Studie: Künstliche Intelligenz im Rechnungswesen, der Jahresabschlusserstellung und der Wirtschaftsprüfung
Künstliche Intelligenz revolutioniert die Arbeitswelt - und damit auch das Rechnungswesen einschließlich der Erstellung und Prüfung von Jahresabschlüssen. Eine aktuelle Studie von Lünendonk & Hossenfelder und RSM Ebner Stolz beleuchtet den gegenwärtigen Stand sowie die Nutzungsmöglichkeiten und Herausforderungen der KI-Integration in diesem Bereich. Sie wird abgerundet von mehreren Experteninterviews mit nützlichen Hinweisen für die betroffenen Berufsgruppen.
Mittelstand derzeit noch zurückhaltend beim KI-Einsatz
Der empirische Teil der Studie basiert auf den Antworten von 39 vorwiegend mittelständischen Unternehmen verschiedener Branchen, darunter IT-Software, Energie und Maschinenbau. Zwei Drittel der Studienteilnehmer arbeiten in einem Familienunternehmen und fast 90 Prozent sind in leitenden Positionen tätig.
Von den befragten Unternehmen nutzen 63 Prozent Business-Intelligence-Software oder Data Analytics Tools, um ihre Finanzprozesse zu optimieren. Etwa ein Drittel setzt KI im Rechnungswesen ein, insbesondere für die Texterstellung und die Automatisierung wiederkehrender Aufgaben. Trotz dieser Fortschritte erfolgt die Konsistenzprüfung in den meisten Fällen noch manuell, und spezialisierte Analysetools sind noch wenig verbreitet.
Verstärkter Einsatz von Automatisierungstechnologien geplant
Eine deutliche Mehrheit der Studienteilnehmer plant, in den nächsten zwei Jahren Automatisierungstechnologien verstärkt einzusetzen. Dies betrifft vor allem die Bereiche Belegerkennung, Zahlungsverkehr und den Datenaustausch mit Lieferanten. Hiervon erhoffen sich die Teilnehmer vorwiegend Effizienzsteigerung (83 Prozent), einen schnelleren Informationszugriff (70 Prozent) und Qualitätsverbesserungen (57 Prozent). Der Personalmangel spielt mit 51 Prozent ebenfalls eine bedeutende Rolle.
"KI-gestützte Tools, ERP-Systeme und spezialisierte Software bieten im Rechnungswesen und bei der Jahresabschlusserstellung erhebliche Vorteile. Mehrwerte ergeben sich vor allem in den Bereichen Datenkonsolidierung, Automatisierung, Echtzeit-Berichterstattung, Compliance, Prognosegenauigkeit und Optimierung der Abschlusszyklen."
Stefan Land, All for One
Mitarbeitende müssen beim technologischen Wandel mitziehen
Bei der Integration von KI-Systemen sehen die Teilnehmer vor allem die Qualifikation der Mitarbeitenden (52 Prozent) und Datenschutzanforderungen (41 Prozent) als große Herausforderungen. Die Verfügbarkeit von IT-Dienstleistern und die Datenqualität wurden ebenfalls als bedeutende Restriktionsfaktoren identifiziert.
„Um KI erfolgreich einzusetzen, benötigen Unternehmen Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen mit dem entsprechenden Fachwissen und technischen Fähigkeiten. Der Mangel an qualifizierten Mitarbeitern kann ein Hindernis für die Implementierung von KI-Initiativen sein.“
Frank Siewert, Comarch AG
Wie muss der Berufsstand der Wirtschaftsprüfer reagieren?
Für eine datenbasierte Abschlussprüfung werden automatisierte Datenexporte (61 Prozent) und ein vollumfänglicher Systemzugang für Wirtschaftsprüfer (56 Prozent) als entscheidend angesehen. Die Mehrheit der Studienteilnehmer betrachtet integrierte ERP-Systeme und Business-Intelligence-Software als Schlüsselfaktoren für die Transformation des Rechnungswesens.
Deshalb wird auch vom Berufsstand der Wirtschaftsprüfer verstärkt der Einsatz digitaler Tools und KI erwartet, insbesondere bei der Prüfung von Geschäftsvorfällen und dem Datenaustausch (jeweils 64 Prozent) sowie der Berichterstellung (61 Prozent). Weitere wichtige Bereiche sind die Analyse der Geschäftsprozesse und die Prüfung von Systemeinstellungen (56 Prozent).
Wenngleich vom Abschlussprüfer künftig verstärkt der Umgang mit Tools erwartet wird, wird sich am eigentlichen Berufsbild des Wirtschaftsprüfers und dessen Rolle nichts ändern:
„Der Prüfer muss weiterhin die richtigen Fragen stellen können und eine skeptische Grundhaltung haben. […] Ich halte nichts davon, dass Prüfer eine IT-Ausbildung brauchen. Das wären verschwendete Ressourcen.“
Prof. Dr. Thorsten Sellhorn, Ludwig-Maximilians-Universität München
„Die menschliche Expertise oder die menschliche Intelligenz kann niemals durch die künstliche Intelligenz ersetzt werden. […] Daher muss man dahin gelangen, dass Untersuchungen von KI-Tools von den Prüfern selbst kritisch hinterfragt und bewertet werden. Denn: Der Wirtschaftsprüfer wird der Gestalter bleiben.“
Prof. Dr. Kai-Uwe Marten, Universität Ulm
Rolle des Wirtschaftsprüfers als Konstante im technologischen Wandel
Am KI-Einsatz im Rechnungswesen und in der Abschlussprüfung führt kein Weg (mehr) vorbei. Unternehmen, die frühzeitig auf diese Technologien setzen, werden Wettbewerbsvorteile erzielen. Wirtschaftsprüfer werden verstärkt mit anderen Disziplinen, insb. im Bereich der IT, zusammenarbeiten und sich ein Verständnis für die eingesetzten Tools aneignen. An ihrer Aufgabe, Sachverhalte kritisch zu hinterfragen und seiner Rolle als Sparringspartner für Unternehmen wird sich trotz KI-Einsatzes jedoch nichts ändern.
Hinweis: Die gesamte Studie können Sie hier abrufen.
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