Der Sachverhalt:
Die Einkommensteuererklärung der Klägerin für das Streitjahr 2007 ging am 17.7.2009 beim Finanzamt ein. Den Angaben zufolge war die Klägerin seit September 2007 geschieden. Die Veranlagung erfolgte erklärungsgemäß einzeln zur Einkommensteuer mit Bescheid vom 25.9.2008. Festgesetzt wurden ausgehend von Einkünften aus nichtselbständiger Tätigkeit 0 €.
Die Klägerin und ihr ehemaliger Ehemann hatten sich im Scheidungstermin im September 2007 u.a. dahingehend verglichen, dass dieser ihr binnen 8 Wochen ab Rechtskraft der Scheidung 10.000 € zahlt. Die Ehe wurde sodann rechtskräftig geschieden. Die Anlage U für Unterhaltsleistungen an den geschiedenen Ehegatten zur Einkommensteuererklärung für das Streitjahr wurde von der Klägerin und ihrem früheren Ehemann am 10.2.2010 unterzeichnet. Die Anlage ging bei dem für die Veranlagung des Ex-Gatten zuständigen Bearbeiters am 12.2.2010 ein. Die Unterhaltsleistungen betrugen danach 10.000 €. Die für die Bearbeitung der Klägerin zuständige Beamtin hatte die Anlage am 3.11.2015 erhalten.
Zuvor war zwischen dem früheren Ehemann der Klägerin und dem Finanzamt ein Rechtsbehelf anhängig, in dem darüber gestritten wurde, ob die Berücksichtigung der 10.000 € als Sonderausgaben in Betracht kommt. Nachdem zunächst festgestellt worden war, dass es sich tatsächlich um Unterhaltsleistungen oder nicht etwa um den Zugewinnausgleich handelte und nachdem die tatsächliche Zahlung nachgewiesen worden war, erfolgte eine Berücksichtigung als Sonderausgabe nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG. Dem Rechtsbehelf wurde abgeholfen.
Diesen Vorgang nahm das Finanzamt zum Anlass, mit Bescheid vom 26.11.2015 die Einkommensteuerfestsetzung der Klägerin für 2007 zu ändern, die erhaltenen Einkünfte als Unterhaltsleistungen nach § 22 Nr. 1a EStG zu besteuern und die Einkommensteuer auf 740 € festzusetzen. Die Klägerin war der Ansicht, dass die Festsetzungsfrist abgelaufen sei. Die Zustimmung des Unterhaltsempfängers zum sog. Realsplitting (§ 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG) stelle ein rückwirkendes Ereignis dar. Die Zustimmung sei spätestens am 10.2.2010 erteilt worden, weshalb die Festsetzungsfrist mit Ablauf des 31.12.2010 begonnen und nach Ablauf von vier Jahren am 31.12.2014 geendet habe.
Das FG wies die Klage ab. Allerdings wurde zur Fortbildung des Rechts die Revision zum BFH zugelassen
Die Gründe:
Das Finanzamt hat zutreffend die letztlich erst im Jahr 2015 als Unterhaltszahlung ermittelte Leistung und deren daraus folgenden Ansatz als Sonderausgabe beim früheren Ehemann der Klägerin i.S.d. § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG als Ereignis mit steuerlicher Wirkung für die Vergangenheit gewertet und auf Grundlage des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO den streitigen Änderungsbescheid erlassen.
Nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Satz 2 AO ist ein Steuerbescheid zu erlassen, aufzuheben oder zu ändern, soweit ein Ereignis eintritt, das steuerliche Wirkung für die Vergangenheit hat (rückwirkendes Ereignis); in den Fällen des Satzes 1 Nr. 2 beginnt die Festsetzungsfrist mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem das Ereignis eintritt. Unterhaltszahlungen an den geschiedenen Ehegatten, hinsichtlich deren einkommensteuerrechtlicher Behandlung Realsplittung vereinbart wurde, werden erst dann zu einkommensteuerrechtlich relevanten Einnahmen beim Empfänger, wenn die Beträge beim Geber unter Vorlage der Anlage U als Sonderausgabe i.S.v. § 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG geltend gemacht und vom Finanzamt bei dessen Einkommensteuer-Veranlagung auch einkommensteuermindernd berücksichtigt wurden.
Sie dürfen frühestens zu diesem Zeitpunkt bei der Einkommensteuer-Veranlagung des Empfängers als sonstige Einkünfte i.S.v. § 22 Nr. 1a EStG angesetzt werden. Ist der Empfänger zu diesem Zeitpunkt bereits bestandskräftig zur Einkommensteuer veranlagt, so ist dessen Einkommensteuer-Veranlagung nach § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO zu ändern. Der Senat folgt insoweit der übrigen finanzgerichtlichen Rechtsprechung. Unterhaltszahlungen sind als sonstige Einkünfte i.S.v. § 22 Nr. 1a EStG immer dann beim Empfänger zu erfassen, wenn zuvor der Sonderausgabenabzug beim Geber gewährt wurde. Erfolgt die entsprechende Veranlagung des Gebers zeitlich vor der des Empfängers, so sind die sonstigen Einkünfte bereits bei der erstmaligen Veranlagung des Empfängers zu berücksichtigen. Wird der Empfänger zeitlich vor dem Geber veranlagt, haben die Unterhaltszahlungen bei ihm zunächst außer Ansatz zu bleiben, weil der gesetzliche Tatbestand (noch) nicht erfüllt ist.
Werden aber die Unterhaltsleistungen im Wege des Realsplittings vom Geber als Sonderausgaben geltend gemacht und berücksichtigt, so wird durch die zeitlich nachfolgende Einkommensteuerveranlagung des Gebers beim Empfänger der Tatbestand des § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO erfüllt. Entgegen der Auffassung der Klägerin, folgt aus der BFH-Rechtsprechung, insbesondere aus der Entscheidung vom 9.12.2009 - BFH, X R 49/07 - nichts Gegenteiliges. Der BFH hat - verkürzt dargestellt - Folgendes zu entscheiden: Die Klägerin des dortigen Verfahrens hatte Unterhaltsleistungen erhalten und dem Sonderausgabenabzug zugestimmt. Der Ehemann hatte die Unterhaltsleistungen als Sonderausgaben auch geltend gemacht, sie wirkten sich aber auf seine Steuerlast nicht aus, da die Festsetzung ohnehin 0 € betrug. Die Klägerin meinte nun, die erhaltenen Unterhaltsleitungen wegen der fehlenden Auswirkungen des Sonderausgabenabzugs beim Ehemann nicht versteuern zu müssen. Der BFH ist dem aber entgegengetreten und hat die Klage letztlich abgewiesen.
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