EuGH zur festen Niederlassung in Lohnveredelungsfällen
Der EuGH entschied, dass ein Unternehmer am Ort des Betriebs seines Dienstleisters keine feste Niederlassung im Sinne der Mehrwertsteuersystemrichtlinie begründet und setzt damit seine bisherige Rechtsprechung fort.
In dem Urteilsfall war ein in Belgien ansässiges Lohnveredelungsunternehmen auf Grundlage eines Exklusivvertrags ausschließlich für einen Auftraggeber mit Sitz in der Schweiz tätig. Das belgische Unternehmen nutzte seine gesamte Produktionskapazität für die Verarbeitung der Rohstoffe, die der schweizerische Auftraggeber zulieferte. Daneben erbrachte das belgische Dienstleistungsunternehmen weitere Neben- und Zusatzleistungen für den Auftraggeber. Beide Unternehmen sind rechtlich unabhängig, jedoch mittelbar über eine Holding miteinander verbunden. Strittig war, in welchem Land die Lohnveredelungsleistungen des belgischen Unternehmens steuerbar und steuerpflichtig sind. Würde über den Exklusivvertrag eine Betriebstätte des Schweizer Auftraggebers begründet, könnten u. U. die Leistungen in Belgien aufgrund eines Leistungsbezugs durch eine dort belegene Niederlassung der Umsatzsteuer unterliegen. Liegt demgegenüber keine Betriebstätte vor, wäre der Leistungsort am (wirtschaftlichen Sitz) des Schweizer Auftraggebers.
In seinem Urteil vom 29.06.2023 (Rs. C-232/22, Cabot Plastics Belgium SA, DStR 2023, S. 1595) entschied der EuGH, dass in dem Ansässigkeitsstaat eines rechtlich unabhängigen Dienstleisters keine feste Niederlassung des Auftraggebers begründet wird, auch wenn der Dienstleister vertraglich verpflichtet ist, seine Anlagen und sein Personal ausschließlich für die Erbringung von Leistungen an den Auftraggeber zu nutzen.
Hierzu führt der EuGH aus, dass für die Annahme einer festen Niederlassung die in Belgien genutzten Produktionsmittel zwar nicht im Eigentum des Auftraggebers stehen müssten, er aber in der Lage sein müsste, über diese wie über eigene Mittel zu verfügen. Dies sei auch bei einem Exklusivvertrag, bei dem der Dienstleister ausschließlich für den Auftraggeber tätig wird, nicht gegeben. Auch der Umstand, dass es sich um verbundene Unternehmen handelt, führt nicht zur Begründung einer Niederlassung. Zudem würden Lohnveredelungsleistungen von einer Muttergesellschaft grundsätzlich dort bezogen werden, wo sich deren personelle und technische Ausstattung befindet.
Hinweis: Mit dem vorliegenden Urteil bestätigt der EuGH seine bisherige Rechtsprechung, wonach eine Tochtergesellschaft nicht per se eine Betriebstätte der Muttergesellschaft begründet (vgl. EuGH-Urteil vom 07.04.2022, Rs. C-333/20, Berlin Chemie). Insofern trägt das vorliegende Urteil zur weiteren Rechtsicherheit bei der Fragestellung „Begründung von umsatzsteuerlichen Niederlassungen durch unabhängige Tochtergesellschaften" und zudem zur Rechtssicherheit bei der Bestimmung des Leistungsortes in Lohnveredelungsfällen bei. Explizit hat der EuGH dies zwar nur für im Drittland ansässige Auftraggeber entschieden, nichts anderes sollte aber auch für in der EU ansässige Auftraggeber gelten. Zu beachten ist jedoch, dass dies nur gilt, wenn die Lohnveredelungsleistungen als sonstige Leistungen zu qualifizieren sind. Verwendet der Auftragnehmer demgegenüber Hauptstoffe, gelten für seine Leistung und die Leistungsortbestimmung Liefergrundsätze.