BFH zur Rechnungsberichtigung bei innergemeinschaftlichem Dreiecksgeschäft
Dem EuGH folgend versagt nun auch der BFH die Rückwirkung einer entsprechenden nachträglichen Rechnungskorrektur bei Anwendung der Vereinfachungsregelung des innergemeinschaftlichen Dreiecksgeschäfts, so dass in den Jahren der Lieferung die Voraussetzungen des § 3d Satz 2 UStG (noch) vorliegen.
Hintergrund der Entscheidung
Wieder hatte sich ein Gericht mit der Anwendung der umsatzsteuerlichen Vereinfachungsregelung bei missglückten Dreiecksgeschäften wegen fehlerhafter Rechnungsstellung eines mittleren Unternehmers zu befassen.
Mit Urteil vom 08.12.2022 (Rs. C-247/21, Luxury Trust Automobil GmbH, DStR 2022, S. 2675) verneinte der EuGH die Anwendbarkeit der Vereinfachungsregelung, da der Enderwerber mangels ordnungsgemäßer Rechnungen des mittleren Unternehmers nicht wirksam zum Steuerschuldner bestimmt wurde. Auch das Österreichische Bundesfinanzgericht (öBFG) entschied in einem ähnlichen Fall in entsprechender Weise. In dem Verfahren ging es um die Berichtigung in 2015 von Rechnungen für in den Jahren 2011 bis 2014 ausgeführte innergemeinschaftliche Dreiecksgeschäfte. Anders als in der Luxury Trust-Entscheidung konnten die berichtigten Rechnungen auch dem Endabnehmer zugestellt werden, da es sich nicht um sog. missing trader handelte.
Das öBFG erkannte diese Korrekturen mit Wirkung ex nunc, also im Jahr der Korrektur, an und lässt damit die Heilung der missglückten Dreiecksgeschäfte zu (Urteil vom 07.12.2023, Az. RV/6101039/2015). Diese Sichtweise vertrat bereits die Generalanwältin des EuGH in ihren Schlussanträgen, auf die das öBFG mehrfach Bezug nahm.
Sachverhalt und Kernaussagen der BFH-Entscheidungen
Mit Urteilen vom 17.07.2024 (Az. XI R 35/22 (XI R 14/20) und Az. XI R 34/22 (XI R 38/19)) befasste sich nun auch der BFH mit der Rechnungsberichtigung des mittleren Unternehmers eines innergemeinschaftlichen Dreiecksgeschäfts.
Ebenso wie im österreichischen Fall berichtigte im Verfahren (Az. XI R 34/22 (XI R 38/19) der in Deutschland ansässige mittlere Unternehmer (Kläger) im Jahr 2015 seine Rechnungen über in 2013 erfolgte Warenlieferungen aus Italien in die Slowakei. Im Verfahren (Az. XI R 35/22 (XI R 14/20) wurden für Warenlieferungen aus verschiedenen EU-Mitgliedstaaten nach Polen in den Jahren 2008 bis 2013 im Jahr 2015 die Rechnungen berichtigt.
Da in den Streitjahren die Versteuerung in den jeweiligen Bestimmungsländern durch den Kläger unterblieb und die Rechnungen nicht den für Dreiecksgeschäfte zwingenden Hinweis auf die Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers enthielten, unterlagen die innergemeinschaftlichen Erwerbe des jeweiligen Klägers nach § 3d Satz 2 UStG der Erwerbsbesteuerung in Deutschland ohne korrespondierendes Vorsteuerabzugsrecht.
Nach Berichtigung der Rechnungen beantragte der jeweilige Kläger für die Streitjahre, also die Jahre der Lieferungen, keinen Fall des § 3d Satz 2 UStG anzunehmen. Während das Finanzamt die hiergegen gerichteten Einsprüche ablehnte, gab das Finanzgericht jeweils den Klagen statt. Das FG vertrat die Ansicht, dass die innergemeinschaftlichen Erwerbe gemäß § 3d Satz 2 Halbsatz 2 UStG bereits in den Streitjahren entfallen seien, weil der Kläger mit Rückwirkung die Rechnungen an die Kunden berichtigt habe.
Dem widersprach der BFH und folgte im Hinblick auf die Versagung der Rückwirkung der Rechnungsberichtigung der Rechtsprechung des EuGH:
- Bei fehlerhaften Rechnungen des mittleren Unternehmers eines innergemeinschaftlichen Dreiecksgeschäfts kommt der Rechnungsberichtigung keine Rückwirkung zu.
- Die Voraussetzungen für ein innergemeinschaftliches Dreiecksgeschäft lagen demnach in den Streitjahren (noch) nicht vor.
- Dementsprechend war (in den Streitjahren) weder das Besteuerungsrecht der Bundesrepublik Deutschland nach § 3d Satz 2 Halbsatz 2 UStG weggefallen noch kam die Besteuerungsfiktion des § 25b Abs. 3 UStG zu Anwendung.
Eigene Einschätzung
Der BFH hatte in beiden Verfahren nur über die Jahre, in denen die (zunächst missglückten) innergemeinschaftlichen Dreiecksgeschäfte ausgeführt wurden, zu entscheiden. Denn die Kläger begehrten in beiden Fällen die Nichtanwendung der sog. Strafsteuer nach § 3d Satz 2 UStG bereits im Jahr der Lieferung.
Hintergrund: Gemäß § 3d Satz 2 UStG gelten innergemeinschaftliche Erwerbe in anderen Mitgliedsstaaten, für die eine deutsche Umsatzsteueridentifikationsnummer verwendet wird, solange als in Deutschland bewirkt, bis der Nachweis der Erwerbsbesteuerung im anderen Mitgliedstaat (Zielland) geführt wird oder der Erwerb nach § 25b Abs. 3 UStG als besteuert gilt.
§ 25b Abs. 3 UStG setzt u. a. die Erteilung einer Rechnung durch den mittleren Unternehmer voraus, in der auf das Vorliegen eines innergemeinschaftlichen Dreiecksgeschäfts sowie die Steuerschuldnerschaft des letzten Abnehmers hingewiesen wird.
Für innergemeinschaftliche Erwerbe nach § 3d Satz 2 UStG ist der Vorsteuerabzug ausgeschlossen.
Mit Rückwirkung sind missglückte Dreiecksgeschäfte nicht heilbar, so dass (zunächst) die Rechtsfolge des § 3d Satz 2 UStG eintritt, dies hat nun der BFH entschieden.
Für das Jahr der Rechnungsberichtigung sollten dann die Voraussetzungen des § 3d Satz 2 2. Halbsatz UStG vorliegen mit der Folge, dass in diesem Zeitraum die Erwerbsbesteuerung nach § 3d Satz. 2, § 17 Abs. 2 Nr. 4 UStG rückgängig gemacht werden kann.
Dies hatte der BFH in den vorliegenden Urteilen mangels Entscheidungserheblichkeit nicht ausdrücklich ausgeführt, es ergibt sich aber aus den Urteilsbegründungen. Denn der BFH führt in beiden Fällen aus, dass die Voraussetzungen für das innergemeinschaftliche Dreiecksgeschäft in den Streitjahren (noch) nicht vorlagen. Dies entspricht im Übrigen auch den Ausführungen der Generalanwältin Kokott in der Rechtsache Luxury Trust Automobil GmbH (EuGH-Urteil vom 08.12.2022, Rs. C-247/21) und wurde bereits durch das Österreichische Bundesfinanzgericht in der o. g. Entscheidung so entschieden. Weitere Informationen zur EuGH-Entscheidung Luxury Trust und den Ausführungen der Generalanwältin, entnehmen Sie bitte unserem Newsletter.
Sind Rechnungsberichtigungen noch möglich, bleibt damit beim mittleren Unternehmer nur ein Zinsschaden hängen.
Die vorliegenden Urteile sind zu begrüßen, als dass der BFH zumindest indirekt die Heilungsmöglichkeit bei missglückten innergemeinschaftlichen Dreiecksgeschäften, wenn auch nicht mit Rückwirkung, bestätigt und damit zur weiteren Rechtssicherheit beiträgt. Zweifel daran, die nach Veröffentlichung der Luxury Trust-Entscheidung des EuGH teilweise hochkamen, dürften damit nun ausgeräumt sein.
Was bedeutet das für Sie in der Praxis?
Überprüfung der Rechnungsangaben geboten
Unternehmer, die als mittlere Unternehmer von der Vereinfachungsregelung für Dreiecksgeschäfte Gebrauch machen, sollten die vorliegende Entscheidung zum Anlass nehmen, die Angaben auf der Rechnung an den letzten Abnehmer zu überprüfen. Neben dem Hinweis über das Vorliegen eines innergemeinschaftlichen Dreiecksgeschäfts muss auch ein Hinweis auf die Steuerschuldnerschaft des Abnehmers enthalten sein. Zudem müssen die eigene Umsatzsteuer-Identifikationsnummer und die des Abnehmers angegeben werden.
Hinweis: Sofern die Abrechnung mittels Gutschrift durch den Abnehmer erfolgt, muss beachtet werden, dass in diesem Fall die Gutschrift nach den Bestimmungen des Bestimmungsmitgliedstaates erteilt wird und die dort geltenden Rechnungsangaben beachtet werden müssen. Eine Bestätigung durch den Abnehmer oder einen lokalen Berater kann bei großen Volumina geboten sein.
Gültigkeitsabfrage der durch den letzten Abnehmer verwendeten Umsatzsteuer-Identifikationsnummer
Neben der Angabe der USt-IdNr. des letzten Abnehmers auf der Rechnung sollte diese zudem auf ihre Gültigkeit im Zeitpunkt der Lieferung überprüft werden.
Generell sollten Unternehmer auch bei Rechnungstellung ohne offenen Umsatzsteuerausweis auf die Erteilung ordnungsgemäßer Rechnungen achten. Auch wenn in den vergangenen Jahren, insbesondere auch vor dem Hintergrund der Anerkennung von Rechnungsberichtigungen mit Rückwirkung, eine gewisse Entspannung zu beobachten war, werden gleichwohl teilweise ordnungsgemäße Rechnungen, insbesondere bei der Inanspruchnahme besonderer Begünstigungen (so beispielsweise bei der Steuerfreiheit für innergemeinschaftliche Lieferungen) oder von Vereinfachungsregelungen (wie beispielsweise im Streitfall die des innergemeinschaftlichen Dreiecksgeschäfts) vorausgesetzt. Dies kann, wie die vorliegende Entscheidung zeigt, auch Rechnungen ohne offenen Umsatzsteuerausweis betreffen.
Heilungsmöglichkeiten bei missglückten Dreiecksgeschäften
Zu begrüßen ist, dass der BFH mit großer Wahrscheinlichkeit von der generellen Heilungsmöglichkeit bei missglückten Dreiecksgeschäften ausgeht. Restriktionen könnten unter Umständen dann bestehen, wenn nach lokalem Recht des Bestimmungslandes eine rückwirkende Anwendung der Vereinfachungsregelung ausnahmsweise ausgeschlossen sein sollte.
Dies deckt sich unserer Erfahrung nach auch mit der bisherigen Handhabung in einigen EU-Staaten, die eine rückwirkende Anwendung des Dreiecksgeschäfts schon bisher zulassen.
Hinweis: Da eine restriktivere Handhabung in einzelnen Ländern jedoch nicht ausgeschlossen werden kann, sollten unbedingt bei Direktlieferungen zwischen verschiedenen Mitgliedsstaaten im Vorfeld die Parameter für die Anwendung der Vereinfachungsregelung abgestimmt und die Prozesse für die Abwicklung (inklusive ordnungsgemäßer Rechnungsstellung) entsprechend eingerichtet werden.
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