet.
Werden solche Zuwendungen nachträglich von der Finanzverwaltung entdeckt, können sich die Ehegatten in der Regel nicht auf eine Verjährung der Schenkungsteuer berufen. Das Finanzamt kann die Schenkungsteuer für die Schenkungen ab dem Ablauf des Jahres, in dem der Schenker gestorben ist oder die Finanzbehörde von einer Schenkung Kenntnis erlangt hat, noch vier Jahre lang festsetzen. Folglich kann die Schenkungsteuer in der Regel auch für lange zurückliegende Vorgänge festgesetzt werden. Damit nicht genug: Denn die Finanzverwaltung kann auch noch den Vorwurf der Steuerhinterziehung erheben, der bei beachtlichen Zahlungen sehr schwer wiegen kann.
Problematik der Oder-Konten
Das Führen von Oder-Konten in der Zugewinngemeinschaft ist oftmals problematisch. Nach der Rechtsprechung des BFH führt die Einführung und das Unterhalten eines Oder-Kontos zumindest nicht unmittelbar zu schenkungsteuerlich relevanten Vorgängen zwischen den Eheleuten. Eine Bereicherung des nicht einzahlenden Ehegatten ist nur dann gegeben, wenn und soweit dieser im Verhältnis zum einzahlenden Ehegatten tatsächlich und rechtlich frei über das eingezahlte Guthaben verfügen kann. Hierbei ist die Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalls maßgebend.
Bei fehlenden schriftlichen oder mündlichen Vereinbarungen der Ehegatten ist die Gesamtwürdigung in erster Linie anhand des Verhaltens der Ehegatten vorzunehmen. Dabei ist maßgeblich, wie die Ehegatten das Oder-Konto tatsächlich handhaben und wie sie die Mittel verwenden, die sie nicht für die Lebensführung benötigen.
Kann der nicht oder nur im geringen Umfang auf das Oder-Konto einzahlende Ehegatte auf die vom anderen Ehegatten geleisteten Mittel zur Bildung eigenen Vermögens zurückgreifen, kann dies ein Indiz dafür sein, dass jeder Ehegatte über den auf ihn entfallenden Teil des Guthabens tatsächlich und rechtlich frei verfügen, mithin eine Schenkung unterstellt werden kann.
Verwendet der nicht einzahlende Ehegatte nur im Einzelfall einen Betrag zur Bildung oder zum Erwerb eigenen Vermögens, kann dies darauf hindeuten, dass sich die Zuwendung des einzahlenden Ehegatten an den anderen Ehegatten auf diesen einzelfallbezogenen Betrag beschränkt und somit nicht einen hälftigen Anteil am gesamten Guthaben auf dem Oder-Konto betrifft.
In der Praxis rechnet die Finanzverwaltung die Guthaben auf Oder-Konten den Ehepartnern oftmals hälftig zu. Diese Aufteilung sollte aber nicht ungeprüft übernommen werden. Maßgebend sind vielmehr die zwischen den Ehegatten getroffenen Abreden, die zwar auch konkludent erfolgen können, aus Nachweisgründen aber möglichst schriftlich festgehalten werden sollten. Absolute Sicherheit kann nur durch die Einrichtung getrennter Konten erreicht werden.
Die Güterstandschaukel als Lösung
Die Heilung von in der Vergangenheit unwissentlich erfolgten Ehegattenschenkungen ist regelmäßig durch die sog. Güterstandschaukel möglich. Durch die notarielle Beendigung des Güterstands und die güterrechtliche Abwicklung der Zugewinngemeinschaft entsteht von Gesetzes wegen eine nicht steuerbare Ausgleichsforderung, worauf die bereits erfolgten Zuwendungen während der Ehe angerechnet werden. Aufgrund der Anrechnung der Zuwendungen während der Ehe auf die Ausgleichsforderung erlischt die Steuer mit Wirkung für die Vergangenheit. Nach Beendigung des Güterstands kann die Zugewinngemeinschaft unmittelbar notariell neu begründet werden. Dieses Vorgehen wird von der Rechtsprechung nicht als rechtsmissbräuchlich angesehen. Erforderlich ist jedoch eine sorgfältige Planung und Beratung durch erfahrene Steuerberater und Notare.
Fazit
Die Zugewinngemeinschaft schafft neben wichtigen Steuervorteilen (insb. bei Erbfällen) einige praktische Herausforderungen im Umgang mit dem Aufbau von gemeinschaftlichem Vermögen während der Ehe. Vermögenden Ehepaaren ist daher zu empfehlen, sich über die tatsächlichen rechtlichen und steuerlichen Konsequenzen zu informieren, um unbewusste Schenkungen zu vermeiden. Die Güterstandschaukel stellt dabei eine effektive Methode dar, um Vermögen zwischen den Eheleuten steueroptimal zu strukturieren und komplizierte Vermögensaufteilungen zu vermeiden.
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