Verlustverrechnungsbeschränkung bei Termingeschäften verfassungswidrig?

13.02.2024 | 3 Minuten Lesezeit

Das FG Rheinland-Pfalz äußert mit Beschluss vom 05.12.2023 (Az. 1 V 1674/23) verfassungsrechtliche Zweifel an der Verlustverrechnungsbeschränkung bei Termingeschäften und nährt damit die Hoffnung, dass hier eine Änderung erfolgen könnte.

Seit 2021 dürfen Verluste aus Termingeschäften, insbesondere aus Optionen, Forwards, Futures oder Differenzkontrakten (sog. CFDs), nur noch mit Gewinnen aus solchen Termingeschäften und nur noch bis zu einer Höhe von 20.000 Euro pro Jahr im Privatvermögen verrechnet werden („BMF-Steuerhammer“). Nicht verrechnete Verluste können lediglich in Folgejahre vorgetragen und jeweils in Höhe von 20.000 Euro mit Gewinnen aus Termingeschäften oder mit Einkünften aus Stillhalterprämien verrechnet werden. Eine Verrechnung mit anderen Einkünften aus Kapitalvermögen ist nicht möglich. § 20 Abs. 6 Satz 5 EStG bewirkt also, dass die Verlustverrechnung aus Termingeschäften zwar nicht generell versagt wird, jedoch nur mit (späteren) Gewinnen aus Termingeschäften bzw. Stillhalterprämien und dann nur zeitlich gestreckt zulässig ist. Der Gesetzgeber begründete die Einführung der Vorschrift mit dem spekulativen Charakter der Termingeschäfte, denen aufgrund ihrer begrenzten Laufzeit und Hebeleffekte ein höheres Totalverlustrisiko innewohne, was bei anderen Kapitalanlagen nicht in vergleichbarem Ausmaß der Fall sei. Durch die Neuregelung solle das Investitionsvolumen und die daraus für Anleger entstehenden Verlustrisiken aus diesen spekulativen Anlagen begrenzt werden.

Das FG Rheinland-Pfalz hat mit Beschluss vom 05.12.2023 „ernstliche Bedenken hinsichtlich der Verfassungsmäßigkeit der betragsmäßig beschränkten Verlustverrechnung gemäß § 20 Abs. 6 Satz 5 EStG" geäußert. In dem Sachverhalt hatte der Steuerpflichtige im Jahr 2021 Bruttogewinne in Höhe von rund 253.167 Euro und Bruttoverluste in Höhe von 229.824 Euro aus CFDs erzielt, sodass sich bei wirtschaftlicher Betrachtung ein tatsächlicher Nettogewinn vor Steuern von rund 23.343 Euro ergibt. Aufgrund der Verlustverrechnungsbeschränkung konnten jedoch nur Verluste in Höhe von 20.000 Euro von den Gewinnen abgezogen werden, so dass Einkünfte aus Kapitalvermögen in Höhe von 213.826 Euro resultierten. Gegen den Bescheid legte der Steuerpflichtige Einspruch ein und beantragte die Aussetzung der Vollziehung (AdV), u. a. mit Verweis auf das beim BVerfG unter dem Az. 2 BvL 3/21 anhängige Verfahren zu der eingeschränkten Verrechnung von Aktienverlusten im Privatvermögen.

Das Finanzgericht Rheinland-Pfalz setzte die Vollziehung des Steuerbescheids für 2021 aus und äußerte ausdrücklich Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Verlustverrechnungsbeschränkung bei Termingeschäften, da die betragsmäßige Beschränkung der Verlustverrechnung bei Termingeschäften gemäß § 20 Abs. 6 Satz 5 EStG zu einer Ungleichbehandlung führe, für die nach vorläufiger Prüfung kein sachlicher Rechtfertigungsgrund vorliege. Es sei dabei nicht schlüssig, weshalb eine Sofortversteuerung einzig für die Gewinne greifen solle. Es überzeuge auch nicht, dass der Eintritt von Verlusten bei Termingeschäften deutlich wahrscheinlicher sei. Vielmehr sei es den Einkünften aus Kapitalvermögen gerade wesensimmanent, dass sie häufig aus spekulativen Geschäften erzielt werden. Dass es mehr oder weniger risikoreiche Kapitalanlagen gibt, sei zwar zutreffend, rechtfertige aber noch nicht eine Verlustverrechnungsbeschränkung. Dies gelte umso mehr, als bei Termingeschäften auch überproportionale Gewinne denkbar sind, gegen deren sofortige Besteuerung der Gesetzgeber offenbar keine Bedenken hat. Es sei nun aber gerade Ausfluss des objektiven Nettoprinzips, dass Gewinne und Verluste steuerlich gleichbehandelt werden müssen. Auch erscheine es unrealistisch, dass der Steuerpflichtige bereits jetzt über 10 Jahre für eine vollständige Verlustnutzung brauche – vorausgesetzt, es stehen jedes Jahr positive Einkünfte aus Termingeschäften und Stillhalterprämien von mindestens 20.000 Euro zur Verfügung und es kommen keine weiteren Verluste hinzu. Der Steuerpflichtige wird durch die zeitliche Streckung geradezu animiert, weitere Termingeschäfte einzugehen, um die Verluste steuerlich nutzen zu können. Zudem unterliegt das Nettoergebnis in Höhe von nur 23.343 Euro einer Einkommensteuerbelastung i. H. v. 59.860 Euro. Dies führe zu einem unverhältnismäßigen und widersinnigen Ergebnis.

Gegen den Beschluss des FG Rheinland-Pfalz hat die Finanzverwaltung Beschwerde eingelegt, über die der BFH im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes zu befinden hat (Az. VIII B 113/23).

Fazit

Der Beschluss bestätigt die seit Einführung der Verlustverrechnungsbeschränkung bei Termingeschäften in der Literatur einhellig geäußerten Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Regelung des § 20 Abs. 6 Satz 5 EStG. Nun bleibt das erste Hauptsacheverfahren in dieser Frage abzuwarten.