Der Sachverhalt:
Der Kläger hatte im Streitjahr 2010 im Rahmen einer Kapitalerhöhung der D-AG junge Aktien der AG über die Ausübung von Bezugsrechten erworben. Diese waren von Aktien abgespalten worden, die der Kläger bereits vor dem 1.1.2009 angeschafft hatte (sog. Altaktien). Die Anschaffungskosten der Bezugsrechte beliefen sich auf 7,20 € je Aktie. Noch im Streitjahr veräußerte der Kläger zehn der jungen Aktien und erzielte einen Veräußerungserlös i.H.v. rund 410 €. Nach der Bescheinigung der Bank über den Wertpapierverkauf belief sich der Veräußerungsgewinn, bei dessen Ermittlung der Wert der Bezugsrechte unberücksichtigt blieb, auf rund 58 €.
Das Finanzamt berücksichtigte im Einkommensteuerbescheid einen Gewinn aus Aktienverkäufen i.H.v. 58 € und Kapitaleinkünfte i.H.v. insgesamt 135 €, wobei es nach Abzug des Sparer-Pauschbetrags die Kapitaleinkünfte der Besteuerung mit 0 € zugrunde legte. Die Behörde erhöhte die Kapitaleinkünfte des Klägers auf 19.433 €. Den Gewinn aus der Veräußerung der Aktien legte es dabei unverändert i.H.v. 58 € der Besteuerung zugrunde.
Der Kläger begehrte weiterhin den Abzug der Anschaffungskosten der Bezugsrechte i.H.v. 72 €. Das FG gab der Klage statt. Auf die Revision des Finanzamtes hob der BFH das Urteil auf und wies die Klage ab.
Gründe:
Das FG war zwar zu Recht davon ausgegangen, dass bei der Ermittlung des steuerpflichtigen Gewinns des Klägers aus dem Verkauf der jungen Aktien der D-AG gem. § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 1, Abs. 4 S. 1 EStG der Teil der Anschaffungskosten der Altanteile, der auf das Bezugsrecht entfällt, nicht gem. § 20 Abs. 4a S. 4 EStG mit 0 €, sondern mit den tatsächlichen Anschaffungskosten des Bezugsrechts i.H.v. 72 € anzusetzen ist. Der danach verbleibende Verlust i.H.v. 14 € kann aufgrund der Einschränkung der Verlustverrechnung nach § 20 Abs. 6 S. 5 EStG nur mit Gewinnen aus der Veräußerung von Aktien i.S.d. § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 S. 1 EStG verrechnet werden. Er ist mangels Verlustverrechnungsmöglichkeit im Streitjahr gem. § 10d Abs. 4 EStG gesondert festzustellen.
Zwar enthält der Wortlaut des § 20 Abs. 4a S. 4 EStG keine eindeutige Regelung zur Bewertung des Bezugsrechts bei der Veräußerung von jungen Aktien. Es ist jedoch mit der herrschenden Auffassung im Schrifttum davon auszugehen, dass die Einkünfteermittlungsvorschrift des § 20 Abs. 4a S. 4 EStG auch bei der Veräußerung von jungen Aktien Anwendung findet, die aufgrund der Ausübung eines Bezugsrechts erworben wurden. Da diese Ausübung selbst nicht unter den Tatbestand des § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 EStG fällt und es somit nicht zu einer Gewinnermittlung nach § 20 Abs. 4 EStG kommen kann, ergibt die Regelung des § 20 Abs. 4a S. 4 EStG nur dann einen Sinn, wenn sie sich auf die Ermittlung des Gewinns aus einer späteren Veräußerung der durch Ausübung des Bezugsrechts erlangten Anteile bezieht.
Entgegen der Auffassung der Finanzverwaltung findet die Regelung des § 20 Abs. 4a S. 4 EStG jedoch keine Anwendung, wenn die veräußerten jungen Aktien aufgrund der Ausübung von Bezugsrechten erworben wurden, die von vor dem 1.1.2009 angeschafften Altanteilen abgespalten wurden, bei denen - wie im Streitfall - die Veräußerungsfrist des § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG in der am 1.1.1999 geltenden Fassung (EStG a.F.) zum Zeitpunkt der Veräußerung der jungen Aktien bereits abgelaufen war. In diesem Fall sind bei der Ermittlung des Veräußerungsgewinns die tatsächlichen Anschaffungskosten des Bezugsrechts zu berücksichtigen.
Schließlich führt eine Kapitalerhöhung gegen Einlage hinsichtlich der bereits bestehenden Anteile zu einer Substanzabspaltung zugunsten der aufgrund der Bezugsrechte erworbenen neuen Anteile. Die Substanzabspaltung hat zur Folge, dass Anschaffungskosten der bereits bestehenden Anteile den neuen Anteilen zuzuordnen sind; entsprechend mindern sich die Anschaffungskosten der Altanteile (Gesamtwertmethode). Der Gesellschafter erhält danach durch die "Verwässerung" seiner Beteiligung aufgrund der Kapitalerhöhung keinen weiteren Wertzuwachs der stillen Reserven seiner Anteile.
Dies hat zur Folge, dass die Besteuerung der durch die Abspaltung von den Altanteilen auf die neuen Geschäftsanteile übergegangenen stillen Reserven nach § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG a.F. erfolgt, wenn die Altanteile vor dem 1.1.2009 angeschafft wurden (§ 52a Abs. 11 S. 4 EStG). Waren die übergegangenen stillen Reserven aufgrund des Ablaufs der Veräußerungsfrist des § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG a.F. nicht mehr steuerbar, dürfen sie nicht lediglich aufgrund der Kapitalerhöhung bei einer Weiterveräußerung der jungen Aktien erneut steuerverhaftet werden.
Dies wäre jedoch der Fall, wenn bei der Ermittlung des Veräußerungsgewinns der jungen Aktien die auf die Neuanteile übergegangenen Anschaffungskosten der Altanteile gem. § 20 Abs. 4a S. 4 EStG mit 0 € angesetzt würden. Dagegen spricht, dass es sich bei der Regelung des § 20 Abs. 4a S. 4 EStG um eine Einkünfteermittlungsvorschrift handelt, die ein Besteuerungsrecht voraussetzt, jedoch kein Besteuerungsrecht für bereits steuerentstrickte Vermögenswerte begründet. Eine Einschränkung des Anwendungsbereichs des § 20 Abs. 4a S. 4 EStG auf Bezugsrechte, die aus vor dem 1.1.2009 angeschafften Aktien abgespalten wurden, ist auch aus verfassungsrechtlichen Gründen geboten, da es dem Gesetzgeber verwehrt ist, rückwirkend auf bereits steuerentstrickte Vermögenspositionen zuzugreifen.
Da im Streitfall die veräußerten Aktien aufgrund der Ausübung von Bezugsrechten erworben worden waren, die von vor dem 1.1.2009 erworbenen Aktien abgespalten wurden, bei denen die Veräußerungsfrist des § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG a.F. bereits abgelaufen war, waren bei der Ermittlung des Veräußerungsgewinns aus dem Verkauf der jungen Aktien die Anschaffungskosten der Bezugsrechte entgegen der Regelung des § 20 Abs. 4a S. 4 EStG nicht mit 0 €, sondern in der tatsächlichen Höhe von 72 € zu berücksichtigen.
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