Nach ständiger Rechtsprechung des BFH wird ein Aufsichtsratsmitglied in Deutschland als selbständig angesehen, sodass er aus umsatzsteuerlicher Sicht Unternehmer ist (A 2.2 Abs. 2 Satz 7 UStAE) und die Tätigkeit in der Regel der Umsatzsteuer unterworfen wird. Der EuGH sieht dies in einem niederländischen Fall anders. Er verneinte mit Urteil vom 13.6.2019 (Rs. C‑420/18, IO) bei einem Mitglied des Aufsichtsrats einer Stiftung die Selbstständigkeit und damit die Unternehmereigenschaft. Dies begründete er damit, dass das Aufsichtsratsmitglied weder im eigenen Namen noch auf eigene Rechnung oder Verantwortung tätig werde und dem Aufsichtsrat als Gesamtgremium untergeordnet sei. Aus diesem Grund trage das einzelne Mitglied kein wirtschaftliches Risiko seiner Tätigkeit.
Die Rechte und Pflichten von Aufsichtsratsmitgliedern einer deutschen Aktiengesellschaft oder Genossenschaft sind ähnlich ausgestaltet wie in den Niederlanden, so dass die Entscheidung des EuGH möglicherweise bei deutschen Aufsichtsräten zur Nichtsteuerbarkeit ihrer Aufsichtsratsvergütungen führen könnte. Würde die Tätigkeit als nichtsteuerbar eingestuft, wäre in den Rechnungen der Aufsichtsräte Umsatzsteuer zu Unrecht ausgewiesen und die jeweiligen Gesellschaften hätten kein Recht auf Vorsteuerabzug. Auch die Aufsichtsräte könnten aus Eingangsleistungen für ihre Aufsichtsratstätigkeit keine Vorsteuer mehr abziehen. Von Vorteil könnte die Anwendung der EuGH-Rechtsprechung für Unternehmen mit eingeschränktem oder keinem Vorsteuerabzug sein.
Hinweis
Ob das Urteil des EuGH wirklich auf die deutschen Regelungen bei den Aufsichtsräten angewandt werden kann, ist derzeit ungewiss, zumal der BFH in der Vergangenheit anders entschieden und sich die Finanzverwaltung dieser Auffassung angeschlossen hat. Deshalb empfiehlt sich derzeit, zunächst die Reaktion der deutschen Finanzverwaltung abzuwarten.