Der Sachverhalt:
Die Klägerin und der Beigeladene haben einen gemeinsamen Sohn, der im Streitjahr 2014 auswärts studiert hatte. Dieser lebte gemeinsam mit einem Kommilitonen in einer 64 qm großen Wohnung am Studienort und war nicht in den Haushalt eines Elternteils aufgenommen.
Der Beigeladene zahlte dem Sohn zunächst monatlichen Barunterhalt i.H.v. 500 €, den er ab September 2014 auf 590 € erhöhte. Die Klägerin zahlte von Januar bis August 2014 monatlich 400 € und erhöhte ab September 2014 auf 490 €. Darüber hinaus zahlte sie den Beitrag für das Sommersemester i.H.v. 195 € und für das Wintersemester i.H.v. 197 € sowie die Bahncard des Sohnes i.H.v. 120 €, Heimfahrt-Tickets von insgesamt 696 €, Zahnarztkosten i.H.v. 209 € sowie besondere Ausbildungskosten i.H.v. 85 €, zusammen 1.502 €.
Die Familienkasse lehnte den Kindergeldantrag der Klägerin ab, weil der Sohn nicht im Haushalt eines leiblichen Elternteils lebe und der Beigeladene den überwiegenden Barunterhalt leiste. Das FG gab der hiergegen gerichteten Klage statt. Da § 64 Abs. 3 EStG an die zivilrechtlichen Unterhaltsregelungen anknüpfe, seien bei der Frage nach der dem Kind gezahlten "höchsten Unterhaltsrente" sämtliche Zahlungen auf den Gesamtbedarf des Kindes zu berücksichtigen, auch wenn sie --über die monatliche Unterhaltsrente hinausgehend-- in Form unregelmäßiger zusätzlicher Zahlungen erfolgten, so das Gericht. Auf die Revision der familienkasse hob der BFH das Urteil auf und wies die Klage ab.
Gründe:
Der Senat sieht keine überzeugenden Gründe, von der Orientierung des Begriffs "Unterhaltsrente" in § 1612 Abs. 3 Satz 1 BGB abzuweichen, auch wenn dadurch der insgesamt geringer belastete Elternteil das Kindergeld erhalten kann.
Lebt das Kind nicht im Haushalt beider Eltern oder eines Elternteils, sondern in einem eigenen Haus¬halt, so ist gemäß § 64 Abs. 3 Satz1 EStG kindergeldberechtigt, wer dem Kind eine Unterhaltsrente zahlt. Gewähren - wie im Streitfall - beide Elternteile eine Unterhaltsrente, so erhält das Kindergeld derjenige, der die höchste Unterhaltsrente zahlt (§ 64 Abs. 3 Satz 2 EStG). Im vorliegenden Fall hatte der Beigeladene in allen Monaten des Streitzeitraums - 500 € gegenüber 400 € und ab September 590 € gegenüber 490 € - regelmäßig 100 € mehr gezahlt als die Klägerin. Er hatte daher im gesamten Streitzeitraum die höhere Unterhaltsrente gezahlt und war deshalb vorrangig berechtigt.
Ob ein Berechtigter die Voraussetzungen des § 62 EStG erfüllt und wem von mehreren Berechtigten der Kindergeldanspruch zusteht, ist für jeden einzelnen Monat zu entscheiden. Der Vorrang kann dabei auch in kurzer Folge wechseln, z.B. durch wechselnde Haushaltsaufnahme infolge des Auszugs und Wiedereinzugs des zum Berechtigten bestimmten Elternteils. Dies gilt auch für den Vorrang nach § 64 Abs. 3 Satz 2 EStG, wenn z.B. der Elternteil, der bisher die niedrigere Unterhaltsrente zahlte, diese erhöht, oder wenn die höhere Unterhaltsrente des anderen Elternteils für einen oder mehrere Monate ausfällt.
Unter einer Rente werden allgemein regelmäßige Zahlungen verstanden, die jemand aus angelegtem Kapital, auf Grundlage von Rechtsansprüchen oder als freiwillige Zuwendung erhält. Daher sind einzelne Zahlungen, mit denen bestehender Unterhalts-, Sonder- oder Mehrbedarf abgedeckt wird oder die ohne konkreten Bedarf geleistet werden, bei der nach § 64 Abs. 3 Satz 2 EStG zu treffenden Entscheidung nicht zu berücksichtigen. Denn einzelne Geldzuwendungen, z.B. für Krankheitskosten, Kfz-Reparaturen, Urlaub oder besondere Ausbildungskosten, fallen mangels Regelmäßigkeit nicht unter den Begriff einer Rente.
Unberücksichtigt bleiben auch regelmäßige Unterhaltszahlungen, die in größeren Zeitabständen als einem Monat geleistet werden. Sie können zwar als Rente verstanden werden, werden aber nicht gem. § 1612 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 BGB "monatlich im Voraus" geleistet. Die solchermaßen vergröbernde, die Abwicklung von Massenverfahren erleichternde Typisierung ist auch verfassungsrechtlich unbedenklich. Denn sie führt zu keinem unverhältnismäßigen Eingriff in die Rechte der Betroffenen.
Linkhinweis:
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