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Rechtsberatung

Vergabeverfahren: Kein Ausschluss wegen potenzieller Einbindung eines US-Hosting-Dienstes

Mit sei­nem Be­schluss kippte das Ober­lan­des­ge­richt Karls­ruhe (OLG) am 07.09.2022 (Az. 15 Verg 8/22) die Ent­schei­dung der Ver­ga­be­kam­mer (VK) Ba­den-Würt­tem­berg vom 13.07.2022, nach der die po­ten­zi­elle Ein­bin­dung ei­nes US-Hos­ting-Diens­tes da­ten­schutz­recht­lich ein Aus­schluss-kri­te­rium in einem Ver­ga­be­ver­fah­ren dar­stel­len sollte (Az. 1 VK 23/22).

Hin­ter­grund der Ent­schei­dung war die eu­ro­pa­weite Aus­schrei­bung zweier kom­mu­na­ler Kran­ken­haus­ge­sell­schaf­ten zur Be­schaf­fung ei­ner Soft­ware für ein di­gi­ta­les Ent­lass­ma­nage­ment für Pa­ti­en­ten. Ins­be­son­dere auf­grund der Sen­si­bi­lität der für die Soft­ware er­for­der­li­chen per­so­nen­be­zo­ge­nen Da­ten war beim Ver­fah­ren vor­aus­ge­setzt, dass die An­for­de­run­gen der Da­ten­schutz­grund­ver­ord­nung (DS­GVO) und des Bun­des­da­ten­schutz­ge­set­zes (BDSG) erfüllt sein müssen. Es be­war­ben sich meh­rere Un­ter­neh­men auf die Aus­schrei­bung. Ein Un­ter­neh­men, wel­ches als Hos­ting-Dienst­leis­te­rin eine lu­xem­bur­gi­sche Toch­ter­ge­sell­schaft ei­nes US-ame­ri­ka­ni­schen Un­ter­neh­mens ein­bin­den wollte, er­hielt den Zu­schlag in die­sem Ver­ga­be­ver­fah­ren. Da­bei ver­si­cherte es in sei­nem An­ge­bot, dass die per­so­nen­be­zo­ge­nen Da­ten aus­schließlich auf einem in Frank­furt am Main be­find­li­chen Ser­ver ei­ner deut­schen GmbH ver­ar­bei­tet würden. In einem nach­fol­gen­den Nachprüfungs­an­trag rügte eine Kon­kur­ren­tin bei der VK, dass das aus­gewählte Un­ter­neh­men vom Ver­fah­ren hätte aus­ge­schlos­sen wer­den müssen, weil es per­so­nen­be­zo­gene Da­ten auf Ser­vern ver­ar­beite, auf die die USA als Dritt­saat Zu­griff hätten. Die VK ent­schied dar­auf­hin, das Un­ter­neh­men aus dem Ver­ga­be­ver­fah­ren aus­zu­schließen, da es für einen Ver­stoß ge­gen §§ 44 ff. DS­GVO aus­rei­che, wenn das la­tente Ri­siko ei­nes Zu­griffs von staat­li­chen und pri­va­ten Stel­len außer­halb der Eu­ropäischen Union be­stehe.

Ge­gen diese Ent­schei­dung legte das zu­vor bei­ge­la­dene Un­ter­neh­men, wel­ches den Zu­schlag er­hal­ten hatte, Be­schwerde beim OLG ein und be­gehrte die Auf­he­bung der Ent­schei­dung. Das OLG gab der Be­schwerde statt und hob die Ent­schei­dung der VK un­ter Zurück­wei­sung des Nachprüfungs­an­trags auf. Es seien keine An­halt­punkte ge­ge­ben, nach de­nen an­zu­neh­men wäre, dass ein Dritt­staat Zu­griff auf die sen­si­blen Da­ten er­lan­gen könnte. Grundsätz­lich könne ein öff­ent­li­cher Auf­trag­ge­ber da­von aus­ge­hen, dass die An­ga­ben ei­nes Bie­ters im Ver­ga­be­ver­fah­ren kor­rekt seien und er seine ver­trag­li­chen Zu­sa­gen erfüllen wird. Erst wenn sich auf­grund kon­kre­ter An­halts­punkte Zwei­fel daran ergäben, müsse der öff­ent­li­che Auf­trag­ge­ber ergänzende In­for­ma­tio­nen ein­ho­len und die Erfüll­bar­keit des Leis­tungs­ver­spre­chens prüfen. Im vor­lie­gen­den Fall hat das Un­ter­neh­men je­doch un­zwei­fel­haft Zu­si­che­run­gen zu dem Ver­trags­in­halt zwi­schen ihm und dem lu­xem­bur­gi­schen Toch­ter­un­ter­neh­men ge­macht. So wurde ver­ein­bart, dass die per­so­nen­be­zo­ge­nen Ge­sund­heits­da­ten aus­schließlich nach Lu­xem­burg über­mit­telt und auch zu ih­rer Ver­ar­bei­tung die EU nicht ver­las­sen, son­dern nur in Deutsch­land ver­ar­bei­tet würden. Auf die­ser Grund­lage konn­ten die zwei kom­mu­na­len Kran­ken­haus­ge­sell­schaf­ten dar­auf ver­trauen, dass das Un­ter­neh­men diese Vor­ga­ben auch in ih­rem Verhält­nis zur lu­xem­bur­gi­schen Toch­ter­ge­sell­schaft ver­trags­gemäß um­set­zen werde. Sie muss­ten auch im Hin­blick auf eine mögli­che Kon­zern­bin­dung nicht da­von aus­ge­hen, dass per­so­nen­be­zo­gene Da­ten in die USA über­mit­telt wer­den. Da­mit erfüllte das An­ge­bot des aus­gewähl­ten Un­ter­neh­mens alle An­for­de­run­gen an die DS­GVO und BDSG und war nicht vom Ver­fah­ren aus­zu­schließen.

Hin­weis: Für öff­ent­li­che Auf­trag­ge­ber be­deu­tet die­ser Be­schluss, dass sie bei Pro­jek­ten, bei de­nen per­so­nen­be­zo­gene Da­ten ver­ar­bei­tet wer­den und Dritt­staa­ten auf Bie­ter­seite in­vol­viert sein könn­ten, bezüglich der Ein­hal­tung der DS­GVO und des BDSG zwar be­son­ders gründ­lich die ver­trag­li­chen Ver­ein­ba­run­gen überprüfen müssen, sie aber grundsätz­lich auf die An­ga­ben des Bie­ters ver­trauen können und nur bei kon­kre­ten An­halts­punk­ten einen Aus­schluss vom Ver­fah­ren in Be­tracht zie­hen müssen.

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