Medizinprodukte sind Produkte mit medizinischer Zweckbestimmung, die vom Hersteller für die Anwendung beim Menschen bestimmt sind. Dazu gehören Implantate, Produkte zur Injektion, Infusion, Transfusion und Dialyse, humanmedizinische Instrumente, Software, Katheter, Herzschrittmacher, Dentalprodukte, Verbandstoffe, Sehhilfen, Röntgengeräte, Kondome, ärztliche Instrumente, Labordiagnostika, Produkte zur Empfängnisregelung sowie In-vitro-Diagnostika. Um Medizinprodukte (und nicht um Arzneimittel) handelt es sich auch um Produkte, die einen Stoff oder Zubereitungen aus Stoffen enthalten oder mit solchen beschichtet sind, die bei gesonderter Verwendung als Arzneimittel oder Bestandteil eines Arzneimittels angesehen werden und in Ergänzung zu den Funktionen des Produktes eine Wirkung auf den menschlichen Körper entfalten können. Um Qualität, Sicherheit und Leistung der in der EU in Verkehr gebrachten Medizinprodukte sicherstellen zu können, ist der Begriff rechtlich geschützt. Es müssen bestimmte Zertifizierungsverfahren durchlaufen und Standards eingehalten werden. In diesem Zusammenhang erließen das Europäische Parlament und der Rat im April 2017 die MDR und die Verordnung (EU) 2017/746 (Verordnung über In-vitro-Diagnostika = IVDR), um den Rechtsrahmen für Medizinprodukte und In-vitro-Diagnostika zu stärken. Die Verordnung über Medizinprodukte ist seit dem 26.05.2021 anwendbar. Sie enthält für Medizinprodukte, die noch nach dem alten Rechtsregime zertifiziert wurden, u. a. einen Übergangszeitraum bis zum 26.05.2024.
Diese Übergangfrist soll nun laut der EU-Kommission verlängert werden. Die Dauer der Verlängerung richtet sich nach der Risikoklasse des Medizinprodukts. Dabei soll für Produkte mit höherem Risiko, wie Implantate, ein kürzerer Übergangszeitraum (bis zum 31.12.2027) gelten, wohingegen für Produkte mit mittlerem und geringerem Risiko, wie Spritzen und wiederverwendbare chirurgische Instrumente, längere Zeiträume (bis zum 31.12.2028) anwendbar sein sollen. Voraussetzung dafür ist, dass für das Medizinprodukt vor dem 26.05.2021 eine Bescheinigung oder eine Konformitätserklärung gemäß der Richtlinien 90/385/EWG oder 93/42/EWG ausgestellt wurde. Der Vorschlag der EU-Kommission sieht darüber hinaus für implantierbare Sonderanfertigungen der Klasse III einen Übergangszeitraum bis zum 26.05.2026 vor. Dadurch sollen Hersteller mehr Zeit erhalten, um eine Zertifizierung nach der MDR durch eine sog. Benannte Stelle zu erlangen. Außerdem plant die EU-Kommission, die derzeit in der Verordnung über Medizinprodukte und in der Verordnung über In-vitro-Diagnostika festgelegte „Abverkaufsfrist“ zu streichen. Diese Abverkaufsfrist entspricht dem Enddatum, nach dem Produkte, die bereits in Verkehr gebracht wurden und im Handel noch erhältlich sind, vom Markt genommen werden sollten. Durch die Streichung dieser Frist soll sichergestellt werden, dass sichere und wichtige Medizinprodukte, die bereits in Verkehr gebracht wurden, den Gesundheitssystemen sowie den Patientinnen und Patienten, die darauf angewiesen sind, weiterhin zur Verfügung stehen.
Die Anwendung der verlängerten Übergangszeiträume soll von mehreren Bedingungen abhängig gemacht werden, damit die Zeiträume nur für Produkte verlängert werden, die sicher sind und für die die Hersteller bereits Maßnahmen zum Übergang zur Verordnung über Medizinprodukte ergriffen haben. Dadurch soll sichergestellt werden, dass geltenden Sicherheits- und Leistungsanforderungen an die Produkte eingehalten werden.
Nun sollen im Wege des beschleunigten Mitentscheidungsverfahrens das Europäische Parlament und der Rat ihre Zustimmung zu diesem Vorschlag erteilen.