11. Branchendialog Agrar und Ernährung: Zukunftsstrategien für die globale Ernährungs- und Agrarwirtschaft

26.09.2024 | 5 Minuten Lesezeit

Beim 11. Branchendialog Agrar und Ernährung versammelten sich erneut Expertinnen und Experten aus der Industrie und Finanzwirtschaft, um über die drängendsten Herausforderungen der Branche zu sprechen – und gemeinsam nach Lösungen zu suchen. Die hohe Teilnehmerzahl unterstreicht: Der Bedarf an Austausch und neuen Perspektiven ist größer denn je.

Der Branchendialog Agrar und Ernährung ist mittlerweile eine fest etablierte Plattform für den Austausch zwischen Finanzierern und führenden Managern der Agrar- und Ernährungsbranche. Gemeinsam führten die Partnerkollegen Christoph Havermann und Klaus Martin Fischer der RSM Ebner Stolz Management Consultants durch die Veranstaltung, die, wie in den Vorjahren, eine breite Themenpalette bot. So bekamen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer die Möglichkeit, aus erster Hand Einblicke in aktuelle Entwicklungen zu gewinnen und Strategien für die Zukunft zu diskutieren.

In einer Zeit, in der die Wirtschaft von Unsicherheit und Krisen geprägt ist, wird die Ernährungs- und Agrarwirtschaft zu einer Schlüsselindustrie des 21. Jahrhunderts. Sie bietet nicht nur Chancen zur Vermeidung von Verschwendung und zur Nutzung einer größeren Rohstoffvielfalt, sondern ist auch entscheidend für die Entwicklung attraktiver, zukunftsfähiger Produkte. Die Referenten beleuchteten zentrale Themen wie Nachhaltigkeit, Effizienzsteigerung und technologische Innovationen, die für die langfristige Sicherung der Lebensmittelversorgung und Wettbewerbsfähigkeit unverzichtbar sind. Im Fokus standen dabei die Auswirkungen des Klimawandels, die Bedeutung erneuerbarer Energien, die Transformation von Proteinmärkten sowie der Einsatz modernster Technologien zur Optimierung der Produktion.

Agrarhandel im Umbruch: Den Wandel gestalten

Michael Göthner, Vorstandsmitglied der Raiffeisen Warenzentrale (RWZ) Rhein-Main, sieht trotz aktueller Herausforderungen klare Zukunftsperspektiven für das Unternehmen und den Agrarhandel. Er beschrieb die RWZ als zuverlässigen Partner für Landwirte und Winzer und hob hervor: „Wir sind in der ganzen Wertschöpfungskette aktiv, vom Acker bis zum Endverbraucher.“

Ein zentrales Thema ist die Digitalisierung zur Effizienzsteigerung und Bewältigung des Fachkräftemangels. Zudem spielt Nachhaltigkeit eine wichtige Rolle, sowohl wirtschaftlich als auch ökologisch. Die RWZ hat Schritte in Richtung erneuerbare Energien unternommen, beispielsweise durch Windkraftprojekte und Biogas. Die Zusammenarbeit in Allianzen zur Nutzung von Synergien sah Göthner als zentral: „Das ist eigentlich die DNA, mit der wir unterwegs sind – dass man Dinge einfach bündelt und gemeinschaftlich macht.“

Agieren im Verdrängungsmarkt – Strategien für Alkoholfreie Getränke

„Orangensaft ist das meistgetrunkene Fruchtsaftgetränk in Deutschland, ist aber sehr teuer geworden, daher steht auf den Tischen vor Ihnen jetzt Apfelsaft." Humorvoll verwies Andreas Reimer, Geschäftsführer von riha WeserGold, zu Beginn auf die Flaschen eines Wettbewerbers. Diese Entwicklung verdeutlicht die aktuellen Marktbedingungen, geprägt von steigenden Rohstoffpreisen, Klimakrise und intensiver Bürokratie. Riha Wesergold agiert in mehreren Geschäftsfeldern, darunter Handelsmarken, Markengeschäfte wie Wesergold und Durstlöscher, sowie die Herstellung von Rohwaren wie Ananas- und Bananenkonzentraten.

Reimer sprach über die „Turnaround-Strategie" des Unternehmens. Angesichts sinkender Märkte und knapper Rohstoffe wurden umfassende Sparmaßnahmen ergriffen, darunter der Abbau von Produktionslinien und die Reduzierung von Mitarbeiterstellen. Ziel der Strategie ist es, alle Bereiche effizienter zu gestalten und die Wettbewerbsfähigkeit zu sichern. Ein weiterer Fokus liegt auf Nachhaltigkeit und Kostenorientierung. Das Unternehmen strebt an, nachhaltiger zu wirtschaften und gleichzeitig die Kosten weiter zu senken. Im Ergebnis konnte Riha Wesergold bereits 2023 ein positives operatives Ergebnis von 5 Millionen Euro erzielen.

Christoph Havermann (r.) und Klaus Martin Fischer (l.), Partner der RSM Ebner Stolz Management Consultants, führten durch die Veranstaltung.
Foto: RSM Ebner Stolz Management Consultants
Michael Göthner, Vorstandsmitglied der Raiffeisen Warenzentrale Rhein-Main, berichtete über die Rolle der RWZ beim Wandel des Agrarhandels.
Foto: RSM Ebner Stolz Management Consultants
Andreas Reimer, Geschäftsführer von riha WeserGold, sprach über die „Turnaround-Strategie“ des Unternehmens, um im Verdrängungsmarkt bestehen zu können.
Foto: RSM Ebner Stolz Management Consultants
Dr. Matthias Moser, Geschäftsführer der Stern-Wywiol Gruppe, thematisierte in seinem Vortrag die Herausforderungen und Chancen, um 9 Milliarden Menschen vielfältig und nachhaltig ernährenn zu können.
Foto: RSM Ebner Stolz Management Consultants
Dr. Wolfgang Kühnl präsentierte die „integrierte Proteinstrategie“, mit der sich die InFamily Foods-Gruppe zum Technologie- und Produktanbieter für die Proteinmärkte der Zukunft entwickelt.
Foto: RSM Ebner Stolz Management Consultants
Dr. André Vielstädte, Vorstandsmitglied der EW Group, sprach über Nachhaltige, sicherere und effiziente Wertschöpfungsketten in der Agrar- und Ernährungsindustrie.
Foto: RSM Ebner Stolz Management Consultants
Christoph Havermann (r.) und Klaus Martin Fischer (l.), Partner der RSM Ebner Stolz Management Consultants, führten durch die Veranstaltung.
Michael Göthner, Vorstandsmitglied der Raiffeisen Warenzentrale Rhein-Main, berichtete über die Rolle der RWZ beim Wandel des Agrarhandels.
Andreas Reimer, Geschäftsführer von riha WeserGold, sprach über die „Turnaround-Strategie“ des Unternehmens, um im Verdrängungsmarkt bestehen zu können.
Dr. Matthias Moser, Geschäftsführer der Stern-Wywiol Gruppe, thematisierte in seinem Vortrag die Herausforderungen und Chancen, um 9 Milliarden Menschen vielfältig und nachhaltig ernährenn zu können.
Dr. Wolfgang Kühnl präsentierte die „integrierte Proteinstrategie“, mit der sich die InFamily Foods-Gruppe zum Technologie- und Produktanbieter für die Proteinmärkte der Zukunft entwickelt.
Dr. André Vielstädte, Vorstandsmitglied der EW Group, sprach über Nachhaltige, sicherere und effiziente Wertschöpfungsketten in der Agrar- und Ernährungsindustrie.

We future food: Vielfalt und Nachhaltigkeit für 9 Milliarden

Dr. Matthias Moser, Geschäftsführer der Stern-Wywiol Gruppe, thematisierte in seinem Vortrag die Herausforderungen und Chancen einer nachhaltigen Ernährung für 9 Milliarden Menschen. Er betonte das Recht auf Nahrung als grundlegendes Menschenrecht, das eng mit globaler Stabilität verknüpft ist: „Krisen, Revolutionen und Bürgerkriege entstehen dort, wo die Grundbedürfnisse des Menschen nach Nahrung nicht erfüllt werden." Vor dem Hintergrund der wachsenden Weltbevölkerung, besonders in Regionen wie Zentralafrika und Südostasien, verwies Moser auf die Bedeutung effizienter und nachhaltiger Produktionssysteme sowie den Einsatz von Enzymen und funktionellen Zutaten, um Ressourcen zu schonen und die Produktqualität zu verbessern: „Funktionelle Lebensmittelzutaten sind ein Schlüssel, um die Lebensmittelproduktion nachhaltig und effizient zu gestalten.“

Moser sprach auch den Klimawandel und die Bedrohung der Landwirtschaft durch extreme Wetterbedingungen und Schädlinge, besonders in Europa, an. Er unterstrich die zentrale Rolle der Lebensmittelindustrie bei der Bewältigung dieser Herausforderungen durch innovative Technologien und nachhaltige Produktionsmethoden. Unternehmen wie die Stern-Wywiol Gruppe tragen durch ihre innovativen Produkte zur globalen Ernährungssicherung bei.

„Die integrierte Proteinstrategie – Vom Wursthersteller zum Produkt- und Technologieanbieter für Proteinmärkte der Zukunft!“

Die InFamily Foods entstand durch die Fusion zweier deutscher Familienunternehmen und kombiniert heute Fleischverarbeitung, pflanzliche Produkte und biotechnologische Innovationen. Dr. Wolfgang Kühnl stellte in seinem Vortrag die „integrierte Proteinstrategie" vor, die das Unternehmen von einem traditionellen Wursthersteller zu einem zukunftsorientierten Anbieter für Proteine weiterentwickelt hat. Er betonte, dass das Unternehmen seine Wurzeln beibehalten, aber „die Basis weiterentwickeln möchte hin zu einem Technologie- und Produktanbieter für die Proteinmärkte der Zukunft." Angesichts des steigenden globalen Proteinbedarfs setzt das Unternehmen auf konventionelle Tierhaltung, pflanzliche Proteine und biotechnologische Ansätze wie Cultivated Meat und Präzisionsfermentation. „Ein Proteinzuwachs von 50% oder mehr kann nur durch die Ergänzung alternativer Proteinquellen erreicht werden," erklärte Kühnl.

Die InFamily Foods-Gruppe adressiert diese Herausforderungen durch drei Geschäftsbereiche: The Family Butchers für traditionelle Fleischprodukte, The Plantly Butchers für pflanzliche Alternativen und The Cultivated B für biotechnologische Innovationen. Kühnl hebt die Fortschritte in der Cultivated Meat-Technologie hervor, mit der Fleischzellen in Bioreaktoren gezüchtet werden. „Uns ist es gelungen, die Produktionskosten für Cultivated Meat auf 3 bis 5 Euro pro Kilogramm zu senken." Zudem betonte er das Potenzial der Präzisionsfermentation, bei der tierische Proteine durch genetisch veränderte Organismen hergestellt werden: „Ein Fleischprotein mit dem CO2-Footprint einer Pflanze zu erzeugen – das ist am Ende der heilige Gral.“

„Growing excellence through innovation – wie die Wertschöpfungskette Agrar und Ernährung nachhaltiger, sicherer und effizienter wird“

Dr. André Vielstädte unterstrich in seinem Vortrag, dass globale Familienunternehmen, die sich auf nachhaltige, effiziente und gesunde Lebensmittel-Wertschöpfungsketten konzentrieren, eine zentrale Rolle in der Agrar- und Ernährungsindustrie spielen. Dazu zählt auch die EW Group, die nicht nur Lebensmittel produziert, sondern sie auch optimiert: „Wir machen diese auch besser – so lecker, dass Sie sie gerne essen." Mit einem Fokus auf Genetik, Gesundheit, Tierernährung und Diagnostik hat sich das Unternehmen international etabliert und ist durch seine dezentrale Struktur finanziell unabhängig.

Ein zentraler Fokus liegt auf der Verbesserung der Futtereffizienz, besonders im Geflügelsektor, um die Produktion von Proteinen nachhaltiger zu gestalten. Durch die kontinuierliche Verbesserung der Futtereffizienz – etwa die Reduzierung des Futterverbrauchs auf 1,4 Kilogramm pro Kilogramm Fleisch – trägt die EW Group maßgeblich dazu bei, den ökologischen Fußabdruck zu verringern. „In den letzten 20 Jahren ist es gelungen, die benötigte Futterfläche um 42 Prozent zu reduzieren“, erläuterte Vielstädte und unterstrich die Bedeutung dieser Fortschritte für die nachhaltige Lebensmittelproduktion. Zudem betonte er die Bedeutung von genetischem Fortschritt im Einklang mit gesellschaftlichen Anforderungen wie Tierwohl und Klimaschutz.

Zukunft im Blick: Branchendialog Agrar & Ernährung 2025

Der Branchendialog Agrar & Ernährung zeigt, dass Unternehmen in der Branche auf nachhaltige und innovative Lösungen setzen müssen, um den globalen Herausforderungen wie Klimawandel, Ressourcenknappheit und einer wachsenden Weltbevölkerung zu begegnen. Effizienzsteigerung, Digitalisierung und biotechnologische Innovationen, insbesondere im Bereich alternativer Proteine und erneuerbarer Energien, sind entscheidend, um langfristig wettbewerbsfähig und umweltfreundlich zu bleiben. Unternehmen, die auf Kooperationen, neue Technologien und Nachhaltigkeit setzen, werden sich besser anpassen und die Zukunft der Ernährung aktiv mitgestalten können.

Klaus Martin Fischer blickte zum Abschluss bereits auf das kommende Jahr: „Im nächsten Jahr gibt es den 12. Branchendialog an gleicher Stelle. Das hat sich bewährt und das werden wir so beibehalten. Wir freuen uns, Sie wieder zu begrüßen und vielleicht bekommen wir dann ja die erste Verkostung des Cultivated Meat“.