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Verbraucherdarlehensvertrag: Verwirkung des Widerrufsrechts

LG Hamburg 18.1.2017, 335 O 244/15

Ein Recht ist ver­wirkt, wenn sich der Schuld­ner we­gen der Untätig­keit sei­nes Gläubi­gers über einen ge­wis­sen Zeit­raum hin bei ob­jek­ti­ver Be­ur­tei­lung dar­auf ein­rich­ten darf, die­ser werde sein Recht nicht mehr gel­tend ma­chen, so dass die verspätete Gel­tend­ma­chung ge­gen Treu und Glau­ben verstößt.

Der Sach­ver­halt:
Die Kläger und die Be­klagte hat­ten im Juni 2003 einen Dar­le­hens­ver­trag über einen Be­trag von 208.000 € ab­ge­schlos­sen. Hier­bei un­ter­zeich­ne­ten die Kläger auch eine Wi­der­rufs­be­leh­rung. Im Jahr 2008 ver­ein­bar­ten die Par­teien eine Verlänge­rung des Dar­le­hens mit einem neuen Zins­satz. Im Sep­tem­ber 2012 ver­kauf­ten die Kläger ihre mit dem Dar­le­hen fi­nan­zierte Im­mo­bi­lie und kündig­ten den Dar­le­hens­ver­trag, nach­dem zu­vor mit der Be­klag­ten be­reits eine Til­gungs­aus­set­zung ver­ein­bart war, die dann nicht verlängert wurde. Die im Grund­buch ge­si­cherte Dar­le­hens­summe wurde an die Be­klagte über­wie­sen. Diese rech­nete das Dar­le­hen ab und stellte den Klägern eine Vorfällig­keits­ent­schädi­gung i.H.v. 43.909,95 € in Rech­nung, die durch die Kläger be­gli­chen wurde.

Im Au­gust 2012 wil­ligte die Be­klagte in die Löschung der die­ses Dar­le­hen si­chern­den Grund­schuld ein. Im De­zem­ber 2013 wi­der­rie­fen die Kläger den Dar­le­hens­ver­trag und for­der­ten die Be­klagte auf, die Vorfällig­keits­ent­schädi­gung zurück­zu­zah­len, was die Be­klagte zurück­wies. Die Kläger wa­ren der An­sicht, ih­nen stünde auch noch über zehn Jahre nach Ver­trags­schluss ein Wi­der­rufs­recht nach §§ 495 Abs. 1, 355 BGB zu. 0Die zweiwöchige Wi­der­rufs­frist nach § 355 Abs. 1 BGB a.F. habe nämlich noch nicht be­gon­nen, da die Wi­der­rufs­be­leh­rung der Be­klag­ten nicht den ge­setz­li­chen An­for­de­run­gen ent­spro­chen hätte.

Das LG wies die Klage ab.

Die Gründe:
Die Kläger ha­ben ge­gen die Be­klagte kei­nen An­spruch auf Rück­zah­lung der von ih­nen ge­leis­te­ten Vorfällig­keits­ent­schädi­gung i.H.v. 43.909 €.

Zwar genügte die Wi­der­rufs­be­leh­rung nicht den An­for­de­run­gen des § 355 Abs. 2 BGB (a.F.). Doch war das Wi­der­rufs­recht der Kläger zum Zeit­punkt der Ausübung im De­zem­ber 2013 be­reits ver­wirkt. Ein Recht ist ver­wirkt, wenn sich der Schuld­ner we­gen der Untätig­keit sei­nes Gläubi­gers über einen ge­wis­sen Zeit­raum hin bei ob­jek­ti­ver Be­ur­tei­lung dar­auf ein­rich­ten darf und ein­ge­rich­tet hat, die­ser werde sein Recht nicht mehr gel­tend ma­chen, so dass die verspätete Gel­tend­ma­chung ge­gen Treu und Glau­ben verstößt. Zu dem Zeit­ab­lauf müssen be­son­dere, auf dem Ver­hal­ten des Be­rech­tig­ten be­ru­hende Umstände hin­zu­tre­ten, die das Ver­trauen des Ver­pflich­te­ten recht­fer­ti­gen, der Be­rech­tigte werde sein Recht nicht mehr gel­tend ma­chen.

Ein aus­rei­chen­des Zeit­mo­ment lag hier vor. Der Dar­le­hens­ver­trag war im Juni 2003 ab­ge­schlos­sen wor­den und die Wil­lens­erklärung erst im De­zem­ber 2013, also erst über zehn Jahre nach Ver­trags­schluss, wi­der­ru­fen. Außer­dem war nach er­folg­lo­sen Ver­hand­lun­gen über eine Fort­set­zung und die an­schließende vollständige Ab­wick­lung des Ver­trags bis zum Wi­der­ruf mehr als ein Jahr ver­gan­gen, so dass auch das Um­stands­mo­ment der Ver­wir­kung erfüllt war und die Be­klagte nicht mehr mit einem Wi­der­ruf rech­nen mus­ste, ohne dass es noch ent­schei­dend dar­auf an­kam, ob für die Erfüllung des Um­stands­mo­ments zusätz­lich die Frei­gabe der Si­cher­heit durch die Be­klagte sprach.

Das Um­stands­mo­ment wurde auch nicht durch et­waige Wi­der­rufe an­de­rer Dar­le­hens­neh­mer der Be­klag­ten und daran an­schließende Pro­zesse aus­ge­schlos­sen. Diese Vorgänge wa­ren ohne Ein­fluss dar­auf, ob die Be­klagte da­von aus­ge­hen durfte, dass die Kläger, ggf. an­ders als an­dere Dar­le­hens­neh­mer, ih­ren Ver­trag nicht wi­der­ru­fen würden.

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