
Leistungen eines Fitnessstudios während des Corona-Lockdowns
Der BFH stellt klar, dass die Fortzahlung von Mitgliedsbeiträgen an ein pandemiebedingt geschlossenes Fitnessstudio einen steuerbaren Leistungsaustausch begründet.
Der BFH hat sich in zwei Verfahren mit den Auswirkungen der behördlich angeordneten Schließungen von Fitnessstudios während des Corona-Lockdowns auf die umsatzsteuerliche Behandlung der Mitgliedsbeiträge befasst (BFH-Urteile vom 13.11.2025, Az. XI R 5/23 und Az. XI R 36/22).
In den Urteilsfällen konnte aufgrund der pandemiebedingt angeordneten Schließungen über mehrere Monate kein regulärer Trainingsbetrieb in den Räumlichkeiten der Fitnessstudios stattfinden. Während dieses Zeitraumes bestanden verschiedene Alternativangebote wie Online-Kurse, die Erstellung von Trainingsplänen und telefonischer Service. Ferner wurde den Mitgliedern mitgeteilt, dass der Zeitraum der Schließung am Ende der Vertragslaufzeit ihrer Mitgliedschaft beitragsfrei ersetzt werde (kostenfreie Zusatzmonate).
Zahlreiche Mitglieder bezahlten für den Zeitraum der Schließung weiterhin reguläre Mitgliedsbeiträge. Hinsichtlich der umsatzsteuerlichen Behandlung dieser Mitgliedsbeiträge war streitig, ob während des Lockdowns ein Leistungsaustausch zwischen den Fitnessstudiobetreibern und den Mitgliedern bestand.
Zivilrechtliche Einordnung
Zivilrechtlich hat der BGH für einen ähnlich gelagerten Fall bereits entschieden, dass Leistungen eines Fitnessstudios bei pandemiebedingter Schließung nicht mehr nachholbar sind und der Betreiber nach den zivilrechtlichen Regelungen von seiner Leistungsverpflichtung frei wird. Gleichzeitig haben die Mitglieder einen Anspruch auf Rückzahlung der Monatsbeiträge (BGH-Urteil vom 04.05.2022, Az. XII ZR 64/21, BGHZ 233 S. 266).
Kostenfreier Zusatzmonat begründet einen Leistungsaustausch
Maßgeblich für die umsatzsteuerliche Behandlung der Mitgliedsbeiträge während des Lockdowns ist die Frage, ob zwischen den Zahlungen der Mitglieder und den Leistungen des Fitnessstudios ein Leistungsaustausch besteht. Dies sei laut BFH unabhängig von der zivilrechtlichen Beurteilung zu entscheiden.
Der BFH führt aus, dass das Einräumen der kostenfreien Zusatzmonate nach Ablauf der ursprünglich vereinbarten Vertragslaufzeit einen verbrauchsfähigen Vorteil darstelle. Der umsatzsteuerrechtliche Leistungsaustausch ergebe sich aus dem wirtschaftlichen Zusammenhang zwischen den vom Unternehmer im Voraus vereinnahmten Mitgliedsbeiträgen (Gegenleistung) und dem verbrauchsfähigen Vorteil in Gestalt der kostenfreien Zusatzmonate.
Ein solcher Leistungsaustausch bestehe auch sofern keine zivilrechtlich wirksame Vereinbarung über die Gewährung der Zusatzmonate zwischen dem Kunden und dem Fitnessstudiobetreiber vorliegt.
Mitgliedsbeiträge als Anzahlungen
Auch unabhängig von der Gewährung des kostenfreien Zusatzmonats kommt der BFH zu dem Ergebnis, dass die fortgesetzten Zahlungen der Mitgliedsbeiträge der Umsatzsteuer zu unterwerfen seien: Selbst wenn der Kläger gegenüber den Mitgliedern seines Fitnessstudios keine Leistung erbracht hat, da die Leistungserbringung durch den Corona-Lockdown unmöglich wurde, seien die vereinnahmten Entgelte jedenfalls Anzahlungen für steuerpflichtige monatliche Teilleistungen im Rahmen eines über die gesamte Vertragslaufzeit bestehenden Dauerschuldverhältnisses.
In diesem Zusammenhang verweist der BFH auf die bestehende BFH- und EuGH-Rechtsprechung zur Minderung der Bemessungsgrundlage: Eine Minderung der Bemessungsgrundlage nach § 17 Abs. 2 Nr. 2 UStG i.V.m. § 17 Abs. 1 Satz 1 UStG wegen einer nicht erbrachten Teilleistung erfolge auch im Falle der Unmöglichkeit der Leistung erst dann, wenn die hierfür entrichtete Anzahlung tatsächlich zurückgewährt wird. Das Bestehen eines Rückzahlungsanspruchs rechtfertige noch keine Minderung der Bemessungsgrundlage. Der bloße Umstand, dass die Kunden zivilrechtlich einen Anspruch auf Rückzahlung des Entgelts für die vereinbarte Leistung hatten, soweit die vereinbarte Leistung, nämlich die Nutzung sämtlicher Einrichtungen des Fitnessstudios während der Schließzeiten tatsächlich nicht ausgeführt wurde, reiche danach für eine Minderung der Bemessungsgrundlage gerade nicht aus (EuGH-Urteil vom 13.03.2014, Rs. C-107/13, FIRIN; BFH-Urteil vom 19.07.2007 - V R 11/05, BStBl. II 2007, S. 966).
Hinweis: Offen bleibt, inwiefern durch die Alternativangebote der Fitnessstudios wie Online-Kurse, die Erstellung von Trainingsplänen und telefonischer Service ein umsatzsteuerbarer Leistungsaustausch begründet wurde.
Handlungsempfehlung
Mit den beiden Entscheidungen hat der BFH eine höchstrichterliche Klarstellung vorgenommen, nachdem zuvor durch die Finanzgerichte unterschiedlich entschieden worden war (FG Hamburg Urteil vom 16.02.2023, Az. 6 K 239/21 Kein Leistungsaustausch; anders hingegen Schleswig-Holsteinisches FG, Urteil vom 16.11.2022, Az. 4 K 41/22).
Da zahlreiche Fitnessstudios sich während des Corona-Lockdowns in einer mit den Urteilsfällen vergleichbaren Situation befanden, sollten Unternehmen der Fitnessbranche nun prüfen, welche konkreten Auswirkungen diese BFH-Entscheidungen auf die ggf. noch offenen Umsatzsteuerveranlagungen haben.
Auch Unternehmen anderer Wirtschaftszweige, die von coronabedingten Schließungen betroffen waren wie Kunst- und Kultureinrichtungen, sollten sorgfältig untersuchen, inwiefern die vom BFH getroffenen Feststellungen übertragbar sind.
Die Entscheidungen unterstreichen deutlich die Tendenz des BFH, im Zweifelsfall bei vereinnahmten Zahlungen von einer steuerbaren Leistung auszugehen auch wenn die eigentlich vereinbarte Leistung nicht erbracht wurde. Entsprechend hat der BFH für den Fall einer Fluggesellschaft entschieden, die bei nicht in Anspruch genommenen Flügen den Flugpreis nicht erstattet (BFH-Urteil vom 15.09.2011, Az. V R 36/09, BStBl. II 2012, S. 365). Auch bei einer versehentlichen Über- oder Doppelzahlung des Leistungsempfängers geht der BFH von steuerpflichtigem Entgelt aus, sofern die zu viel entrichteten Beträge nicht zurückbezahlt werden (BFH-Urteil vom 19.07.2007, Az. V R 11/05, BStBl. II 2007, S. 966).
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