Der Sachverhalt:
Nach § 2 Abs. 2 des im Emissionsprospekt der Fondsgesellschaft abgedruckten atypisch stillen Gesellschaftsvertrages wird "die Beteiligung als atypisch stiller Gesellschafter unabhängig vom Zeitpunkt der Eintragung des Vertrages in das Handelsregister gem. § 294 AktG wirksam mit der Annahme der Beitrittserklärung durch den Geschäftsinhaber, der Zahlung des Aufgeldes (Agio) und der vollständigen Zahlung der Einmaleinlage". Mit Schreiben vom 12.11.2002 begrüßte die Fondsgesellschaft den Kläger "im Kreise der atypisch stillen Gesellschafter" und sandte einen gegengezeichneten Durchschlag der Beitrittserklärung an ihn zurück. Auf dem für die Fondsgesellschaft geführten Treuhandkonto ging am 13.11.2002 eine erste Teilzahlung des Klägers i.H.v. 33.600 € ein, die Einzahlung weiterer 30.000 € erfolgte am 28.11.2002.
Am 13.11.2012 reichten die Prozessbevollmächtigten des Klägers per Telefax einen Güteantrag bei Rechtsanwalt und Mediator R. aus F., einer staatlich anerkannten Gütestelle, ein, dem keine Vollmacht des Klägers beigefügt war. Der Kläger macht geltend, weder durch den Emissionsprospekt noch im Rahmen des Vermittlungsgesprächs zutreffend über die wesentlichen Risiken der Beteiligung aufgeklärt worden zu sein. Nach Scheitern des Güteverfahrens erhob der Kläger Klage auf Rückabwicklung der Beteiligung und Zahlung entgangenen Gewinns.
LG und OLG wiesen die Klage wegen Verjährung der geltend gemachten Ansprüche ab. Auf die Revision des Klägers hob der BGH das Berufungsurteil auf und verwies die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das OLG zurück.
Die Gründe:
Der Schadensersatzanspruch des Klägers wegen der Verletzung von Aufklärungspflichten im Zusammenhang mit seiner Beteiligung als atypisch stiller Gesellschafter unterliegt der zehnjährigen Verjährungsfrist des § 199 Abs. 3 Nr. 1 BGB, die entgegen der Rechtsauffassung des OLG zum Zeitpunkt der Einreichung des Güteantrags am 13.11.2012 noch nicht abgelaufen war.
Am 12.11.2002 war noch kein Schaden i.S.d. § 199 Abs. 3 Nr. 1 BGB entstanden, weshalb der am 13.11.2012 eingereichte Güteantrag eine Hemmung der Verjährung noch bewirken konnte (§ 204 Abs. 1 Nr. 4, § 187 Abs. 1, § 188 Abs. 2 BGB). Zwar ist der Beitrittsvertrag nach der von der Revision hingenommenen und rechtlich auch nicht zu beanstandenden tatrichterlichen Würdigung des OLG bereits mit Annahme der Beitrittserklärung des Klägers durch die Fondsgesellschaft am 12.11.2002 zustande gekommen. Der Abschluss des Beitrittsvertrages allein konnte in der gegebenen Konstellation einen den Verjährungsbeginn auslösenden Schaden allerdings noch nicht begründen. Dem Kläger stand nämlich ein freies Recht auf Widerruf seiner Beitrittserklärung zu.
Jedenfalls dann, wenn einem Anleger (wie hier) ein vertraglich eingeräumtes Recht auf Widerruf seiner Beitrittserklärung zu einer Kapitalgesellschaft zusteht, welches - abgesehen von der Einhaltung einer Widerrufsrist oder bestimmter Formerfordernisse - an keine weiteren Voraussetzungen gebunden ist, ist dieser durch das Zustandekommen des Beitrittsvertrages grundsätzlich noch nicht geschädigt. Solange es nämlich zur alleinigen Disposition des Anlegers steht, ob er an dem geschlossenen Vertrag festhält oder sich durch Ausübung eines ihm eingeräumten Widerrufsrechts von der eingegangenen Verpflichtung wieder löst, ist es noch offen, ob die vorgeworfene Pflichtverletzung zu einem Schaden führt. Es liegt dann lediglich eine risikobehaftete Lage vor, welche sich aber noch nicht in der Bewertung des Gesamtvermögens niederschlägt und daher einem Schadenseintritt nicht gleichsteht.
Ein mit dem Abschluss des Beitrittsvertrages zeitlich zusammenfallender Verjährungsbeginn lässt sich vorliegend auch nicht mit einer Anwendung der Grundsätze der fehlerhaften Gesellschaft begründen. Zwar steht die freie Widerrufbarkeit der Beitrittserklärung dem Verjährungsbeginn nach § 199 Abs. 3 Nr. 1 BGB dann nicht (mehr) entgegen, wenn Umstände gegeben sind, aufgrund derer der Beitretende von seiner Anlageentscheidung nicht Abstand nehmen kann, ohne aus Gründen, welche sich seiner Einflussmöglichkeit entziehen, ggf. finanzielle Einbußen oder sonstige für ihn nachteilige Folgen hinnehmen zu müssen. Bei dem hier zu beurteilenden Beitritt als atypisch stiller Gesellschafter zu einer Kapitalanlagegesellschaft ist von einer solchen Situation insbesondere dann auszugehen, wenn der Anleger bereits eine gesellschaftsrechtliche Stellung erlangt hat, aufgrund derer ein Austritt aus der Gesellschaft nur noch nach den Grundsätzen der fehlerhaften Gesellschaft möglich wäre.
Nach diesen Grundsätzen, die einen "gesicherten Bestandteil des Gesellschaftsrechts" bilden und auch für den fehlerhaften Beitritt zu einer bestehenden, atypisch stillen Gesellschaft gelten, ist der Widerruf der Beitrittserklärung bei einem bereits in Vollzug gesetzten Gesellschaftsvertrag als außerordentliche Kündigung zu behandeln, die nicht zu einer rückwirkenden Beseitigung der Gesellschafterstellung führt. Von einer Invollzugsetzung i.S.d. Rechtsprechung ist allerdings erst dann auszugehen, wenn Rechtstatsachen geschaffen worden sind, an denen die Rechtsordnung nicht vorbeigehen kann. Das ist der Fall, wenn der Beitretende Beiträge geleistet oder gesellschaftsvertragliche Rechte ausgeübt hat. Einen Beitrag hat der Kläger hier erst mit seiner Teilzahlung von 33.600 € am 13.11.2002 auf das Treuhandkonto der Fondsgesellschaft erbracht. Vorher hatte er weder Beiträge geleistet noch gesellschaftsvertragliche Rechte ausgeübt. Da die Grundsätze der fehlerhaften Gesellschaft für den Fall eines Widerrufs der Beitrittserklärung mithin frühestens ab dem 13.11.2002 zur Anwendung gelangen konnten, vermochte der am 13.11.2012 eingereichte Güteantrag die Verjährung noch zu hemmen.
Linkhinweis:
- Der Volltext der Entscheidung ist auf den Webseiten des BGH veröffentlicht.
- Um direkt zum Volltext zu kommen, klicken Sie bitte hier.