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Steuerberatung

Veräußerung unentgeltlich bestelltes Erbbaurecht: kein privates Veräußerungsgeschäft

BFH 8.11.2017, IX R 25/15

Erb­bau­zin­sen sind keine An­schaf­fungs­kos­ten i.S.d. § 255 Abs. 1 HGB für den Er­werb des Erb­bau­rechts, son­dern Ent­gelt für die Nut­zung des erb­bau­rechts­be­las­te­ten Grundstücks. Zwi­schen einem un­be­bau­ten Grundstück und einem nach­fol­gend für die­ses Grundstück un­ent­gelt­lich be­stell­ten Erb­bau­recht be­steht keine - auch keine par­ti­elle - Iden­tität i.S.d. Recht­spre­chung zum Er­for­der­nis der Nämlich­keit von an­ge­schaff­tem und in­ner­halb der Hal­te­frist veräußer­tem Wirt­schafts­gut.

Der Sach­ver­halt:
Strei­tig ist, ob die Kläge­rin mit der Veräußerung ei­nes Erb­bau­rechts - ein­schließlich ei­nes von ihr als Erb­bau­be­rech­tigte er­rich­te­ten Gebäudes - den Tat­be­stand ei­nes pri­va­ten Veräußerungs­ge­schäftes i.S.d. §§ 22 Nr. 2, 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG erfüllt hat.

Die Kläge­rin wurde im Streit­jahr 2005 mit ih­rem Ehe­mann, dem In­sol­venz­schuld­ner, zu­sam­men zur Ein­kom­men­steuer ver­an­lagt. Im April 1999 er­warb die A-GbR, de­ren Ge­sell­schaf­ter der In­sol­venz­schuld­ner und X wa­ren, ein un­be­bau­tes Grundstück, wel­ches vor­mals dem X zu Al­lein­ei­gen­tum gehörte. Mit Erb­bau­rechts­ver­trag glei­chen Da­tums be­stellte die A-GbR der Kläge­rin an ei­ner Teilfläche des Grundstücks ein Erb­bau­recht mit ei­ner Lauf­zeit von 20 Jah­ren, be­gin­nend ab Grund­buch­ein­trag. Be­sitz, Nut­zen und Las­ten an der Teilfläche gin­gen am 1.6.1999 auf die Kläge­rin über. Nach den ver­trag­li­chen Re­ge­lun­gen schul­dete die Kläge­rin einen mtl. Erb­bau­zins i.H.v. 3.000 DM; außer­dem hatte sie u.a. die Ver­trags­kos­ten, die Kos­ten des Voll­zugs der Ur­kunde und die Grund­er­werb­steuer zu tra­gen. Noch im Jahr 1999 er­rich­tete die Kläge­rin auf der mit dem Erb­bau­recht be­las­te­ten Teilfläche des Grundstücks ein Gebäude zum Be­trieb ei­nes Re­stau­rants. An­schließend ver­mie­tete sie das Ob­jekt an eine GmbH.

Im Fe­bruar 2005 veräußer­ten der In­sol­venz­schuld­ner, der Ge­sell­schaf­ter X und die Kläge­rin den ge­sam­ten Grund­be­sitz zum Kauf­preis von rd. 1,8 Mio. €, wo­von rd. 1,5 Mio. € auf das Erb­bau­recht mit dem auf­ste­hen­den Gebäude und 300.000 € auf das Grundstück ent­fie­len. Das Erb­bau­recht der Kläge­rin wurde im Zuge der Ab­wick­lung des Kauf­ver­tra­ges gelöscht. Das Fi­nanz­amt ver­trat die Auf­fas­sung, mit dem Ab­schluss des Ver­tra­ges über den Ver­kauf des Erb­bau­rechts habe die Kläge­rin den Tat­be­stand ei­nes pri­va­ten Veräußerungs­ge­schäfts i.S.d. § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG erfüllt; das Erb­bau­recht sei im Jahr 1999 ent­gelt­lich an­ge­schafft und in­ner­halb der maßgeb­li­chen Hal­te­frist 2005 wie­der veräußert wor­den. Da hin­sicht­lich des Erb­bau­rechts ein pri­va­tes Veräußerungs­ge­schäft an­zu­neh­men sei, sei das auf dem erb­bau­rechts­be­las­te­ten Grundstück er­rich­tete Gebäude in die Er­mitt­lung des Veräußerungs­ge­winns mit ein­zu­be­zie­hen.

Das FG gab der Klage teil­weise statt. Es ver­trat die Auf­fas­sung, der Vor­gang sei nach § 23 Abs. 1 S. 3 EStG steu­er­bar; das Gebäude sei nach § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 S. 2 Halbs. 1 EStG in die Er­mitt­lung des Veräußerungs­ge­winns mit ein­zu­be­zie­hen. Das FG ging in­so­weit da­von aus, dass die Be­stel­lung des Erb­bau­rechts zu Guns­ten der Steu­er­pflich­ti­gen un­ter Begründung le­dig­lich ei­ner Erb­bau­zins­ver­pflich­tung kein ent­gelt­li­ches An­schaf­fungs­ge­schäft i.S.d. § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 S. 1 EStG dar­stelle. Die Steu­er­pflich­tige müsse sich je­doch nach § 23 Abs. 1 S. 3 EStG die An­schaf­fung des un­be­bau­ten Grundstücks - wel­ches "tei­li­den­ti­sch" mit dem später begründe­ten Erb­bau­recht sei - durch den Rechts­vorgänger (die A-GbR) zu­rech­nen las­sen. Auf die Re­vi­sion der Kläge­rin hob der BFH das Ur­teil auf und gab der Klage statt.

Die Gründe:
Mit der Veräußerung des Erb­bau­rechts - ein­schließlich des im Zuge der Erb­bau­be­rech­ti­gung er­rich­te­ten Gebäudes - ist der Tat­be­stand ei­nes pri­va­ten Veräußerungs­ge­schäfts i.S.d. §§ 22 Nr. 2, 23 Abs. 1 S. 3 EStG nicht erfüllt wor­den.

Nach dem Wort­laut so­wie dem Sinn und Zweck des § 23 EStG sol­len in­ner­halb der Veräußerungs­frist rea­li­sierte Wertände­run­gen ei­nes be­stimm­ten Wirt­schafts­guts im Pri­vat­vermögen des Steu­er­pflich­ti­gen der Ein­kom­men­steuer un­ter­wor­fen wer­den. Dar­aus er­gibt sich das Er­for­der­nis der Nämlich­keit von an­ge­schaff­tem und in­ner­halb der Hal­te­fris­ten veräußer­tem Wirt­schafts­gut, wo­bei Nämlich­keit Iden­tität im wirt­schaft­li­chen Sinn be­deu­tet. Wirt­schaft­li­che Tei­li­den­tität ist grundsätz­lich aus­rei­chend, begründet ein pri­va­tes Veräußerungs­ge­schäft aber nur für die­sen Teil des be­tref­fen­den Wirt­schafts­guts. Ob und in wel­chem Um­fang Nämlich­keit ge­ge­ben ist oder ein an­de­res Wirt­schafts­gut ("aliud") vor­liegt, rich­tet sich nach einem wer­ten­den Ver­gleich von an­ge­schaff­tem und veräußer­tem Wirt­schafts­gut un­ter Berück­sich­ti­gung der Umstände des Ein­zel­falls. Maßgeb­li­che Kri­te­rien sind die Gleich­ar­tig­keit, Funk­ti­ons­gleich­heit und Gleich­wer­tig­keit von an­ge­schaff­tem und veräußer­tem Wirt­schafts­gut.

Das Erb­bau­recht ist in zi­vil­recht­li­cher Hin­sicht sei­nem We­sens­ge­halt nach ein be­fris­te­tes Nut­zungs­recht. Es um­fasst zum einen die "ver­ding­lichte" Be­fug­nis des Erb­bau­be­rech­tig­ten, das Grundstück fortwährend in be­stimm­ter Weise zu nut­zen, und zum an­de­ren die da­mit kor­re­spon­die­rende "ver­ding­lichte" Ver­pflich­tung des Grundstücks­ei­gentümers, diese Nut­zung fortwährend zu dul­den. Da­mit steht das Erb­bau­rechts­verhält­nis sei­nem Leis­tungs­in­halt nach einem ent­gelt­li­chen, rein schuld­recht­li­chen Nut­zungs­verhält­nis wie Miete oder Pacht nahe. Erb­bau­zin­sen sind mit­hin - auch wenn sie in einem Ein­mal­be­trag ge­leis­tet wer­den - keine An­schaf­fungs­kos­ten i.S.d. § 255 Abs. 1 HGB für den Er­werb ei­nes Wirt­schafts­guts "Erb­bau­recht", son­dern al­lein Ent­gelt für die Nut­zung des Grundstücks. Vor die­sem Hin­ter­grund setzt die "An­schaf­fung" ei­nes Erb­bau­rechts tat­be­stand­lich nicht nur vor­aus, dass das Recht im Zeit­punkt der Über­tra­gung be­reits vor­han­den - d.h. "be­stellt" - war und der In­ha­ber des be­ste­hen­den Rechts die­ses auf den Er­wer­ber überträgt, son­dern auch, dass der Er­wer­ber - der spätere Erb­bau­be­rech­tigte - hierfür - ggf. ne­ben einem lau­fen­den oder in einem Ein­mal­be­trag vor­aus­be­zahl­ten Erb­bau­zins - ein zusätz­li­ches Ent­gelt leis­tet.

Vor­lie­gend hat die Kläge­rin das mit Erb­bau­rechts­ver­trag von April 1999 zu ih­ren Guns­ten be­stellte Erb­bau­recht nicht - i.S. ei­nes "ab­ge­lei­te­ten Er­werbs" - nach § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG "an­ge­schafft", da sie kein be­ste­hen­des Recht ent­gelt­lich er­wor­ben hatte. Viel­mehr wurde ihr sei­tens der A-GbR ein Erb­bau­recht an dem un­be­bau­ten Grundstück un­ent­gelt­lich ein­geräumt. Auch die von der Kläge­rin ge­tra­ge­nen Kos­ten stel­len keine Ge­gen­leis­tung für des­sen Einräum­ung dar, son­dern le­dig­lich An­schaf­fungs­ne­ben­kos­ten des Erb­bau­rechts dar. Eine an­dere recht­li­che Be­wer­tung folgt auch nicht aus der Re­ge­lung des § 23 Abs. 1 S. 3 EStG. Zwar ist im Falle des un­ent­gelt­li­chen Er­werbs dem Ein­zel­rechts­nach­fol­ger die An­schaf­fung des Wirt­schafts­guts durch den Rechts­vorgänger zu­zu­rech­nen. Im Streit­fall hatte je­doch auch die A-GbR als Rechts­vorgänger das von der Kläge­rin veräußerte Erb­bau­recht nicht i.S.d. § 23 EStG "an­ge­schafft", son­dern durch Be­stel­lung erst "ge­schaf­fen" und mit­hin "her­ge­stellt". In der Her­stel­lung ei­nes Wirt­schafts­guts kann aber keine An­schaf­fung ge­se­hen wer­den.

Auch der Um­stand, dass die A-GbR zwar nicht das später von der Kläge­rin veräußerte Erb­bau­recht, wohl aber jene Teilfläche des Grundstücks, auf dem das Erb­bau­recht be­stellt wurde, ent­gelt­lich an­ge­schafft hatte, führte nicht zur An­wen­dung der Re­ge­lung des § 23 Abs. 1 S. 3 EStG. Denn das Erb­bau­recht hat eine Dop­pel­na­tur: Ei­ner­seits ist es ein ding­li­ches (Nut­zungs-)Recht an einem frem­den Grundstück, an­de­rer­seits aber auch ein grundstücks­glei­ches Recht, das zi­vil­recht­lich "wie" ein Grundstück be­han­delt wird. Dar­aus folgt je­doch nicht, dass das Erb­bau­recht auch als ein Teil des Grund­ei­gen­tums - ge­wis­sermaßen als Ei­gen­tums-"Split­ter" - an­zu­se­hen ist. Viel­mehr stellt das Erb­bau­recht ein ge­genüber dem Grund­ei­gen­tum ei­genständi­ges Wirt­schafts­gut dar, das we­der der Art noch der Funk­tion nach mit dem Ei­gen­tum ver­gleich­bar ist. Die­ser zi­vil­recht­li­chen Ein­ord­nung folgt in steu­er­recht­li­cher Hin­sicht die Re­ge­lung in § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG, die ex­pli­zit zwi­schen Grundstücken auf der einen Seite und Rech­ten, die, wie das Erb­bau­recht, den Vor­schrif­ten des bürger­li­chen Rechts über Grundstücke un­ter­lie­gen, auf der an­de­ren Seite un­ter­schei­det. Sind in­des die Kri­te­rien "Gleich­ar­tig­keit" und "Funk­ti­ons­gleich­heit" schon nicht erfüllt, kann zwi­schen einem un­be­bau­ten Grundstück und einem nach­fol­gend für die­ses Grundstück be­stell­ten Erb­bau­recht keine - auch keine par­ti­elle - Iden­tität i.S. der Recht­spre­chung zum Er­for­der­nis der Nämlich­keit von an­ge­schaff­tem und in­ner­halb der Hal­te­fris­ten veräußer­tem Wirt­schafts­gut be­ste­hen.

Link­hin­weis:

  • Der Voll­text der Ent­schei­dung ist auf der Home­page des BFH veröff­ent­licht.
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