Täter und Führungskräfte im Fokus der Ermittlungsbehörden
In den letzten Jahren sind Unternehmen verstärkt in das Fadenkreuz von Ermittlungsbehörden geraten. Während die Staatsanwaltschaften früher bei bestehendem strafrechtlichem Anfangsverdacht nahezu ausschließlich die eigentlichen „unternehmensinternen Straftäter“ verfolgt haben, wird jetzt immer häufiger zusätzlich geprüft, inwieweit die Unternehmensverantwortlichen adäquat auf mögliche Verdachtsmomente für Straftaten in ihrem Unternehmen reagiert haben.
Unzureichende Maßnahmen führen nicht selten zum Vorwurf einer Strafbarkeit wegen Unterlassens (§ 13 StGB) oder zumindest der Verletzung der Aufsichtspflicht nach § 130 OWiG. Sofern der Vorgang steuerliche Konsequenzen auslöst, prüfen die Behörden daneben, ob die Korrekturpflicht nach § 153 AO verletzt wurde und dementsprechend für die Geschäftsführung eine Strafbarkeit wegen Steuerhinterziehung nach § 370 AO in Betracht kommt.
Weitere Brisanz durch Hinweisgeberschutzgesetz und Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz
Die obligatorische Implementierung neuer und sicherer Kanäle für die Meldung potenzieller Missstände gemäß dem Hinweisgeberschutzgesetz oder dem Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz führen zu einer Zunahme von gemeldeten Vorfällen, die von der Unternehmensführung gewürdigt werden müssen und dokumentierte Hinweise auf etwaige Compliance-relevante Vorgänge enthalten. Daher ist es für die Verantwortlichen sehr wichtig, möglichen Verdachtslagen unverzüglich nachzugehen und hierbei keine Fehler zu machen - für den juristischen Laien ein schier unmögliches Unterfangen.
Unternehmensinterne Ermittlungen - aber wie?
Die Durchführung der erforderlichen Ermittlungen stellt insb. mittelständische Unternehmen vor große Herausforderungen, da sie - anders als viele Großkonzerne - größenbedingt hierfür keine spezialisierten Abteilungen oder Mitarbeiter beschäftigen. Aufgrund der erforderlichen objektiven Unabhängigkeit und Neutralität bei der Aufklärung eventueller Missstände kann es zudem durch Überschneidungen in den Verantwortungs- und Zuständigkeitsbereichen zu Interessenskonflikten kommen.
Große Bandbreite an Straftaten in Unternehmen
Neben den „Klassikern“ an Unternehmensstraftaten wie Korruption, Untreue, Bilanzmanipulation oder Unterschlagung können bspw. auch Mobbing-Vorgänge strafrechtlich relevant sein.
Unabhängig von dem konkreten Tatvorwurf sind im Zuge der Aufklärung zahlreiche rechtliche und organisatorische Fallstricke zu beachten, die neben strafrechtlichem Know-how die Einbindung weiterer Expertise bspw. aus dem Arbeitsrecht, Kartellrecht oder Datenschutzrecht erforderlich machen kann. Oftmals sind zeitnah etwa auch bilanzielle und steuerliche Fragen zu klären.
Prozessablauf genau dokumentieren, Fristen beachten
Dabei sollte bei jeder internen Untersuchung in einem ersten Schritt geprüft werden, welche konkreten Delikte im Raum stehen können. Dies sollte entsprechend dokumentiert werden. Ohne eine solche Maßnahmen kann keine sinnvolle und zielgerichtete Aufarbeitung erfolgen.
Hinweis: Die anfängliche Einordnung kann aufgrund von im Laufe der durchgeführten unternehmensinternen Untersuchungen erlangten zusätzlichen oder anderweitigen Erkenntnisse ggf. im Zeitverlauf anzupassen sein.
Nach dieser Einordnung bestimmen sich nicht nur die rechtlichen Rahmenbedingungen der Untersuchung, vielmehr muss frühzeitig sichergestellt werden, dass etwaige Melde- und Anzeigefristen beachtet werden, die sich aus dem Strafrecht, dem Steuer- oder dem Arbeitsrecht ergeben können. In der Praxis werden wegen diesbezüglicher Fehler häufig die Unternehmensverantwortlichen zur Rechenschaft gezogen.
Insbesondere Delikte wie Korruption oder Untreue sind äußerst komplex, so dass bereits frühzeitig eine tatbestandsbezogene Prüfung notwendig ist. Nicht selten werden durch wenig fokussierte Untersuchungen unnötige Kosten verursacht, die am Ende nochmals umfangreiche Nacharbeiten erforderlich machen.
Bei arbeitsrechtlichen Maßnahmen gegen einen möglichen Straftäter ist mit Bedacht vorzugehen. Auch wenn das Bedürfnis mitunter groß sein kann, diesen ggf. zeitnah „vor die Tür setzen zu wollen“, können Fehler bei der Aufklärung sehr teuer werden und die Untersuchungsergebnisse sogar vollständig gefährden.
Mittel der internen Untersuchungen
Als Aufklärungsmaßnahmen im Rahmen einer unternehmensinternen Untersuchung kommen üblicherweise Prozessaufnahmen, Mitarbeiterbefragungen, die Befragung/Anhörung des möglichen „Täters“ (sog. Forensische Interviews), Hintergrundrecherchen zu natürlichen und juristischen Personen, die Auswertung und Analyse von strukturierten und unstrukturierten Daten, die Durchführung von E-Mail-Reviews, die Inaugenscheinnahme des Arbeitsplatzes sowie selbstverständlich die Sichtung von Dokumenten in Betracht. Die Art und die Ausgestaltung der konkreten Untersuchungshandlungen sind für eine erfolgreiche unternehmensinterne Untersuchung im Einzelfall individuell auszugestalten und insb. abhängig von den potenziell relevanten Delikten, der Verfügbarkeit von Informationsquellen, rechtlichen Rahmenbedingungen sowie zeitlichen Erfordernissen.
Bei sämtlichen Schritten sollten unbedingt die zahlreichen rechtlichen Vorgaben beachtet werden - so kann bspw. eine unberechtigte Durchsicht des E-Mail-Accounts eines Mitarbeiters schnell eine eigene Strafbarkeit begründen.
Eine unternehmensinterne Ermittlung „state oft the art“ folgt einer strukturierten Untersuchungsstrategie, welche die auf den Einzelfall angepassten Aufklärungsmaßnahmen aufeinander abstimmt und koordiniert sowie die rechtlichen und zeitlichen Rahmenbedingungen berücksichtigt. Nur so können die Aufklärungsmaßnahmen zum Erfolg führen und (rechtliche) Fallstrike vermieden werden
Einschalten von Ermittlungsbehörden
Neben den internen Aufklärungsmaßnahmen ist durchgängig zu prüfen, ob, und wenn ja, zu welchem Zeitpunkt die Ermittlungsbehörden über die Vorgänge zu informieren sind. Sofern eine Anzeigeverpflichtung besteht, sollte sicherlich eine frühzeitige Kontaktaufnahme mit den zuständigen Behörden erfolgen. Daneben kann es für die Compliance-Kultur im Unternehmen durchaus geboten sein, bestimmte Sachverhalte zur Anzeige zu bringen. Hier gilt es, eine einzelfallbezogene Abwägungsentscheidung zu treffen.
In jeden Fall sollten Überraschungsbesuche der Behörden nach Möglichkeit vermieden werden. Durchsuchungen gehören nämlich sicherlich zu den unangenehmsten Ereignissen, die ein Unternehmen treffen kann. Häufig können solche Maßnahmen jedoch durch eine umfassende interne Aufarbeitung möglicher Straftaten und eine in diesem Zusammenhang erfolgende Kooperation mit den Ermittlungsbehörden vermieden werden.
Hinweis: Weitere Informationen finden Sie auch in einer Folge des RSM Ebner Stolz Mittelstandstalk.