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Steuerberatung

Verluste aus Veräußerung unentgeltlich erworbener Kapitalgesellschaftsanteile

BFH 9.5.2017, IX R 1/16

Die Ver­mu­tung ei­nes ent­gelt­li­chen Ge­schäfts ist im Fall der Über­tra­gung ei­nes Ka­pi­tal­ge­sell­schafts­an­teils, für den der Zu­wen­dende hohe An­schaf­fungs­kos­ten ge­tra­gen hat, nicht al­leine we­gen ei­nes Freund­schafts­verhält­nis­ses zwi­schen dem Zu­wen­den­den und dem Empfänger als wi­der­legt an­zu­se­hen.

Der Sach­ver­halt:
Der Kläger war im Streit­jahr 2010 kurz­zei­tig Ge­sell­schaf­ter der A-GmbH. Sie hielt im Streit­jahr einen An­teil von 66,6 % an der B-GmbH, die wie­derum zu 100 % be­herr­schende Ge­sell­schaf­te­rin der C-AG war. Die A-GmbH war im Jahr 2001 durch D als Al­lein­ge­sell­schaf­ter gegründet wor­den. D hielt zu Be­ginn des Streit­jah­res 2010 75,8 % der Ge­sell­schafts­an­teile an der A-GmbH. Der Kläger ist seit Mai 2010 Vor­sit­zen­der des Auf­sichts­ra­tes der C-AG. Über seine Tätig­keit für das Jahr 2010 rech­nete er im No­vem­ber 2011 i.H.v. 2.860 € ab. Der Kläger war bis Mitte 2010 in lei­ten­der Funk­tion im E-Kon­zern tätig und schied dort ge­gen eine Ab­fin­dung aus dem Ar­beits­verhält­nis aus.

Die Fa­mi­lie D und die Fa­mi­lie des Klägers ver­bin­det ein langjähri­ges, aus der Nach­bar­schaft ge­wach­se­nes freund­schaft­li­ches Verhält­nis. Der Kläger kennt D seit des­sen Kin­des­ta­gen. Mit no­ta­ri­el­lem Ver­trag über die Schen­kung und Über­tra­gung ei­nes Ge­schäfts­an­teils von De­zem­ber 2010 über­trug D einen Ge­schäfts­an­teil an der A-GmbH im Nenn­wert von 4.000 € auf den Kläger. Die An­schaf­fungs­kos­ten des D für die­sen Ge­schäfts­an­teil be­tru­gen rd. 1,46 Mio. €. Mit no­ta­ri­el­lem Ver­trag von De­zem­ber 2010 veräußerte der Kläger den Ge­schäfts­an­teil an der A-GmbH zu einem Kauf­preis von 400 € an die F-GmbH, die er we­nige Tage zu­vor gegründet hatte und de­ren al­lei­ni­ger Ge­sell­schaf­ter-Ge­schäftsführer er ist. Der ge­meine Wert des Ge­schäfts­an­teils an der A-GmbH be­trug zum Zeit­punkt der Über­tra­gung auf die F-GmbH 400 €. Schen­kung­steu­er­lich ist der An­teil mit 1.050 € an­ge­setzt wor­den. Die­ser Wert wurde auf der Ba­sis der Bi­lanz der A-GmbH zum 31.12.2009 er­mit­telt.

Im Rah­men der Ein­kom­men­steu­er­erklärung für das Streit­jahr machte der Kläger aus der Veräußerung des An­teils einen Ver­lust i.H.v. rd. 885.000 € gel­tend. Der Kläger trug vor, dass die Schen­kung aus­schließlich aus ei­ner persönli­chen freund­schaft­li­chen Be­zie­hung zwi­schen D und dem Kläger re­sul­tiere. Da­bei habe des Klägers wirt­schaft­li­che Kom­pe­tenz auch eine Rolle ge­spielt. D habe ein In­ter­esse daran ge­habt, ihn als Ge­sell­schaf­ter der A-GmbH zu ge­win­nen. Das Fi­nanz­amt setzte statt des gel­tend ge­mach­ten Ver­lusts um 400 € erhöhte Einkünfte aus Ka­pi­tal­vermögen an.

Das FG gab der hier­ge­gen ge­rich­te­ten Klage statt. Auf die Re­vi­sion des Fi­nanz­amts hob der BFH das Ur­teil auf und ver­wies die Sa­che an das FG zurück.

Die Gründe:
Das FG hat zu Un­recht das Verhält­nis zwi­schen Freun­den ty­pi­sie­rend mit dem­je­ni­gen von Ver­wand­ten gleich­ge­setzt und des­halb die Ver­mu­tung für das Vor­lie­gen ei­ner ent­gelt­li­chen Über­tra­gung des Ge­sell­schafts­an­teils als wi­der­legt an­ge­se­hen.

Veräußerung i.S.d. § 17 Abs. 1 S. 1 EStG ist die Über­tra­gung von An­tei­len ge­gen Ent­gelt. Ent­gelt­lich ist die Über­tra­gung von Ge­sell­schafts­an­tei­len, wenn ihr eine gleich­wer­tige Ge­gen­leis­tung ge­genüber­steht. Das Ge­genstück zur ent­gelt­li­chen Veräußerung ist die un­ent­gelt­li­che Über­tra­gung von An­tei­len (§ 17 Abs. 1 S. 4, Abs. 2 S. 5 und 6 Buchst. a EStG), die da­durch ge­kenn­zeich­net ist, dass der Über­tra­gende dem Empfänger eine frei­gie­bige Zu­wen­dung ma­chen will. Letz­te­res ist bei Verträgen un­ter frem­den Drit­ten im All­ge­mei­nen nicht an­zu­neh­men, so­fern nicht An­halts­punkte für eine Schen­kungs­ab­sicht des über­tra­gen­den Ver­trags­part­ners be­ste­hen. Des­halb spricht in­so­weit eine (wi­der­leg­bare) Ver­mu­tung für das Vor­lie­gen ei­nes ent­gelt­li­chen Ge­schäfts.

Bei ein­an­der na­he­ste­hen­den Per­so­nen wird dem­ge­genüber der Nach­weis der Un­ent­gelt­lich­keit er­leich­tert; denn bei ih­nen kann nicht un­ter­stellt wer­den, dass sie Leis­tung und Ge­gen­leis­tung im Re­gel­fall nach kaufmänni­schen Ge­sichts­punk­ten aus­ge­han­delt ha­ben. Was un­ter "ein­an­der na­he­ste­hen­den Per­so­nen" zu ver­ste­hen ist, ist ge­setz­lich nicht de­fi­niert. Maßge­bend ist, ob un­ter Berück­sich­ti­gung der Ge­samt­heit der ob­jek­ti­ven Ge­ge­ben­hei­ten ein den Gleich­klang wirt­schaft­li­cher In­ter­es­sen in­di­zie­ren­des, den Ein­zel­fall be­stim­men­des Näheverhält­nis an­ge­nom­men wer­den kann.

Vor­lie­gend hat das FG das Verhält­nis zwi­schen Freun­den ohne wei­tere Fest­stel­lun­gen mit dem­je­ni­gen von Ver­wand­ten gleich­ge­setzt und dar­aus ab­ge­lei­tet, dass die Ver­mu­tung für das Vor­lie­gen ei­ner ent­gelt­li­chen Über­tra­gung nicht an­wend­bar sei. Eine der­ar­tige Aus­le­gung ver­kennt je­doch die Reich­weite die­ses Er­fah­rungs­sat­zes. Zwar kann ein den Gleich­klang wirt­schaft­li­cher In­ter­es­sen in­di­zie­ren­des, den Ein­zel­fall be­stim­men­des Näheverhält­nis aus­nahms­weise im Ein­zel­fall auch bei nicht ver­wandt­schaft­lich ver­bun­de­nen Per­so­nen ge­ge­ben sein. In einem sol­chen Fall be­darf es aber wei­te­rer be­son­de­rer, ob­jek­ti­ver An­halts­punkte, aus de­nen auf die Entkräftung der Ver­mu­tung ei­ner ent­gelt­li­chen Über­tra­gung ge­schlos­sen wer­den kann. Sol­che Umstände hat das FG hier je­doch nicht fest­ge­stellt.

Auf­grund der vor­lie­gen­den aty­pi­schen Umstände ist der für Zwecke der Be­steue­rung in­so­weit al­lein maßge­bende wirt­schaft­li­che Ge­halt des tatsäch­lich ver­wirk­lich­ten Sach­ver­halts ohne Bin­dung an eine Rich­tig­keits- und Vollständig­keits­ver­mu­tung des no­ta­ri­ell be­ur­kun­de­ten "Ver­trags über die Schen­kung und Über­tra­gung" zu prüfen. Denn diese rein for­male Ver­mu­tung war im Streit­fall auf­grund der be­haup­te­ten außer­gewöhn­li­chen Sach­ver­halts­ge­stal­tung wi­der­legt. Dass den Zu­wen­den­den und den Steu­er­pflich­ti­gen eine langjährige, aus der Nach­bar­schaft er­wach­sene Freund­schaft ver­bin­det, stellt al­leine kei­nen nach­voll­zieh­ba­ren Grund dafür dar, dass eine un­ent­gelt­li­che Über­tra­gung statt­ge­fun­den ha­ben soll.

Link­hin­weis:

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