In dem nun mit Urteil vom 17.01.2023 (Az. IX R 15/20) entschiedenen Revisionsverfahren vertraten die Kläger die Rechtsauffassung, die Erhebung des Solidaritätszuschlags sei ab 2020 verfassungswidrig. Der 1995 eingeführte Solidaritätszuschlag diene als Ergänzungsabgabe zur Einkommen- und Körperschaftsteuer der Finanzierung der Wiedervereinigung. Mit dem Auslaufen des Solidarpakts II und der Neuordnung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen ab 2020 entfalle - so die Kläger - die Rechtfertigung für die weitere Erhebung des Zuschlags.
Dieser Argumentation widersprach der BFH und kommt zu dem Ergebnis, dass die Erhebung des Solidaritätszuschlags in den Jahren 2020 und 2021 noch nicht verfassungswidrig war.
Es handele sich in beiden Jahren weiterhin um eine verfassungsrechtlich zulässige Ergänzungsabgabe. Das Auslaufen des Solidarpakts II und die Neuregelung des Länderfinanzausgleichs zum Jahresende 2019 stünden nicht zwingend in rechtstechnischer Verbindung zum Solidaritätszuschlag. Vielmehr bestünde in den Jahren 2020 und 2021 auch weiterhin ein wiedervereinigungsbedingter Finanzbedarf des Bundes.
Einer zu erwartenden Verringerung der Kosten im Laufe der Zeit habe der Gesetzgeber mit der Beschränkung des Solidaritätszuschlags auf die Bezieher höherer Einkommen ab 2021 bereits Rechnung getragen. Daraus werde auch deutlich, dass der Gesetzgeber den Zuschlag nicht unbegrenzt erheben will, sondern nur für einen Übergangszeitraum. Die ab 2021 geltende Beschränkung durch Anhebung der Freigrenzen verstoße auch nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz, da die Ungleichbehandlung von Beziehern höherer Einkommen mit von den Freigrenzen Begünstigten durch das Sozialstaatsprinzip des Grundgesetzes gerechtfertigt sei (s. dazu auch Pressemitteilung des BFH vom 30.01.2023).